Frankfurt – Die Übernahme der Postbank vor mehr als zehn Jahren hat ein teures Nachspiel für die Deutsche Bank. Eine milliardenschwere Rückstellung in einem langwierigen Rechtsstreit mit früheren Postbank-Aktionären brockte der Deutschen Bank im zweiten Quartal rote Zahlen ein. Unter dem Strich fiel ein Verlust von 143 Millionen Euro an, wie der Dax-Konzern in Frankfurt mitteilte. Es war der erste Quartalsverlust seit Anfang 2020. Vor einem Jahr hatte die Deutsche Bank 763 Millionen Euro verdient.
Im Tagesgeschäft lief es dagegen etwas besser als von Analysten erwartet: Ohne die Postbank-Rückstellung stand ein Vorsteuergewinn auf 1,7 Milliarden Euro – nach 1,4 Milliarden im Vorjahresquartal. An der Börse sackte die Aktie dennoch kurz nach Handelsstart um sieben Prozent ab. Händler begründeten dies unter anderem mit Aussagen des Finanzvorstands James von Moltke, dass in diesem Jahr keine weiteren Aktienrückkäufe mehr geplant sind.
Langer Schatten der Postbank-Übernahme
Die Bank hatte bereits Ende April mitgeteilt, dass die Mehrheitsübernahme der Postbank im Jahr 2010 teure Folgen haben könnte. In einem seit Jahren laufenden Rechtsstreit mit ehemaligen Postbank-Aktionären deutete das Oberlandesgericht (OLG) Köln an, dass es zugunsten der Kläger entscheiden könnte. Die Deutsche Bank legte daher vorsorglich 1,3 Milliarden Euro zurück.
Im Kern geht es um die Frage, ob die 2010 beschlossene Zwangsabfindung der Minderheitsaktionäre angemessen war und ob die Deutsche Bank nicht schon vor dem öffentlichen Übernahmeangebot für die Postbank 2010 faktisch die Kontrolle über das Bonner Institut hatte. Kommt es nicht zu einer aussergerichtlichen Einigung zwischen den Parteien, will das OLG Köln am 21. August entscheiden.
Investmentbanking stark im zweiten Quartal
Im operativen Geschäft lief es für die Deutsche Bank dagegen ordentlich. Die Erträge – also die gesamten Einnahmen der Bank – wuchsen um zwei Prozent auf 7,6 Milliarden Euro. Besonders im Investmentbanking legte der Konzern zu. Dort stiegen die Erträge zum Vorjahreszeitraum um zehn Prozent auf 2,6 Milliarden Euro. Das Wachstum kam im Wesentlichen aus dem Geschäft mit Beratung und der Ausgabe von Wertpapieren, das die Erträge verdoppelte.
Vor Steuern lag der Gewinn im zweiten Quartal insgesamt bei 411 Millionen Euro. «Das ist das beste Ergebnis in einem zweiten Quartal seit 13 Jahren», schrieb Vorstandschef Christian Sewing in einem Brief an die Beschäftigten, den die Bank veröffentlichte. «Wir sind weiterhin auf einem guten Weg, unsere Ziele für 2025 zu erreichen – einschliesslich der angestrebten Ausschüttung an unsere Aktionäre.»
Auf die strategischen Pläne oder Finanzziele der Bank habe die Postbank-Rückstellung keine Auswirkung, betonte die Deutsche Bank. Sie bestätigte ihre Ziele für das laufende und kommende Jahr. «Wir liegen auf Kurs, um wie geplant im Gesamtjahr rund 30 Milliarden Euro an Erträgen zu erreichen», schrieb Sewing. Auch die Ziele für Ende 2025 habe man fest im Blick – insbesondere eine Rendite auf das materielle Eigenkapital von mehr als 10 Prozent. Von dieser ist die Bank allerdings derzeit weit entfernt.
Viel Unruhe um Postbank
Mit der Übernahme der auf Privatkunden ausgerichteten Postbank wollte die Deutsche Bank unabhängiger vom schwankungsanfälligen Investmentbanking werden. Doch zuletzt sorgte die Postbank immer wieder für Negativschlagzeilen. So verärgerte Chaos bei der Übertragung des Kundengeschäfts auf die Computersysteme der Deutschen Bank im vergangenen Jahr viele Postbank-Kunden.
Zeitweise konnten sie nicht auf Konten zugreifen, Baufinanzierungen verzögerten sich. Das rief die Finanzaufsicht Bafin auf den Plan, die einen Sonderbeauftragten schickte. Auch für den Deutsche-Bank-Vorstand hatte das Postbank-Chaos ein Nachspiel: Er bekam weniger Boni für das Geschäftsjahr 2023. (awp/mc/ps)