Carsten Kengeter, Vorstandsvorsitzender Deutsche Börse AG. (Foto: Deutsche Börse)
New York / London / Frankfurt – Die Deutsche Börse muss sich bei ihrer geplanten Übernahme der Londoner Börse auf Konkurrenz einstellen. Der US-Rivale Intercontinental Exchange (ICE) hat ebenfalls ein Auge auf die London Stock Exchange (LSE) geworfen. Für die Deutschen wäre es nicht das erste Mal, dass die Amerikaner ihnen den Fisch von der Angel wegschnappen.
Wie die ICE am Dienstag mitteilte, werde über ein Angebot für die LSE nachgedacht. Allerdings gebe es noch keine Gespräche mit den Briten. Nach dem britischen Übernahmegesetz müssen sich die Amerikaner bis Ende März entscheiden. Im Volksmund heisst die Regel am Londoner Finanzplatz «put up or shut up» (in etwa: lass Taten folgen oder halte den Mund). Am Montag hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg mit Verweis auf informierte Kreise bereits über die Pläne der ICE berichtet.
Gegenangebot bringt Deutsche Börse unter Zugzwang
Damit tritt das ein, womit Analysten seit Bekanntgabe der Übernahmepläne gerechnet haben: Die Amerikaner schauen einer Fusion der grössten europäischen Börsen nicht tatenlos zu. «Ein Gegenangebot könnte die Deutsche Börse in Zugzwang bringen, ihre eigene Offerte aufzustocken», sagte ein Börsianer. Die Deutsche Börse wollte sich am Dienstag dazu nicht äussern.
Die Aktie der Deutschen Börse gewann am Vormittag in einem freundlichen Markt gut 1 Prozent. Die Papiere der LSE zogen in Erwartung eines Bietergefechts stark an und legten um annähernd 8 Prozent auf 2884 Pence zu. Zwischenzeitlich erklommen sie sogar ein Rekordhoch bei mehr als 2900 Pence.
Beide Interessenten müssen Farbe bekennen
Die nächsten Wochen werden nun zeigen, ob sich die Amerikaner aus der Deckung wagen und der Deutschen Börse auf der Ziellinie ein Bein stellen. Die Deutschen müssen in den kommenden Wochen ihre Pläne mit einem offiziellem Angebot untermauern. Bis spätestens 22. März muss nun nach britischem Recht entweder ein bindendes Angebot gemacht oder der Deal vorerst abgeblasen werden.
Nach 2000 und 2005 ist die vor wenigen Tagen verkündete Absicht der Deutschen Börse, die LSE zu übernehmen, der dritte derartige Versuch. Aktionäre beider Konzerne sollen dabei ihre bisherigen Anteile in Papiere einer neuen Holding tauschen, an der die Deutschen dann mit 54,4 Prozent der Anteile die Mehrheit hätten. Zusammen würden die beiden Unternehmen nach Börsenwert zu den US-Schwergewichten ICE und CME aufschliessen.
Wettbewerbsbehörden als Stolperstein
Neben der Hürde eines möglichen Mitbieters sitzen der Deutschen Börse auch noch die Wettbewerbsbehörden im Nacken. Zustimmen müssten einer Fusion unter anderem die EU-Regulierer. Brüssel hatte den letzten grossen Anlauf der Frankfurter zu einer Megafusion mit der New Yorker Börse NYSE Euronext Anfang 2012 krachend scheitern lassen. Ende 2012 hatte dann die ICE zugeschlagen und die New Yorker Börse übernommen.
Es war ein weiterer Tiefschlag für die Frankfurter: Im November 2006 hatte die Deutsche Börse schon die damals noch eigenständige europäische Mehrländerbörse Euronext schlucken wollen – hier wiederum machte die NYSE den Deutschen einen Strich durch die Rechnung. (awp/mc/upd/ps)