Frankfurt am Main – Ein weiteres Novum in der Schuldenkrise: Erstmals überhaupt verdient Deutschland bei der mittelfristigen Schuldenaufnahme Geld. Was vor der Euro-Schuldenkrise pure Normalität war – dass Anleger also Zinsen verlangen, wenn sie dem Staat Geld leihen – wird damit zusehends ad absurdum geführt. Doch das ist mittlerweile der Preis, wenn man als Investor in den «sicheren Hafen» Deutschlands einlaufen möchte.
Eine Aufstockung einer zweijährigen Schatzanweisung ergab am Mittwoch einen Effektivzins von minus 0,06 Prozent, wie die Bundesbank in Frankfurt mitteilte. Es ist das erste Mal überhaupt, dass eine herkömmliche Staatsanleihe – also Papiere mit Laufzeiten von zwei Jahren und mehr – eine negative Rendite abwirft. Zwar war es dem Bund bisher schon mehrmals gelungen, Schulden zum Negativzins aufzunehmen. Allerdings handelte es sich hierbei immer um kurzlaufende Geldmarktpapiere mit Laufzeiten von unter einem Jahr.
Bund verdient mit Schulden Geld
Das Auktionsergebnis bedeutet, dass der Bund für die Kreditaufnahme nicht nur keine Zinsen mehr zahlen muss, sondern sogar einen Überschuss erzielt. Umgekehrt legen Anleger drauf, obwohl sie dem Bund für zwei Jahre ihr Geld leihen. Dennoch blieb die Nachfrage nach den Anleihen robust. Das Auktionsergebnis spiegelt die Entwicklung an den Sekundärmärkten wider, wo umlaufende Staatsanleihen gehandelt werden. Hier ist die Rendite für zweijährige Staatsanleihen Deutschlands schon seit längerem negativ – eine Folge der Schuldenkrise, die die Anleger händeringend nach sicheren Anlagen suchen lässt.
Überschuss von mehreren hunderttausend Euro
Real – das heisst unter Berücksichtigung der Geldentwertung – zahlen die Investoren freilich noch viel mehr drauf. Bei einer Inflationsrate von aktuell 1,7 Prozent beträgt die Realrendite der Schatzanweisung minus 1,76 Prozent. Das bedeutet, dass ein Investor bei einem Anlagebetrag von beispielsweise 10.000 Euro pro Jahr 176 Euro verliert. Umgekehrt verdient der Bund: Im Fall einer veranschlagten Inflationsrate von durchschnittlich zwei Prozent ergibt sich ein Überschuss in Höhe eines hohen sechsstelligen Betrags. Diese Summe streicht der Staat für die Kreditaufnahme ein. Er verlangt also de facto eine Art Gebühr für die Vermögensaufbewahrung.
Die jüngste Versteigerung spülte dem Bund unmittelbar gut 4,17 Milliarden Euro in die Kasse. Die Differenz zum angestrebten Betrag von 5 Milliarden Euro behielt die deutsche Finanzagentur zurück, um sie wie gewöhnlich am freien Markt platzieren zu können. Hier können dann auch Kleinanleger zugreifen.
Portugal refinanziert sich zu günstigeren Bedingungen
Von solchen Zuständen kann man in den europäischen Schuldenstaaten nur träumen. Immerhin konnte sich Portugal am Mittwoch zu günstigeren Bedingungen am Geldmarkt refinanzieren. Das iberische Land habe mit Papieren mit einer Laufzeit von sechs und zwölf Monaten insgesamt 2,0 Milliarden Euro aufgenommen, teilte die Schuldenagentur IGCP am Mittwoch in Lissabon mit. In beiden Laufzeiten gingen die Renditen zurück.
Mit einem Papier mit einer Laufzeit von einem Jahr wurden 1,25 Milliarden Euro aufgenommen. Die zu zahlende Rendite fiel von zuletzt 3,834 Prozent auf 3,505 Prozent. Mit einem Geldmarktpapier mit einer Laufzeit von sechs Monate wurden 750 Millionen Euro erzielt. Die Rendite sank hier von 2,653 Prozent auf 2,292 Prozent. Portugal emittiert derzeit keine länger laufenden Staatsanleihen, da das Land sich über den Rettungsschirm (EFSF) refinanziert. Zuletzt waren die Renditen am Sekundärmarkt auch merklich zurückgekommen. Portugal führt derzeit ein umfassendes Reform- und Sparprogramm durch, dass auch von den internationalen Geldgebern gelobt wird. (awp/mc/pg)