Hauptgebäude Deutsche Börse in Frankfurt.
Frankfurt am Main – Die angeblichen Pläne der EU-Kommission, bei der Prüfung der Fusion zwischen Deutscher Börse und NYSE Euronext nur den börslichen Derivate-Handel unter die Lupe nehmen zu wollen, beschäftigt in Kürze den Aufsichtsrat der Deutschen Börse. «Wenn das stimmt, muss der Aufsichtsrat den Zusammenschluss neu beraten. Alles muss dann auf den Prüfstand gestellt und neu bewertet werden», hiess es aus Kreisen des Kontrollgremiums gegenüber der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX am Freitag.
Beurteilen die EU-Wettbewerbshüter tatsächlich nur den börslichen Derivatehandel in Europa, dann wäre die Monopolstellung der neuen Megabörse in diesem Geschäftsbereich mit einem Anteil von mehr als 90 Prozent eindeutig. Die beiden Börsen hatten dagegen stets argumentiert, den ausserbörslichen europäischen Derivatehandel mit zu beachten. Dann nämlich läge der Anteil, den Deutsche Börse/NYSE auf sich vereinen würden, unter 20 Prozent. Anfang November kommt der Aufsichtsrat den Kreisen zufolge nun zu seiner Sondersitzung zu diesem Thema zusammen. «Die Auswirkungen auf den geplanten Zusammenschluss durch diese Sicht der EU wären gravierend, daher müssen Alternativen beraten werden.»
Expansionsverbot oder Auflagen bei Preisgestaltung
Analyst Christian Muschick von der Investmentbank Silvia Quandt sagte ebenfalls: «Wäre die Konsequenz aus der EU-Sicht eine grössere Abspaltung, etwa von Liffe oder Eurex, dann wäre das ein No-Go für die Fusion.» Er geht allerdings davon aus, dass es soweit nicht kommen wird. «Ich rechne damit, dass in einem solchen Fall von der EU Regeln aufgestellt werden dürften, um die Marktmacht von Deutscher Börse/NYSE zu begrenzen, etwa wie es beim einstigen Monopolisten Deutschen Telekom gemacht wurde.» Dabei kann er sich etwa ein Expansionsverbot vorstellen oder Auflagen bei der Preisgestaltung. «Es stellt sich dann allerdings die Frage, wie tiefgreifend diese Auflagen sein werden.»
Marktbetreiber begeben sich auf Lösungssuche
Wie dpa-AFX am Vortag aus Kreisen erfahren hatte, hatte die EU-Kommission in ihrem Schreiben über Beschwerdepunkte (Statement of Objections) an die beiden Börsenbetreiber am 5. Oktober thematisiert, sie werde die Fusion nur unter dem Aspekt des börslichen Derivatehandels in Europa prüfen. Zudem solle das Derivate-Clearing, also die Verrechnung von Termingeschäften, auch Dritten zugänglich gemacht werden. Die Marktbetreiber müssen nun Lösungen finden, die die EU zufrieden stellen, und dabei auch ihre Versprechungen an die Aktionäre einhalten. Am 15. Februar hatten die beiden Börsen ihren Anteilseignern die Fusion unter anderem mit Aussagen zu Vorteilen schmackhaft gemacht, die der Zusammenschluss für das europäische Derivategeschäft Eurex von der Deutschen Börse und Liffe von der NYSE Euronext hätte.
Brüssel-Entscheid bis Mitte Dezember
Ende dieses Jahres wollen sich die beiden Platzhirsche unter den westlichen Börsen zur weltgrössten Börse zusammenschliessen. Bis Mitte Dezember muss die EU-Kommission als oberste Kartellbehörde in Europa ihre Untersuchung abgeschlossen haben und über die Fusion entscheiden. Ihr Urteil gilt als das wichtigste unter den insgesamt rund 40 prüfenden Regulierungs-, Aufsichts- und Wettbewerbsbehörden in Europa und den USA. (awp/mc/ps)