Druck auf Schuldensünder Griechenland lässt nicht nach
Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Euro-Finanzminister.
Berlin – Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auch Luxemburgs Premierminister und Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, Griechenland ins Gebet genommen. «Es kommt uns jetzt darauf an, dass die griechische Regierung absolut ernst macht mit dem Haushaltskonsolidierungsprogramm», sagte Juncker der «Stuttgarter Zeitung» (Freitag).
«Die gesetzte Marke beim Defizit muss effektiv erreicht werden. Und dies setzt zusätzliche Sparmassnahmen voraus.» Juncker sprach sich erneut gegen eine umfassende Umschuldung Griechenlands aus. Eine Laufzeitverlängerung von Krediten als sogenannte sanfte Umschuldung betrachtet Juncker als «Teil eines Gesamtprogramms». «Niemand in Griechenland sollte sich der Hoffnung hingeben, auf zusätzliche Anstrengungen und erhebliche Privatisierungserlöse könne verzichtet werden.»
Klamme Länder sollen Wettbewerbsfähigkeit steigern
Ähnlich wie Merkel mit ihrer Aufforderung an die Bürger der EU-Schuldensünderländer Spanien, Portugal und Griechenland, länger zu arbeiten, legte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe diesen Staaten Sozialreformen zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit nahe. «Arbeitnehmer in Deutschland haben über Jahre Lohnzurückhaltung geübt und so die Wettbewerbsfähigkeit hierzulande gestärkt. Gerade von schwächeren Ländern erwarten wir diesen Einsatz auch, damit sie wieder auf die Beine kommen», sagte Gröhe der «Rheinischen Post» (Donnerstag).
Bundesregierung zeigt «Orientierungslosigkeit»
SPD-Bundestagsfraktionsvize Joachim Poss warf der Bundesregierung vor, sie stolpere «mit erschreckender Orientierungslosigkeit» durch die Griechenlandkrise. «Ausser dem Schüren von Ressentiments» sei von der Bundeskanzlerin in der Sache nichts zu hören. Die Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, hält es zwar wie Merkel für richtig, über eine Angleichung der sozialen Verhältnisse in Europa zu sprechen. «Aber dann muss sich Deutschland auch für die Forderungen anderer Länder öffnen, gesetzliche Mindestlöhne einzuführen», sagte sie im NDR. Die Kanzlerin setze mit ihren Äusserungen den Zusammenhalt und die Solidarität in der EU aufs Spiel.
«Sie betreiben Populismus, Frau Merkel»
Die neue Tonlage der Bundeskanzlerin stiess in Griechenland auf ein kritisches Medienecho. «Sie betreiben Populismus, Frau Merkel», hiess es in der linksliberalen Athener Zeitung «Eleftherotypia». «Tragisch» sei, dass in diesem für Europa kritischen Moment Merkel an der Spitze des stärksten EU-Landes stehe. Die Athener Zeitung «Ta Nea» wies ihre Leser darauf hin, dass die Griechen weniger Urlaub im Jahr bekommen als die Arbeitnehmer in Deutschland und stufenweise in den kommenden Jahren auch fast so lange bis zur Rente arbeiten müssen wie ihre deutschen Kollegen.
PVV fordert Einstellung der Hilfen
Hollands einflussreiche populistische Partei für die Freiheit (PVV) forderte die Einstellung der finanziellen Hilfen für Griechenland. Es sei unverantwortlich, Athen weitere Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, erklärte PVV-Chef Geert Wilders im Parlament. «Davon sehen wir keinen einzigen Cent wieder», mahnte er. Wilders hatte zuvor schon mit der Forderung, Griechenland solle aus dem Euro aussteigen und zur Drachme zurückkehren, für heftige Debatten gesorgt.
Ökonomen fordern Kauf griechischer Anleihen durch Rettungsfonds
Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank und der Direktor des Brüsseler «Centre for European Policy Studies» fordern den Kauf griechischer Staatsanleihen durch den Rettungsfonds EFSF. Eine blosse Verlängerung der Laufzeiten griechischer Anleihen würde dem Land nicht genügend finanzielle Erleichterung bringen, schreiben die Ökonomen Thomas Mayer und Daniel Gros in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt (Freitag). Nur wenige Anleihenbesitzer würden ein solches Angebot freiwillig annehmen, argumentieren sie. Nicht zuletzt aus Deutschland kamen unlängst Vorschläge zu einer «weichen Umschuldung» über eine Laufzeitverlängerung.
EFSF soll Anleihen mit Kursabschlag von 45% kaufen
Stattdessen schlagen die Ökonomen vor, der Europäische Rettungsschirm EFSF solle griechische Staatsanleihen aufkaufen, allerdings mit einem Kursabschlag von rund 45 Prozent. Dafür solle er den Besitzern griechischer Staatstitel EFSF-Anleihen anbieten. Bei einem Anleihewert von rund 300 Milliarden Euro müsse der EFSF somit rund 165 Milliarden Euro aufwenden. Die Anleger müssten ihrerseits Verluste von rund 135 Milliarden Euro tragen und seien damit an der Rettungsaktion beteiligt. Der Vorschlag von Gros und Mayer kann als Kompromiss zwischen der Position der Politik und der Europäischen Zentralbank (EZB) angesehen werden. Im Gegensatz zur Politik lehnt die EZB eine Umschuldung Griechenlands kategorisch ab.
Schuldenstand drastisch reduzieren
Als Vorteil ihres Vorschlags nennen Meyer und Gros zudem, dass der Schuldenstand Griechenlands drastisch reduziert werden könnte. So könnte der Nennwert der alten Staatstitel von 300 Milliarden Euro auf 165 Milliarden Euro reduziert werden. Im Gegenzug müsse Griechenland weitere Reform- und Konsolidierungsschritte einleiten. Die Schuldenlast Griechenlands würde auf rund 80 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken und damit in etwa halbiert werden. (awp/mc/ss)