Deutschland sammelt Geld so günstig wie nie ein
Finanzminister Wolfgang Schäuble.
Frankfurt am Main – Deutschland hat so günstig Geld eingesammelt wie noch nie. Die Anleger waren bei der jüngsten Auktion sogar bereit draufzuzahlen, um ihr Geld sicher anzulegen. Erstmals verzichteten sie auf Rendite, um den deutschen Staat kurzfristig Geld zu leihen: Bei einer Auktion von Geldmarktpapieren mit einer Laufzeit von sechs Monaten platzierte der Bund 3,9 Milliarden Euro zu einem Durchschnittszins von minus 0,01 Prozent, teilte die Deutsche Finanzagentur am Montag mit. Das bedeutet, dass der deutsche Staat für frisches Kapital unter dem Strich nichts zahlen muss, er erhält sogar eine Prämie dafür. «In der Form war es das erste Mal», sagte ein Sprecher.
Die Nachfrage sei zudem sehr robust gewesen. Das Angebot war 1,8-fach überzeichnet worden. Dass der Bund Geld mittlerweile zu kaum schlagbar günstigen Konditionen einsammeln kann, sei ein klares Bekenntnis von Investoren zum «sicheren Hafen» deutscher Staatstitel, sagten Händler. Der Rendite-Rutsch ins Negative hängt nach Darstellung der Finanzagentur mit der Umstellung der Auktionsregeln zusammen, wonach Interessenten nicht mehr die Renditen, sondern Kurse anbieten, zu denen sie kaufen würden. Im Ergebnis könne dies bei Kursen über 100 des Nennwertes des Geldmarktpapiers aufgrund des anhaltend niedrigen Zinsniveaus zu negativen Renditen führen. Es kommen nur grosse Investoren zum Zuge, die ihr Geld sicher parken wollen und eventuell bei für sie günstiger Entwicklung die Papiere am Sekundärmarkt dann doch profitabel losschlagen könnten.
Verpatzten Auktion im November
Nach einer verpatzten Anleihenauktion im November 2011 waren zwischenzeitlich Zweifel angekommen, ob die Finanzmärkte dem bisherigen Stabilitätsanker der Euro-Zone weiter vertrauen. Damals war der Bund auf rund einem Drittel seiner angebotenen Papiere sitzengeblieben: Analysten warnten, die Schuldenkrise könnte auf die letzte Stabilitäts-Bastion Kerneuropas übergreifen. Diese Befürchtungen scheinen inzwischen vom Tisch. Allerdings dokumentiert der Negativzins bei der jüngsten Bund-Auktion auch die verzweifelte Suche nach vergleichsweise unriskanten Investitionen in Zeiten erhöhter Nervosität und ist damit ein Krisenindikator.
Einlagen bei EZB auf neuem Rekordstand
Die zeigt auch die «Vorsichtskasse» der Banken bei der EZB, die noch nie so gut gefüllt war. Am Montag stieg zum zweiten Mal in Folge auf den höchsten Stand seit der Einführung des Euro im Jahr 1999 gestiegen. Die Einlagen über Nacht lagen bei 463,57 Milliarden Euro, teilte die EZB am Montag in Frankfurt mit. Erst am Freitag hatten sie den bisherigen Rekord von 455,3 Milliarden Euro erreicht.
Negativ-Zinsen auch für Schweiz und Niederlande
Nicht nur Deutschland profitiert von diesem Notstand an sicheren Anlagen. Auch die Niederlande und die Schweiz sowie zuletzt das kleine Dänemark bekamen bereits von den Finanzmärkten Geld zu negativen Zinsen nachgeworfen. Am Sekundärmarkt, wo bereits emittierte Anleihen und Geldmarktpapiere gehandelt werden, setzen Anleger ebenfalls auf deutsche Schuldverschreibungen: Die Rendite für richtungsweisende Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit liegt aktuell bei 1,875 Prozent. Zum Vergleich: Die entsprechende Rendite für Anleihen aus der zweitgrössten Volkswirtschaft im Euroraum, Frankreich, lag bei 3,31 Prozent. Für die Euro-Krisenländer Spanien und Italien betragen sie 5,51 beziehungsweise 7,03 Prozent.
Eurokurs erholt sich
Nach dem Fall auf ein neues 15-Monatstief hat sich der Eurokurs am Montag wieder erholt. Die europäische Gemeinschaftswährung kostete im frühen Nachmittagshandel 1,2762 US-Dollar. Im asiatischen Handel war er zeitweise bis auf 1,2666 Dollar gesunken. Dies war der tiefste Stand seit September 2010. (awp/mc/ps)