Von Martin Neff, Chefökonom Raiffeisen. (Foto: Raiffeisen)
St. Gallen – Die weltweiten Nachrichtensender waren fast ausser Rand und Band, als sie vom einzigartigen Quartalsergebnis von Apple erfuhren. Noch nie in der Geschichte hat ein Unternehmen in einem Quartal einen so unverschämt hohen Profit erwirtschaftet. Die Fakten muten astronomisch an. 18 Milliarden USD Gewinn erwirtschaftete Apple in drei Monaten bei einem Umsatz von fast 75 Milliarden und einer nochmaligen Steigerung der Bruttomarge auf astronomische 40%.
Kein Wunder, dass das Ergebnis auch hier in den Medien gehörige Beachtung fand. Besonders spannend war, wie sich die Radiosender direkt nach Bekanntgabe des Quartalsergebnisses gegenseitig darin übertrumpften wollten, diesem die nötige Volksnähe zu verleihen. «Apple verkauft 34’000 iPhones in der Stunde oder gut 800’000 Stück am Tag», das kann sich jeder doch gleich viel leichter vorstellen, in was für Dimensionen wir uns bewegen. In Amerika, wo Geld bekanntlich die Welt regiert, war natürlich der Profit im Fokus einfacher Rechenübungen. Dort hiess es, Apple mache pro Sekunde 2’300 Dollar Gewinn, am Tag seien dies gut 200 Millionen. Das klingt nach Superlativ und entzückte die Moderatorin am Bloomberg TV sichtlich.
Die Berechnungen stimmen, es ist ja auch keine Zauberei, Stückzahlen oder den Quartalsgewinn auf Tage, Minuten oder Sekunden umzurechnen. Die Ergebnisse erzeugen aber auch beim Finanzlaien das erhoffte Erstaunen, steigern die Einschaltquoten und sorgen überall in der Welt für Gesprächsstoff. Ich kann mich nicht erinnern, dass solch eine Profitmaschinerie in den Medien derart euphorisch gefeiert wurde. Es gab kaum kritische Stimmen, dafür ist das Ergebnis schlichtweg zu glanzvoll, einfach tadellos. Zum Glück kam niemand auf die Idee, unser Bruttoinlandprodukt mit dem Börsenwert von Apple zu vergleichen. Dann hätte es vielleicht frei übersetzt geheissen, Apple sei mehr wert als die Schweiz.
Konkurrenzlos
Weniger emotionsgeladene Berichte konzentrierten sich auf den Sachverhalt und würdigten das Ergebnis positiv. Skeptische Fragen muss sich Apple vor lauter Hype um iPhone und Co. nicht gefallen lassen. Denn die Kunden von Apple erwerben kein exotisches Luxusgut oder ein lebensnotwendiges Medikament, sondern ein Massenprodukt, das beim Käufer, egal ob der reich oder arm, politisch konservativ, weit rechtsstehend oder grün ist, Kultstatus geniesst. Das ist zweifellos ein beachtenswerter unternehmerischer Erfolg, aber verdient Apple dafür nicht doch etwas zu viel? Eine Bruttomarge von 40% ist jedenfalls höchst selten und noch seltener von langer Dauer, denn es besteht ein ökonomischer Anreiz für neue Anbieter, einen Teil davon abzuschöpfen. Apple scheint hingegen konkurrenzlos. Neueintritte sind im zwar lukrativen, aber doch sehr reifen Markt ein finanzielles Abenteuer mit hohen Eintrittsbarrieren. Zwar setzt Samsung etwa gleich viel Smartphones ab, ist aber nicht annähernd so profitabel. Der Kultstatus macht den Unterschied – die Zahlungsbereitschaft des Samsung-Fan-Clubs ist deutlich niedriger.
…aber nicht makellos
Dass iPhone und Smartphones heute aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind, ist jedem klar. Aber seien wir ehrlich: würden wir unseren ständigen Wegbegleiter manchmal nicht am liebsten ausschalten? Wie viel Zeit verbringen wir an unseren Mobilgeräten damit, Dinge zu tun, die keine Wertschöpfung im ökonomischen Kontext generieren, von familiärer oder sozialer Wertschöpfung ganz zu schweigen. Und wie viele, vornehmlich aber längst nicht mehr ausschliesslich, junge Leute hat das Handy heute rund um die Uhr im Griff? Geht es nicht oft so weit, dass bei pubertären Sprösslingen Entzugserscheinungen auftreten, wenn «das Ding» nicht griffbereit ist? Und wehe, der Akku hat keine Ladung mehr. Könnte es sein, dass auch diese Phänomene einen Teil der hohen Profitabilität ausmachen?
Kult kann nicht schlecht sein
Wahrscheinlich schon, denn über den Kultstatus hinaus vermitteln iPhone und Co. ein Lebensgefühl, alles im Griff zu haben, jederzeit für wen oder was auch immer abrufbereit zu sein, die gähnenden Langeweile «sinnvoll» überbrücken zu können und effizient organisiert zu sein. Das birgt eine gehörige Portion Suchtpotenzial. Und ob die Produktivität auf die gesamte Volkswirtschaft hochgerechnet dank Smartphones etc. steigt, würde ich bezweifeln. Immer mehr Teile unseres Gehirns werden in elektronische Geräte outgesourct. Die frei werdende Kapazität nutzen wir für «intelligente Dienste» wie Whatsapp, Games oder wir machen Selfies. Vor allem werden wir zu Meistern des Multitasking. Schnell eine Mail, rasch noch eine SMS, ein Blick auf das Wetter, das alles wie selbstverständlich auch während der Arbeit.
Würde man solch negative externe Effekte den Verursachern verrechnen, dann würden Margen à la Apple rasch der Vergangenheit angehören. Früher oder später muss man sich über deren Internalisierung Gedanken machen. Apple stand bekanntlich im Verdacht, Steuern mit Tricks, wie das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» schreibt, zu optimieren, namentlich offshore via Irland. Man kann das als Optimierung interpretieren, aber auch dahingehend, dass Apple sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht bewusst zu sein scheint. Dabei ist es nur eine Frage der Zeit, bis Apple und Co. uns vollends im Griff haben. Dafür geniesst diese Branche unerhörte Freiheitsgrade. Dank Kultstatus, weil sie schlecht regulierbar ist und wenig transparent, gerade was die interne Forschung betrifft, ähnlich wie die Pharmaindustrie. Doch letztere ist hoch reguliert und vor allem haftet sie für Nebenwirkungen. (Raiffeisen/mc/ps)