Angeblich Alibi für Strauss-Kahn aufgetaucht
Strauss-Kahn auf dem Rücksitz eines Polizeifahrzeugs am Montag in New York.
New York – In der Affäre um einen angeblichen Vergewaltigungsversuch sind Berichte über ein Alibi von IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn aufgetaucht. Nach unbestätigten Meldungen französischer Medien war der 62-Jährige zur mutmasslichen Tatzeit gar nicht in dem Hotel, wo er angeblich ein Zimmermädchen zum Oralsex zwingen wollte. Eine DNA-Analyse sollte mehr Klarheit bringen.
Bernhard Bauhofer, Reputations-Spezialist im Bloomberg TV zu den Auswirkungen der Strauss-Kahn Affäre.
Dem IWF-Chef werden versuchte Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und Nötigung vorgeworfen. Strauss-Kahn bestreitet die Vorwürfe. Der Franzose sollte noch am Montag (ca. 16.30 Uhr deutscher Zeit) in New York einem Richter vorgeführt werden, der über eine Freilassung auf Kaution entscheiden könnte. Die «New York Times» spekulierte über eine Kaution in Höhe von mehreren Millionen Dollar.
Widersprüchliche Angaben zum Tatverlauf
Bei den Brüsseler Verhandlungen der Euro-Finanzminister zum Rettungspaket für Portugal musste sich Strauss-Kahn, der in Frankreich als möglicher Nachfolger von Präsident Nicolas Sarkozy gehandelt wurde, vertreten lassen. Nach der angeblichen Tat war Strauss-Kahn am Samstag kurz vor dem Abflug aus New York im Flugzeug festgenommen worden. Auch die deutsche Bundesregierung warnte vor einer Vorverurteilung. Informationen französischer Medien widersprechen der Darstellung der New Yorker Polizei vom Tatablauf. Laut der Zeitung «Le Monde» war Strauss-Kahn in New York, um seine Tochter zu treffen. Er habe seine Hotelrechnung um 12.28 Uhr bezahlt und sich anschliessend mit ihr zum Essen getroffen. Die Polizei hatte nach CNN-Angaben dagegen erklärt, das Zimmermädchen habe die Suite Strauss-Kahns gegen 13.00 Uhr Ortszeit betreten, ohne zu wissen, dass sich dort jemand aufhalte. Anschliessend habe der IWF-Chef die Frau dort attackiert.
DSK mit Tochter zum Flughafen gefahren
Nach Informationen des französischen Radiosenders RMC wollen Strauss-Kahns Anwälte demnächst Beweise für das Essen mit seiner Tochter vorlegen. Sie wollten ausserdem argumentieren, dass das Zimmermädchen möglicherweise ein finanzielles Interesse gehabt habe, den IWF-Chef der versuchten Vergewaltigung zu beschuldigen. Eine Bestätigung der Anwälte für die Berichte gab es zunächst nicht. Laut «Le Monde» fuhr Strauss-Kahn nach dem Essen mit seiner Tochter direkt zum Flughafen. Um 15.40 Uhr habe er für den Flug nach Paris eingecheckt, der eine Stunde später starten sollte. Das Ticket habe er lange im Voraus gebucht.
Einwilligung zu rechtsmedizinischer Untersuchung
Der rechtsmedizinischen Untersuchung stimmte Strauss-Kahn nach Angaben seiner Anwälte freiwillig zu. Es soll unter anderem geprüft werden, ob sein Körper Kratzspuren aufweist oder ob er DNA-Spuren des mutmasslichen Opfers an sich trägt, etwa unter den Fingernägeln. Die junge Frau hatte den Franzosen nach einem Bericht der «New York Daily News» bei einer Gegenüberstellung erkannt. Zu dem Zimmermädchen wurden neue Details bekannt. Die 32-Jährige afrikanischer Herkunft lebt nach einem Bericht der «New York Times» in der Bronx und hat eine Tochter im Teenager-Alter.
Bedienstete seit 3 Jahren im Hotel beschäftigt
Nach Informationen des «Figaro» arbeitete die Frau seit drei Jahren für das Hotel. Die Polizei hatte nach Angaben von US-Medien die Vorgänge in dem Hotelzimmer so geschildert: Das Zimmermädchen habe am Samstag die für 3000 Dollar pro Nacht vermietete Luxussuite betreten – ohne zu wissen, dass sich dort jemand aufhielt. Sie habe zuvor an die Zimmertür geklopft und sei erst eingetreten, nachdem sie keine Antwort erhalten habe. Die Tür sei offen geblieben, wie es den Regeln des Hauses entspreche, berichtete die «New York Times» weiter.
Strauss-Kahn aus der abflugbereiten Maschine geholt
Als die Frau das Zimmer betrat, sei Strauss-Kahn nackt aus dem Badezimmer gekommen, auf sie zugerannt und habe sie ins Schlafzimmer gezerrt. Es sei ihr zunächst gelungen, ihn abzuwehren und wegzulaufen. Doch im Badezimmer habe Strauss-Kahn die Frau wieder erwischt und versucht, ihr den Slip herunterzureissen. Kollegen der Frau alarmierten die Polizei. Strauss-Kahn sass kurz danach bereits in einer Air-France-Maschine, die Richtung Europa abheben sollte. Er hatte aber noch im Hotel angerufen, weil er dort ein Mobiltelefon vergessen hatte. Erst durch diesen Anruf habe die Polizei erfahren, wo er sich aufhalte. Beamte in Zivil holten den IWF-Chef wenige Minuten vor dem Abflug aus der Maschine.
IWF-Vize Nemat Shafik vertritt Strauss-Kahn in Brüssel
Strauss-Kahn sollte am Montag eigentlich zur Tagung der EU-Finanzminister in Brüssel fliegen, bei der es unter anderem um das 78-Milliarden-Euro-Rettungspaket für Portugal geht. An seiner Stelle sollte IWF-Vize-Generaldirektorin Nemat Shafik, die erst seit etwa einem Monat im Amt ist, an dem Treffen teilnehmen. Beim Internationalen Währungsfonds übernahm IWF-Vize John Lipsky die Amtsgeschäfte. Die Sonderorganisation der Vereinten Nationen greift ein, wenn Staaten Finanzschwierigkeiten haben oder ihnen der Bankrott droht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich bei einem möglichen Wechsel an der IWF-Spitze für einen europäischen Kandidaten aus. Nach Ansicht des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel müsste ein Nachfolger dagegen nicht unbedingt aus Europa kommen.
Bestürzung bei Frankreichs Sozialisten
Am späten Sonntagabend (Ortszeit) verliess Strauss-Kahn die Polizeistation in Harlem, die Hände auf dem Rücken mit Handschellen gefesselt. Zwei Beamte fassten ihn rechts und links unter den Armen. Er wirkte erschöpft und sagte kein Wort zu den zahlreichen Journalisten. In Frankreich haben die Bilder des IWF-Chefs in Handschellen Bestürzung bei seinen Anhängern ausgelöst. «Ich hatte Tränen in den Augen», sagte der sozialistische Abgeordnete Manuel Valls dem Sender RTL. Die französischen Sozialisten wollen dennoch an den parteiinternen Vorwahlen festhalten. Es gebe zahlreiche Politiker, die bei der Präsidentschaftswahl 2012 antreten könnten, sagte Parteisprecher Harlem Désir. Strauss-Kahn hatte sich bislang nicht offiziell zu seinen Plänen geäussert. Um zu kandidieren, hätte er seinen Posten vor Ablauf seines Mandats verlassen müssen.
Alte Affäre kocht hoch
In Frankreich kochte eine alte Affäre um IWF-Chef hoch: Eine Journalistin will den 62-Jährigen wegen eines sexuellen Übergriffs vor neun Jahren verklagen. Das teilte der Anwalt der 31-Jährigen der Nachrichtenagentur AFP am Montag mit. Die junge Frau ist nach französischen Medienberichten Patenkind von Strauss-Kahns zweiter Ehefrau und eine gute Freundin von Strauss-Kahns Tochter Camille. (awp/mc/upd/ps)
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