Deutsche Bank macht bei Stellenabbau Tempo – Anleger zweifeln
Frankfurt – Die Deutsche Bank verliert keine Zeit beim Abbau Tausender Stellen. «In den Geschäftsbereichen, in denen wir uns zurückziehen werden, haben wir mit dem Prozess bereits begonnen», sagte Konzernchef Christian Sewing am Montag. «Das betrifft natürlich nicht nur Asien, das betrifft auch andere Regionen.»
Deutschlands grösstes Geldhaus hatte am Sonntag im Zuge eines radikalen Konzernumbaus den Abbau von weltweit rund 18 000 Vollzeitstellen angekündigt. Bis zum Ende des Jahres 2022 soll die Zahl der Jobs von zuletzt knapp 91 500 auf etwa 74 000 sinken – damit fällt etwa jede fünfte Stelle weg.
Wie stark einzelne Länder und Standorte betroffen sind, wollte Sewing nicht sagen. Dem Vernehmen nach wurden auch in London und New York erste Kündigungen ausgesprochen.
Folgen des Umbaus für Deutschen Bank (Suisse) bleibt ungewiss
Die Folgen der von der Deutschen Bank angekündigten massiven Restrukturierungspläne für ihre Schweizer Tochter sind noch ungewiss. Der deutsche Bankenprimus will nach Jahren der Krise mit einem Befreiungsschlag endlich die Wende schaffen. Weltweit sollen rund 18’000 Stellen abgebaut werden. Vom Abbau besonders betroffen ist das Investmentbanking. Die Bank will aus dem weltweiten Aktienhandel aussteigen und plant milliardenschwere Investitionen in neue Technologie.
Es sei noch zu früh, um über die Auswirkungen der Restrukturierungsmassnahmen auf die Schweizer Tochter zu sprechen, sagte ein Sprecher des Schweizer Ablegers auf Anfrage von AWP.
Während das Investmentbanking vor einem grossen Abbau steht, stehen die Zeichen in der Vermögensverwaltung, der Stärke der in Genf ansässigen Deutsche Bank (Suisse) auch nach einem schwachen 2018 eher auf Ausbau. Fabrizio Campelli, Leiter der konzernweiten Vermögensverwaltung und Präsident der Deutschen Bank (Schweiz), hatte Ende Juni in einem Interview mit Reuters gesagt, bis 2021 rund 300 Berater einzustellen.
Schweizer Tochter ist profitabel
Die Schweizer Tochtergesellschaft beschäftigte Ende 2018 522 Mitarbeiter und verwaltete ein Vermögen von 24,9 Milliarden Franken. Die Vermögenswerte sanken im Jahresvergleich um rund 15 Prozent. Zyklische und geopolitische Faktoren sowie die Korrektur an den Börsen im letzten Quartal 2018 drückten die Werte. Unter dem Strich resultierte ein Reingewinn von 4,2 Millionen Franken nach 19,5 Millionen um Jahr zuvor.
Für das laufende Geschäftsjahr gibt die Schweizer Tochtergesellschaft keine quantitativen Prognosen ab. Wachstum und Rentabilität sollen die Prioritäten sein.
Berg- und Talfahrt an der Börse
An der Börse reagierte die Deutsche-Bank-Aktie mit einer Berg- und Talfahrt auf die Neuigkeiten. Zunächst ging es mit einem Kursplus von mehr als vier Prozent an die Spitze des Dax. Wenig später sackte das Papier in die Verlustzone und lag am frühen Nachmittag mit 1,07 Prozent im Minus bei 7,098 Euro. Allerdings ist die Aktie damit immer noch mehr wert als zum Jahreswechsel. Nach dem geplatzten Traum von einer Fusion mit der Commerzbank war ihr Kurs zwischenzeitlich auf ein Rekordtief von 5,801 Euro abgesackt.
Experten beurteilen die Pläne des Managements unterschiedlich: Während die einen den Mut zum Umbau loben, sorgen sich andere weiterhin um die Kapitalstärke des deutschen Branchenprimus.
Die Investmentbank wird deutlich verkleinert. So steigt das Institut komplett aus dem Aktienhandel aus. Besonders getroffen werden davon voraussichtlich die Standorte in New York und London – auch wenn die Bank dort weiter stark präsent sein will. Auch im deutschen Privatkundengeschäft, zu dem auch die Postbank gehört, sieht Sewing weiteren Anpassungsbedarf.
Jahrelange Krise
Der Umbau soll die jahrelange Krise des Instituts beenden. Milliardenschwere Investitionen in neue Technologie und die Konzentration auf erfolgreiche Geschäftsfelder sollen den Dax-Konzern zurück in die erste Liga bringen. «Wir werden nur noch dort sein, wo unsere Kunden uns wollen», betonte Sewing. «Wir wollen nur dort mitspielen, wo wir auch gewinnen können.» Neben dem Privatkundengeschäft auf dem Heimatmarkt sieht Sewing vor allem im weltweiten Geschäft mit Unternehmenskunden grosse Wachstumschancen.
Im Investmentbanking will sich die Deutsche Bank künftig auf das Geschäft mit Krediten, Anleihen und Währungen sowie auf strategische Beratung konzentrieren. Die Investmentbank soll weiterhin 30 Prozent zu den Erträgen, also den gesamten Einnahmen der Bank, beitragen.
Die 7,4 Milliarden Euro Umbaukosten werden der Bank jedoch zunächst rote Zahlen einbrocken. Finanzchef James von Moltke, der im Gegensatz zu drei Vorstandskollegen an Bord bleibt, rechnet für 2019 mit roten Zahlen. «Für 2020 gehen wir davon aus, dass wir bei plus minus null rauskommen, vielleicht auch etwas besser», sagte von Moltke. Die Aktionäre sollen für beide Jahre keine Dividende erhalten.
Anleger erleichtert: Sanierung ohne Kapitalerhöhung
Für Erleichterung sorgt bei Aktionären, dass die Bank die Sanierung ohne Kapitalerhöhung bewältigen will. Ein solcher Schritt hätte die Beteiligungen der bisherigen Anteilseigner und ihren Anteil an künftigen Gewinnen verwässert.
Nun nimmt das Institut aber eine geringere harte Kernkapitalquote in Kauf als zuvor geplant. Kernkapital gilt als Puffer für Krisenzeiten. Die Aufsichtsbehörden seien damit einverstanden, versicherte Sewing. Mit der Zeit werde die Bank über eine Dividende auch Kapital an die Anleger zurückgeben. «Von daher ist das meines Erachtens auf mittlere und lange Sicht eine gute Nachricht für die Aktionäre», sagte der Manager dem Nachrichtensender n-tv.
Die Ratingagentur Moody’s wertete den Umbau als «positiven Schritt in Richtung eines ausbalancierteren und nachhaltigeren Geschäftsmodells». Ihren negativen Ausblick für die Deutsche Bank behielt die Agentur wegen «signifikanter Herausforderungen» aber vorerst bei.
Analysten zeigten sich von der Tiefe der Einschnitte überrascht. Er habe erwartet, dass sich die Deutsche Bank nur in einzelnen Regionen aus dem Aktienhandel verabschiede, schrieb Experte Jernej Omahen von der US-Investmentbank Goldman Sachs. Allerdings fehle es der Bank weiterhin an sehr renditeträchtigen Geschäftsfeldern. Das Urteil des renommierten Experten Kian Abouhossein von der US-Bank JPMorgan fällt milder aus. Die mutigen Umbaupläne seien das erste Mal nicht halbgar, sondern stellten einen echten strategischen Schwenk dar. (awp/mc/ps)