abrdn: Drei Wege zur Erschliessung von Dividendenerträgen in Schwellenländern
Nicht jedes Dividenden zahlende Unternehmen ist gleich. Die Herausforderung für Income-Investoren besteht darin, ein Unternehmen zu finden, das nicht nur eine attraktive Ausschüttung für seine Aktionäre bietet, sondern dies auch langfristig tun kann.
von Matt Williams, Senior Investment Director, abrdn
Aktien aus Schwellenländern weisen zunehmend diese Merkmale auf. In diesem Artikel gehen wir auf drei wichtige Entwicklungen ein, die helfen können, zukünftige Chancen zu erkennen.
Viele Dividendenzahler stehen zur Auswahl, aber welche sind auf lange Sicht interessant?
Es wird immer deutlicher, dass die Schwellenländer (EM) ein fruchtbares Jagdrevier für Erträge und Kapitalwachstum sind. Wie Abbildung 1 unten zeigt, ist der Anteil der Schwellenländerunternehmen, die eine Dividende zahlen, in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich gestiegen. Mittlerweile tun dies rund 90% (und mehr als ein Drittel dieser Unternehmen erzielt eine Rendite von über 3%).
Um diese Einschätzungen zu treffen, bedarf es einer detaillierten Fundamentalanalyse. Zudem berücksichtigen wir auch externe Einflüsse. Wie gut ein Unternehmen auch geführt sein mag, es muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, um zu florieren. Wir haben drei wesentliche sektor- und regionenübergreifende mikroökonomische Entwicklungen identifiziert, anhand derer wir die Unternehmen ausfindig machen, die unserer Meinung nach am ehesten in der Lage sind, langfristige Erträge für die Aktionäre zu erwirtschaften.
1) Technologie als Plattform
Technologie hat dazu beigetragen, dass sich die Schwellenländer von einer Gruppe von Volkswirtschaften, die von Rohstoffen dominiert wurden, zu einer viel stärker diversifizierten Gruppe entwickelt haben. Viele Unternehmen in den Schwellenländern haben sich Innovationssprünge zu eigen gemacht, indem sie fortschrittlichere Technologien, wie z. B. den digitalen Zahlungsverkehr, eingeführt haben und so den konventionellen, klassischen Wachstumspfad umgangen haben. Dies hat es ihnen ermöglicht, ihre Konkurrenten in den entwickelten Ländern einzuholen oder sogar zu überholen.
Wir sind in ein neues digitales Zeitalter eingetreten, das von künstlicher Intelligenz (KI) angetrieben wird und sich auf alles auswirkt, von der Art, wie wir reisen, bis hin zu der Art, wie wir unser Geld ausgeben. Was das Wachstum im digitalen Zeitalter zu einem so starken Investitionstrend macht, ist die Tatsache, dass viele Schlüsseltechnologien zur gleichen Zeit zusammenkommen. So wie ein Eisenbahnnetz grosse Investitionen in seine Gleise erfordert, um Züge von A nach B zu bringen, so benötigt die neue digitale Wirtschaft technologische Hardware, um ihre Anforderungen zu erfüllen.
So wird beispielsweise erwartet, dass generative KI-Modelle wie ChatGPT (oder auch der ERNIE Bot des chinesischen Technologieriesen Baidu) 4,4 Billionen US-Dollar zur Weltwirtschaft beitragen werden. Diese umwälzende Innovation erfordert jedoch enorme Mengen an Rechenleistung. Der Supercomputer, der hinter ChatGPT steht, verfügt über mehr als 285’000 Prozessorkerne und 10’000 Grafikkarten.
Intelligente Technologien im Verkehr bringen auch einen enormen Bedarf an zusätzlichen Sensoren und Komponenten mit sich (siehe Abbildungen 2 und 3). Elektrofahrzeuge benötigen mehr und ausgefeiltere Chips als die herkömmlichen Autos mit Verbrennungsmotor. Autonome Fahrzeuge benötigen sogar noch mehr. Wesentliche Funktionen wie die Beurteilung der Strassenlage und das Treffen von Sicherheitsentscheidungen in Sekundenbruchteilen erfordern umfangreiche Technologien, darunter GPS, Radar und LIDAR (optische Abstands- und Geschwindigkeitsmessung).
Technologie-Hardware bildet die Bausteine für die neue digitale Wirtschaft. Ein grosser Teil davon wird aus Schwellenländern bezogen. Die weltweit grösste Halbleiter-Produzent ist das taiwanesische Unternehmen TSMC. Sie liefert Hochleistungs-Chips an grosse globale Marken, darunter Apple, NVIDIA und Intel. In den asiatischen Schwellenländern sind auch Global Player ansässig, darunter der Speicherchip-Hersteller Samsung Electronics, Mediatek, ein taiwanesisches herstellerunabhängiges Halbleiter-Unternehmen, und der Spezialist für die Prüfung von Telekommunikationsgeräten Sporton International.
FALLSTUDIE – KASPI
Die Super-App des Fintech-Unternehmens Kaspi verändert die Art und Weise, wie die Menschen in seinem Heimatland Kasachstan einkaufen und ihre Finanzen verwalten. Sein Online-Zahlungsverkehr, sein Marktplatz und sein Fintech-Ökosystem entwickeln sich ständig weiter und erobern neue Bereiche, zuletzt Reisedienstleistungen und Lebensmitteleinkauf. Aufgrund seines hohen Marktanteils und der hohen Nutzeraktivität verfügt Kaspi über eine starke Preissetzungsmacht. Das Unternehmen baut seine Dienstleistungen laufend aus und fügt weitere Premiumfunktionen hinzu. Wir glauben, dass sich dies positiv auf die Erträge auswirken wird und das Unternehmen mittelfristig eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 30 % erreichen kann. Lesen Sie die ganze Fallstudie hier
2) Grüner Übergang
Das auf dem UN-Klimagipfel COP28 unterzeichnete Abkommen wurde als «Anfang vom Ende» der Ära der fossilen Brennstoffe bezeichnet. Zwar sind sich Staaten, Unternehmen und Aktivisten uneins über das Tempo der Veränderungen, die zur Senkung der schädlichen CO2-Emissionen erforderlich sind, doch die Richtung weist in Richtung grünerer, kohlenstoffärmerer Energiequellen. Andere Faktoren – nicht zuletzt der Einmarsch Russlands in der Ukraine – haben die politischen Entscheidungsträger gezwungen, ihre Abhängigkeit von einer Handvoll Exporteuren bei der Deckung ihres Energiebedarfs zu überdenken.
In den Schwellenländern sind erneuerbare Energien bereits in grossem Umfang vorhanden und entwickelt. Diese Märkte stehen auch bei der Beschleunigung der Energiewende im Mittelpunkt. Zu den Entwicklungen gehören der Ausbau der nationalen Stromnetze in Indien, die Erforschung neuer Technologien wie Kohlenstoffabscheidung und -speicherung oder die Einführung neuer Brennstoffquellen wie Wasserstoff. Ein Paradebeispiel ist die Elektrobatterietechnik, die für viele Aspekte der Energiewende von entscheidender Bedeutung ist. Es wird erwartet, dass die weltweite Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien jährlich um etwa 27% steigt und bis 2030 rund 4700 GWh erreicht. Dies ist ein Ansporn für Unternehmen wie den führenden Batteriehersteller LG Chem aus Südkorea.
Viele der für umweltfreundlichere Technologien benötigten Materialien wie Kupfer und Platin werden in den Schwellenländern, insbesondere in Lateinamerika, abgebaut. Wie Abbildung 4 zeigt, wird die Nachfrage nach Kupfer, das unter anderem in der Photovoltaik, der Windenergie und der Netzbatteriespeicherung verwendet wird, von rund 25.000 Kilotonnen (kt) im Jahr 2022 auf fast 40.000 kt im Jahr 2050 steigen. Die steigende Nachfrage nach diesen Mineralien wird Bergbauunternehmen wie dem Kupferproduzenten Grupo Mexico, dem Platinproduzenten Anglo American Platinum und dem Lithiumförderer Sociedad Quimica y Minera de Chile helfen.
Bislang bleibt das Investitionsniveau deutlich hinter dem zurück, was erforderlich ist, um ehrgeizige Netto-Null-Emissionsziele zu erreichen. Jüngsten Schätzungen zufolge beläuft sich die kumulative Investitionslücke, um den globalen Temperaturanstieg bis 2050 unter 1,5 °C (über dem vorindustriellen Niveau) zu halten, auf 150 Billionen US-Dollar. Vor diesem Hintergrund erwarten wir in den nächsten Jahren eine weitere Beschleunigung der Projekte, die den Unternehmen der Schwellenländer eine Plattform zum Aufblühen bieten wird.
FALLSTUDIE – HD KOREA SHIPPING AND OFFSHORE ENGINEERING
Die Schifffahrt ist für 2 % der weltweiten Emissionen verantwortlich, wobei in der Vergangenheit mehr als 99 % des gesamten Energiebedarfs der Branche aus Öl stammte [9]. HD Korea Shipping and Offshore Engineering (KSOE) nimmt jedoch eine Vorreiterrolle bei der Umstellung der Branche auf umweltfreundliche Technologien ein. Als eines der grössten Schiffbauunternehmen Südkoreas hat KSOE seinen Grössenvorteil genutzt, um sicherzustellen, dass sich seine Bilanz in Bezug auf den Cashflow trotz des Drucks auf die Gewinnspannen in der gesamten Branche in einer recht gesunden Position befindet. Während des lang anhaltenden Abschwungs in der Branche investierte das Unternehmen stark in die Forschung und Entwicklung neuer, emissionsärmerer Schiffe. Mit der Einführung eines mit Ammoniak betriebenen Schiffes, das die CO2-Emissionen um bis zu 95 % senkt, haben diese Investitionen bereits erste Erfolge gezeigt. Lesen Sie die ganze Fallstudie hier
3) Eine neue Generation von Verbrauchern
Die Kaufkraft in den Schwellenländern steigt dramatisch an. In Ländern wie Indien und Indonesien hat die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter stark zugenommen. Zusammen mit weniger Menschen, die für ihre Angehörigen sorgen müssen, ist dies ein Rezept für ein potenziell höheres Wirtschaftswachstum.
Auch wenn die genaue Definition der «Mittelschicht» variieren kann, ist das mittlere Einkommen in vielen Schwellenländern in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Einer Zählung zufolge werden im Jahr 2024 113 Millionen Menschen zur globalen Konsumentenschicht gehören, von denen 57% in China und Indien leben.
Dieses Szenario des Konsumwachstums ist günstig für Dividenden zahlende Unternehmen. Es erstreckt sich über mehrere Branchen, darunter Lebensmittel und Getränke, Sportbekleidung, Elektrogeräte, Kraftfahrzeuge, Flughäfen und Finanzprodukte wie Versicherungen oder Banken.
Für uns ist einer der wichtigsten Aspekte, dass die Verbraucher einheimischen Marken den Vorzug vor globalen Namen geben. Dies kommt einigen führenden EM-Unternehmen zugute, die in ihren jeweiligen Branchen bereits einen erheblichen Marktanteil erreicht haben.
In China beispielsweise gibt es trotz der seit langem bestehenden Nachfrage nach importierten Premium-Spirituosen wie Whisky immer noch einen starken Markt für Baijiu, eine chinesische Spirituose, die durch Gärung von gekochter Sorghum hergestellt wird. Dies hat einigen der führenden Getränkeherstellern des Landes, wie dem Premium-Spirituosenhersteller Wuliangye Yibin, Auftrieb gegeben. Unterdessen hat die Midea Group, der weltgrösste Hersteller von Haushaltsgeräten, ihr Angebot an Eigenmarkenprodukten erweitert und dominiert nun die Märkte für Waschmaschinen, Klimaanlagen und Küchengeräte.
FALLSTUDIE – BAJAJ HOLDINGS
Bajaj Holdings hat zwei Tochtergesellschaften, einen Hersteller von Motorrollern und Dreirädern (Bajaj Auto) und eine Gesellschaft für Verbraucherfinanzierung (FinServe). Die Aussichten des Unternehmens sind daher eng mit denen der aufstrebenden indischen Mittelschicht verknüpft und profitieren direkt von den steigenden Haushaltseinkommen. Bajaj Auto hat in die Langlebigkeit seiner Produkte investiert, was bedeutet, dass ihr Werterhalt tendenziell besser ist als der der Konkurrenz. Dank des Angebots an Elektrofahrzeugen hat das Unternehmen ausserdem die Möglichkeit, seinen Marktanteil im In- und Ausland weiter auszubauen. FinServe, das über einen soliden Kundenstamm verfügt, spielt eine führende Rolle bei der Digitalisierung mit neuen Produkten wie einer App für Privatkredite. Die Digitalisierung ist besonders wichtig in einem Land wie Indien, wo ein Grossteil der Bevölkerung, insbesondere in ländlichen Gebieten, bisher keinen Zugang zu formellen Krediten hatte. Das Unternehmen bietet nun Darlehen und Dienstleistungen für weite Teile des Landes an, die bisher als «unbanked» galten. Lesen Sie die ganze Fallstudie hier
Die Bedeutung des Cashflows
Zusammengenommen bilden diese drei mikroökonomischen Themen, die sich häufig überschneiden, den Hintergrund für gut geführte Unternehmen mit einem etablierten und loyalen Kundenstamm, die ihr Geschäft aufrechterhalten und ausbauen können. Zusammen mit unserer «Follow-the-Cash-Flow»-Analyse, die sich auf Unternehmen mit soliden Bilanzen und attraktiven Fundamentaldaten konzentriert, helfen uns diese Themen, Chancen in Cash-generativen Unternehmen, die in der Lage sind, nachhaltige und wachsende Dividenden an die Aktionäre auszuschütten, zu erkennen.
Wir suchen nach Unternehmen, die ihr Kapital effektiv nutzen, um einen profitablen andauernden Ertragfluss zu erzeugen. Das bedeutet, dass sie interne Mittel investieren können, um sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten zu sichern, während ihnen gleichzeitig genügend Barmittel verbleiben, um attraktive Ausschüttungen an die Aktionäre vorzunehmen. Aussrdem suchen wir nach Unternehmen, bei denen wir ein Potenzial für künftige Erträge sehen. Unser ausgewogener Zwei-Säulen-Ansatz (bei dem wir 50% in dividendenstarke und 50% in wachstumsstarke Unternehmen investieren) zielt darauf ab, die enormen Ertrags- und Wachstumschancen in den Schwellenländern zu nutzen.
Die Kombination aus hohen Erträgen und ausreichenden Kapitaleinlagen dürfte zu attraktiven, wachsenden Dividendenrenditen für die Aktionäre führen, da diese Unternehmen im Laufe der Zeit weiter expandieren. (abrdn/mc)