Ex-Banker und selbsternannter Whistleblower: Rudolf Elmer.
Zürich – Der Fall Rudolf Elmer wird die Justiz noch längere Zeit beschäftigen. Das Zürcher Obergericht hat am Donnerstag die gesamte Anklage zurück an den Staatsanwalt geschickt. Das Gericht will wissen, was sich auf den CDs befand. Damit gerät die Bank Julius Bär in eine Zwickmühle. Ob Rudolf Elmer ein mutiger Whistleblower ist oder doch nur ein frustrierter Ex-Mitarbeiter, wird noch einige Monate unbeantwortet bleiben.
Zuerst will das Zürcher Obergericht geklärt haben, um was für Daten eigentlich gestritten wird, denn offenbar weiss das ausser Elmer und der Bank Julius Bär niemand. Bevor man nicht wisse, was auf den CDs gespeichert sei, könne man nicht beurteilen, ob Elmer das Bankgeheimnis wirklich verletzt habe, sagte der Gerichtspräsident. Für das Urteil werde es ausschlaggebend sein, ob es sich bei den Daten um «reine» Cayman-Daten handle oder um solche aus der Schweiz, bei denen das Bankgeheimnis zur Anwendung komme.
Privatbank verweigert Offenlegung
Bisher hatte sich die Bank Julius Bär immer geweigert, die Bedeutung der Daten offenzulegen. «Nun ist auch diese gefordert, am Verfahren mitzuwirken», sagte der Richter an deren Anwalt gerichtet – und bringt die Bank so in eine Zwickmühle. Weigert sich Julius Bär weiter, die Daten zu erläutern, wird das Gericht nämlich zugunsten des Angeklagten entscheiden und annehmen, dass es sich lediglich um «Cayman-Daten» handelt, also beispielsweise um Daten amerikanischer Kunden, die ihr Geld steuergünstig am Offshore-Standort Cayman Islands parkieren.
Elmer will weiterhin öffentlichen Prozess
Elmer, der beim Julius-Bär-Ableger auf den Cayman Islands arbeitete, hätte sich dann der Verletzung des dortigen Recht schuldig gemacht, doch dafür ist Zürich nicht zuständig. Elmer könnte nicht verurteilt werden. Wenn die Bank ihren imageschädigenden Ex-Kadermann also verurteilt sehen will, muss sie die Daten publik machen. Wie lange die Staatsanwaltschaft für die weiteren Abklärungen benötigt, ist unklar. Elmer wünschte am Donnerstag, dass der Prozess auch in der nächsten Phase öffentlich geführt wird, ganz im Gegensatz zur Bank Julius Bär und der Staatsanwaltschaft, die das Ganze am liebsten nur noch schriftlich abgewickelt hätten.
Harsche Drohungen
Der 56-Jährige will offenbar die Gelegenheit nutzen, seine Version der Geschichte erneut darzulegen, wie er es auch an diesem Donnerstag tat. Er sei ungerechtfertigt entlassen worden und habe dann, anfänglich aus Wut, dann aber immer mehr aus Überzeugung, die Machenschaften der Bank publik gemacht. Dass er dabei auch auf harsche Drohungen zurückgriff, ist zumindest in einem Fall unbestritten. In zahlreichen weiteren Fällen, in denen Elmer seinem Ex-Arbeitgeber etwa mit einer Exekution drohte, sind die Indizien zwar da, doch der Wirtschaftsprüfer beteuert seine Unschuld.
Verfahren hinterlässt gesundheitliche Spuren
Im erstinstanzlichen Urteil des Bezirksgerichtes Zürich wurde er in einer Mehrheit der Anklagepunkte schuldig gesprochen. Es verurteilte ihn im Januar wegen mehrfacher Bankgeheimnisverletzung, Drohung und mehrfacher versuchter Nötigung zu einer bedingten Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 30 Franken, bei einer Probezeit von zwei Jahren. Sowohl Elmer als auch die Staatsanwaltschaft zogen das Urteil weiter. Der Kampf hat bei Elmer Spuren hinterlassen. Er ist gesundheitlich und psychisch angeschlagen, hat rund 50’000 Franken Schulden und ist seit 2008 arbeitslos. Sein letzter Arbeitgeber, ebenfalls eine Bank in einem Offshore-Zentrum, entliess ihn, weil er in Untersuchungshaft gesteckt wurde. Damals sass er einen Monat in Haft.
Der «Ghandi des Steuerrechts»
Der grössere Tiefschlag kam am Abend seiner erstinstanzlichen Verurteilung: Weil er nur zwei Tage zuvor dem Wikileaks-Gründer Julian Assange medienwirksam mehrere CDs überreichte, wurde Elmer für ein halbes Jahr in Untersuchungshaft gesteckt. Später beteuerte er zwar, dass die CDs leer gewesen seien, doch das Verfahren ist nach wie vor im Gang. Aufgeben will Elmer trotz allem nicht. In einem Brief aus der Haft teilte er mit, dass er «kämpfen werde, bis er nicht mehr könne». Er sei zwar nicht Ghandi, aber vielleicht werde er irgendwann als «Ghandi des Steuerrechts» angesehen. (awp/mc/upd/ps)