SNB-Direktoriumspräsident Thomas Jordan. (© SNB)
Zürich / Frankfurt – Die Schutzmauer gegen eine zu starke Franken-Aufwertung steht vor der grössten Belastungsprobe seit zwei Jahren. Die Schwelle von 1,20 Franken pro Euro, welche die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit allen Mitteln verteidigen will, ist fast erreicht.
Die Wirtschaftsflaute in der Eurozone und die Lockerung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank (EZB) haben den Wert des Frankens zum Euro so stark angehoben.
Auch die Ende November anstehende Abstimmung über die Gold-Initiative, welche die Währungshüter zu massiven Goldkäufen zwingen würde, bringt die Euro-Untergrenze ins Wanken. Einige Analysten bezweifeln, dass die SNB im Falle einer Annahme der Initiative ihre Euro-Stützungskäufe noch aufrechterhalten könnte.
Am Freitag wurde der Euro bei 1,2011 Franken gehandelt. Damit stand der Franken auf dem höchsten Stand seit 26 Monaten. Marktteilnehmer spekulieren, dass die Notenbank nun bald einschreiten könnte, um den Franken zu schwächen.
Unbegrenzt Euro kaufen
Seit 2011 ist die SNB bereit, unbegrenzt Euro aufzukaufen, sobald der Euro unter 1,20 CHF zu sinken droht. «Der Mindestkurs ist zurzeit zentral, um unseren Auftrag der Preisstabilität zu erfüllen», sagte Nationalbankpräsident Thomas Jordan in der aktuellen Ausgabe der «Sonntagszeitung».
Die Währungshüter hatten den Mindestkurs im Zuge der Schuldenkrise eingeführt, um die heimische Exportwirtschaft zu entlasten. Die Furcht vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone hatte damals zu massiven Zuflüssen in den «sicheren Hafen» Franken geführt.
Die Notenbank reagierte mit dem Kauf von Devisen in zuvor unerreichtem Ausmass. Im Zuge der Interventionen kletterten die Devisenreserven um mehrere hundert Milliarden auf rund 460 Mrd CHF. Dies entspricht rund 70% der Schweizer Wirtschaftsleistung in einem Jahr.
Bessere Ausgangslage
Wird die SNB erneut zu Interventionen gezwungen, dürfte Ökonomen zufolge diesmal aber ein weniger grosser Einsatz erforderlich sein. Die geringeren Kapitalflüsse, das begrenzte Inflationsrisiko und der Erfolgsausweis bei der letzten Intervention bringen die Notenbank in eine bessere Ausgangslage.
Der Markt gehe davon aus, dass die Interventionen den Spekulanten das Genick brechen könnten, erklärt der Ökonom Rudolf Strahm. «Marktteilnehmer haben einmal versucht, den Franken zu attackieren. Sie haben sich aber eine blutige Nase geholt und hohe Beträge verloren. Seitdem hat das niemand mehr gewagt.»
Die Politik der SNB geniesst die Unterstützung der hiesigen Exportindustrie und ein stillschweigendes Einverständnis anderer Notenbanken. Die Risiken solch enormer Devisenkäufe sind Ökonomen zufolge begrenzt. Er sehe für die kommenden ein oder zwei Jahre keinen Inflationsdruck, so dass es keine wirkliche Grenze für die Ausweitung der Bilanz gebe, erklärte Credit-Suisse-Analyst Maxime Botteron. «Aus unserer Sicht bietet die Wechselkurs-Untergrenze mehr Vorteile als Kosten.»
Zwanzig Prozent in Gold
Dies könnte sich ändern, wenn sich die Schweizer Bevölkerung am 30. November dafür ausspricht, dass die SNB künftig mindestens 20 Prozent ihrer Reserven in Gold halten muss. Goldverkäufe wären ihr nicht mehr erlaubt. Aktuell liegt die Quote des Edelmetalls bei 7%, etwa 41% ihrer Devisenreserven hat die SNB in Euro angelegt.
Kommt es zu einem «Ja», müsste die SNB neben Euro demnächst auch noch Gold im grossem Stil kaufen, wenn sie den Mindestkurs aufrechterhalten will, prognostiziert Eugen Keller, Analyst bei der deutschen Metzler Bank.
Die Spitze der Notenbank, die sich normalerweise aus der Politik und Abstimmungskämpfen heraushält, versucht daher, in einem Interview-Marathon die Bevölkerung von einem «Nein» zu überzeugen. (awp/mc/ps)