Radikaler Schrumpfkurs: Deutsche Bank baut tausende Stellen ab
Deutsche Bank-Chef John Cryan. (Foto: Deutsche Bank)
Frankfurt am Main – Die Deutsche Bank dünnt unter ihrem neuen Chef John Cryan ihre Belegschaft radikal aus und will künftig konzernweit mit gut 25’000 Stellen weniger auskommen. Aus zehn Auslandsmärkten zieht sich der deutsche Branchenprimus komplett zurück. Die Bank müsse einfacher und effizienter werden, betonte Cryan am Donnerstag in Frankfurt bei seiner ersten Pressekonferenz seit seinem Amtsantritt am 1. Juli. 2018 will das neue Management die Früchte des harten Umbaus ernten.
Auch den Aktionären verlangt der Vorstand Bescheidenheit ab: Die Dividende fällt erstmals in der Nachkriegsgeschichte aus – und das gleich für zwei Jahre: Für 2015 und 2016 gehen die Analysten auf jeden Fall leer aus. An der Börse stiess vor allem das sauer auf. Die Deutsche-Bank-Aktie lag am Mittwoch mit einem Abschlag von rund fünf Prozent am Dax-Ende .
In Deutschland fallen 4000 Stellen weg
Im eigenen Haus werden unter dem Strich 9000 Arbeitsplätze abgebaut, 4000 davon im Heimatmarkt Deutschland. Wie stark der Stellenabbau die einzelnen Sparten treffen wird, führte das Management nicht aus. Noch unter dem alten Vorstand hatte das Institut im April beschlossen, bis Ende 2017 etwa 200 der 700 eigenen Filialen zu schliessen. Dies werde vor allem Ballungsräume treffen, erklärte der neue Privatkundenchef Christian Sewing: «Wir werden weiterhin mit über 500 Filialen in Deutschland präsent sein und damit die Fläche sehr gut abdecken.»
Erheblich schrumpfen wird die Belegschaft des Dax-Konzerns zusätzlich über den Verkauf von Beteiligungen – vor allem durch die ebenfalls bereits im April beschlossene Trennung von der Postbank. Dies verringert den Mitarbeiterstamm in den nächsten zwei Jahren um weitere etwa 20’000 Vollzeitkräfte. Insgesamt wird der Mitarbeiterstamm des Deutsche-Bank-Konzerns somit bis 2018 um ein Viertel auf etwa 77’000 Vollzeitkräfte schrumpfen.
Stellenabbau soll fair verlaufen – Modernisierung der IT
«Ich versichere ihnen, dass wir diesen Stellenabbau auf eine faire Art und Weise in Rücksprache mit unseren Betriebsräten vornehmen werden», sagte Cryan. Die Gewerkschaft Verdi, deren Chef Frank Bsirske im Deutsche-Bank-Aufsichtsrat sitzt, mahnte zu einem sozialverträglichen Umbau: «Wir erwarten, dass für die Dauer des Umbaus betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden», erklärte Bsirske in einer Mitteilung.
Zugleich begrüsste Bsirske, dass die Bank ihre Strukturen vereinfache und ihre IT modernisiere. Cryan will die veraltete Technologie auf Vordermann bringen und wieder mehr Know-how in diesem Bereich ins Haus zurückholen. 6000 Stellen bei externen Dienstleistern, etwa in der IT, sollen in diesem Zuge wegfallen.
Kosten sollen deutlich runter
Verkleinern wird die Deutsche Bank auch ihr internationales Netz. Aus zehn Ländern zieht sie sich vollständig zurück: Argentinien, Chile, Mexiko, Peru, Uruguay, Dänemark, Finnland, Norwegen, Malta und Neuseeland. An ihrem grossen Privatkundengeschäft in Italien und Spanien hingegen hält die Bank fest. Im Investmentbanking stellt die Bank etliche Handelsgeschäfte ein, betonte aber zugleich, dass das Anleihengeschäft weiterhin Kernbestandteil bleibe.
Dem Institut machen die immer strengeren Kapitalanforderungen zu schaffen, viele Geschäfte gerade im schwankungsanfälligen Kapitalmarktgeschäft lohnen sich nicht mehr. Der Sparkurs soll die Kosten um brutto rund 3,8 Milliarden Euro drücken. Die Kosten für den Umbau inklusive Abfindungen bezifferte das Geldhaus auf rund 3,0 bis 3,5 Milliarden Euro.
Durststrecke von mindestens zwei Jahren
Nach einem Rekordverlust von sechs Milliarden Euro im dritten Quartal stellt sich der Vorstand auf rote Zahlen für das Gesamtjahr ein. «Wenn nicht ein Wunder passiert, werden wir einen Verlust für 2015 ausweisen», sagte Cryan. Grund sind milliardenschwere Abschreibungen im Investmentbanking und im Privatkundengeschäft. Hinzu kamen neue Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten. 4,8 Milliarden Euro hat die Bank derzeit für ihre Altlasten zurückgelegt. Seit 2012 musste die Bank rund 12 Milliarden Euro für Verfehlungen wie Zinsmanipulationen und fragwürdige Hypothekengeschäfte zahlen.
«Wir gehen nicht davon aus, dass 2016 und 2017 starke Jahre sein werden. Die Kosten für Rechtsstreitigkeiten und regulatorische Aufwendungen werden unsere Ergebnisse belasten», sagte Cryan. «2018 dürfte ein entscheidendes Jahr für uns sein, bis dahin werden wir ein zufriedenstellendes Niveau bei den Gewinnen haben.» Der ehemalige UBS-Finanzvorstand Cryan hatte zum 1. Juli Anshu Jain an der Führungsspitze der Bank abgelöst. Der zweite Co-Chef Jürgen Fitschen bleibt noch bis zur Hauptversammlung im Mai 2016 im Amt, ehe der Brite allein das Ruder übernimmt. (awp/mc/upd/pg)