Griechenlands Ministerpräsident Lucas Papademos.
Athen – Griechenlands Koalitionsregierung will die drohende Staatspleite mit neuen harte Sparmassnahmen in letzter Sekunde abwenden. Das geplante Programm sieht niedrigere Mindestlöhne, eingefrorene Gehälter und weniger Staatsdiener vor. Selbst bei der bis zuletzt umstrittenen Rentenkürzung gab es nach Angaben aus Athen eine Einigung. Bis 2015 soll Griechenland so insgesamt 14 Milliarden Euro sparen, allein dieses Jahr sollen es 3,1 Milliarden sein.
Ministerpräsident Lucas Papademos bestätigte am Donnerstag eine Einigung der Parteispitzen auf das Sparprogramm. Auch das Thema der Rentenkürzungen sei gelöst worden, teilte das Büro des Regierungschefs mit. «Die Verhandlungen mit der «Troika» wurden bezüglich des Themas, was noch offen war, heute Morgen erfolgreich abgeschlossen», hiess es in einer schriftlichen Erklärung. Es blieb aber offen, woher die fehlenden 300 Millionen Euro des verlangten Sparvolumens kommen sollen. Ein neues Sparpaket ist Voraussetzung für weitere Milliarden-Hilfen. Noch am Donnerstagabend wollten in Brüssel die Euro-Finanzminister zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um über Griechenland zu beraten. Aus Protest gegen die Einschnitte riefen die dortigen Gewerkschaften zu einem zweitägigen Streik auf.
Sondertreffen der Euro-Finanzminister
Die Euro-Finanzminister wollten am Abend bei einem Sondertreffen über das zweite Hilfspaket für Griechenland beraten, das einen Umfang von mindestens 130 Milliarden Euro haben soll. Nach Ansicht der EU-Kommission darf keine weitere Zeit verloren gehen. «Wir arbeiten gegen die Zeit», sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel. Bundeskanzlerin Angela Merkel ermahnte Athen, das nun beschlossene Sparpaket ohne Abstriche umzusetzen. «Manche dringend notwendige Massnahme ist zwar auf dem Papier angenommen, aber noch bei weitem nicht durchgeführt worden», sagte Merkel der «Passauer Neuen Presse» (Freitag). Die Regierung in Athen müsse nun erfüllen, was sie mit den internationalen Kontrolleuren der «Troika» aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) vereinbart habe.
Ohne weitere Hilfen droht Athen die Pleite
IWF-Chefin Christine Lagarde hat die Einigung auf ein neues Sparpaket in Griechenland begrüsst. «Das sind sehr ermutigende Nachrichten, die aus Athen kommen», sagte Lagarde am Donnerstag in Brüssel unmittelbar vor Beratungen mit den Euro-Finanzministern über ein neues Sparpaket für Griechenland. Man habe sehr hart in Athen gearbeitet – «es ist positiv», sagte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der IWF ist bei den Hilfen für Griechenland und andere europäische Länder mit im Boot. Der Athener Finanzminister Evangelos Venizelos macht von neuen Hilfen das Schicksal seines Landes abhängig. «Davon hängt das finanzielle Überleben unseres Landes ab», sagte er im griechischen Fernsehen. Denn ohne weitere Hilfen droht Griechenland bald die Pleite. Am 20. März werden Staatsanleihen im Umfang von 14,5 Milliarden Euro fällig.
Umstrittene Senkung des Mindestlohns
Besonders umstritten war bis zuletzt auch die Senkung des Mindestlohns, dem in Griechenland eine besondere Bedeutung zukommt, da an ihn das Arbeitslosengeld gekoppelt ist. Er soll im privaten Bereich um 22 Prozent von heute 751 Euro brutto auf 586 Euro verringert werden. Darüber hinaus einigten sich die Parteiführer unter anderem auf die Entlassung von 150 000 Staatsbediensteten, allein in diesem Jahr sollen 15 000 gehen. Ausserdem sollen die Löhne solange eingefroren werden, bis die Arbeitslosenquote deutlich gesunken ist.
Verabschiedung des Pakets bis Sonntag
Bis zum kommenden Sonntag soll in Athen das neue Sparpaket endgültig verabschiedet sein. Gewerkschaften riefen aus Protest gegen die geplanten Einschnitte erneut zu einem Streik auf – diesmal für zwei Tage. Am Freitag und am Samstag soll die Arbeit ruhen, wie die grössten Gewerkschaftsverbände GSEE für den Privatsektor und ADEDY für die Beamten mitteilten. Bereits für den Abend waren zudem mehrere Demonstrationen linksgerichteter Organisationen geplant. Die Kommunisten riefen die Bevölkerung zum Aufstand gegen die geplanten Massnahmen auf.
Parallele Verhandlungen über Schuldenschnitt
Parallel zum dem Sparpaket wird über einen freiwilligen Schuldenschnitt für Griechenland mit privaten Gläubigern wie Banken und Hedge-Fonds verhandelt. Griechenland hofft dabei auf eine Reduzierung des Schuldenberges um 100 Milliarden Euro. Ob diese Zahl zustande kommt, gilt aber als fraglich. Denn es ist unklar, ob sich alle Gläubiger zum Forderungsverzicht bereit erklären. Die EZB könnte sich auf Umwegen daran beteiligen. Notenbank-Präsident Mario Draghi betonte zwar, er lehne weiterhin «jeden rechtlichen Trick» ab, die EZB-Verträge zu umgehen. Diese verbieten der Notenbank die direkte Finanzierung von Staatsschulden. Allerdings könnte die EZB ihren gigantischen Bestand an griechischen Staatsanleihen im Schätzwert von 45 Milliarden Euro zu Geld machen und die Gewinne über die Euroländer – gemäss deren Anteil am EZB-Kapital – an Athen weiterreichen.
Erstes Hilfspaket über 110 Mrd Euro unzureichend
Früheren Angaben des griechischen Finanzministers Evangelos Venizelos zufolge hingen die Verhandlungen mit den Privaten zuletzt an der Frage, ob EZB und nationale Notenbanken beim Forderungsverzicht mit ins Boot steigen. Griechenland hängt bereits seit dem Frühjahr 2010 am internationalen Finanztropf. Damals wurden dem Land als erstem in der Eurozone Kredithilfen über 110 Milliarden Euro zugesagt, die sich aber bald als unzureichend erwiesen. (awp/mc/upd/ps)