Reto Francioni, CEO Gruppe Deutsche Börse.
Frankfurt am Main – Der Vize-Aufsichtsratschef der Deutschen Börse, Johannes Witt, hat vor einer Aufstockung des Übernahmeangebots für die New York Stock Exchange (Nyse/Euronext) gewarnt.
von Wolfgang Ehrensberger, Euro am Sonntag
„Sollte der Vorstand von sich aus neue Elemente in den bestehenden Vertragsentwurf für die Fusion mit Nyse einbringen, ohne vorher den Aufsichtsrat in diese Änderungen einzubinden, werden wir rechtliche Schritte gegen den Vorstand prüfen“, sagte Witt zu €uro am Sonntag. „In einem derartigen Übernahmeprozess muss laut Aktiengesetz bei jeder Änderung der Aufsichtsrat eingebunden werden.“ Witt vertritt als Gesamtbetriebsratschef die Arbeitnehmerfraktion und damit rund ein Drittel der Aufsichtsräte im Deutsche-Börse-Kontrollgremium. Witt hat sich gegen die Fusion mit Nyse/Euronext gestellt, weil er mit Know-how-Verlusten und einer Dominanz der amerikanischen Seite rechnet.
Zusammenschluss «bestmögliche Kombination für Aktionäre und Stakeholder»
Die Deutsche Börse hatte Anfang April für ihr Fusionsvorhaben mit der Nyse/Euronext Konkurrenz von der US-Technologiebörse Nasdaq bekommen. Nasdaq hatte zusammen mit der Rohstoffbörse Intercontinental Exchange (ICE) ein Angebot für Nyse/Euronext abgegeben, das mit rund elf Milliarden Dollar knapp 20 Prozent höher lag als das der Deutschen Börse. Dies wiederum hatte Spekulationen genährt, Nyse/Euronext könnte nun ein Gegenangebot für die wesentlich kleinere Nasdaq machen. Wegen der starken Marktposition gilt eine solche Verbindung allerdings als kartellrechtlich problematisch. Nyse/Euronext hatte zwischenzeitlich jedoch erklärt, kein Angebot für die Nasdaq abgeben zu wollen.
Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni hatte sich zu dem Gegenangebot der Nasdaq zurückhaltend geäussert. „Wir nehmen es zur Kenntnis.“ Ob er eine Aufstockung plant, liess er offen. Finanziell wäre ein höheres Angebot für die Deutsche Börse zu stemmen. Auch an Entschlossenheit, die Transaktion durchzuziehen, fehlt es offenbar nicht. „Wir sind der festen Überzeugung, dass der Zusammenschluss von Deutscher Börse und Nyse/Euronext die bestmögliche Kombination für Aktionäre und Stakeholder darstellt“, heisst es beim Vorstand.
Keine grosse Begeisterung über den Deal bei den Aktionären
Am Kapitalmarkt wird ein höheres Angebot überwiegend skeptisch gesehen. „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass die Deutsche Börse jetzt noch mit einem Gegenangebot kommt“, sagt Merck-Finck-Analyst Konrad Becker. „Die Synergieeffekte eines Zusammenschlusses bleiben ja die gleichen, auch wenn die Deutsche Börse noch ein oder zwei Milliarden Dollar mehr auf den Tisch legt. Das würde bei den Aktionären nicht gut ankommen, die über den Deal ohnehin nicht so begeistert sind.“ Becker ist insgesamt skeptisch, dass der Deal überhaupt noch zustande kommt. „Die Situation ist im Moment völlig unklar.“