Ángel Gurría, Generalsekretär OECD. (Bild: OECD / Flickr)
Paris – Für internationale Konzerne wird es künftig schwieriger, mit Briefkastenfirmen und grenzüberschreitenden Transaktionen den Fiskus auszutricksen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) legte am Montag in Paris einen 15-Punkte-Plan gegen aggressive Steuergestaltungen und Gewinnverlagerungen vor. Die Schweiz unterstützt die internationalen Bestrebungen für mehr Transparenz und gleich lange Spiesse (Level Playing Field) bei der Besteuerung multinationaler Konzerne.
Damit sollen legale Schlupflöcher, die vor allem global agierende Konzerne wie Apple , Amazon , Google oder Starbucks zur Senkung ihrer Steuerlast legal nutzen, gestopft werden. Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen das Paket diese Woche am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Lima beschliessen.
Durch Gewinnverschiebungen gehen Staaten 100-240 Mio USD verloren
Durch Gewinnverschiebungen – das sogenannte Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) – gehen den Staaten jährlich schätzungsweise 100 bis 240 Milliarden US-Dollar verloren. Dies wollen die Top-Wirtschaftsmächte und Entwicklungsländer nicht mehr hinnehmen.
Die Ergebnisse des BEPS-Projekts, die heute von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) publiziert wurden, sind eine Ergänzung zu den ersten Berichten vom September 2014. Sie bilden den offiziellen Abschluss einer zweijährigen Arbeit. Alle 13 Berichte werden am 8. Oktober 2015 in Lima den Finanzministern und Notenbankchefs der G20-Staaten und anschliessend am Treffen der Regierungs- und Staatschefs der G-20 vom 15. und 16. November 2015 in Antalya vorgestellt. Dies geht aus einer Medienmitteilung des Staatssekretariat für Finanzfragen (SIF), hervor. Als OECD-Mitglied hat sie sich aktiv am BEPS-Projekt gegen Gewinnverkürzung und -verlagerung (Base Erosion and Profit Shifting) beteiligt, dessen Schlussergebnisse heute publiziert wurden. Der Bundesrat hat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) beauftragt, Analysen und Vorschläge für die Umsetzung der Ergebnisse zu liefern.
Mindeststandards
Manche Ergebnisse gelten als neue Mindeststandards, zu deren Einhaltung sich alle G20-Mitgliedstaaten und OECD-Staaten verpflichten. Die Mindestanforderungen betreffen die länderbezogene Berichterstattung (Country-by-Country Report), die Kriterien zur Besteuerung von Immaterialgütern (IP-Boxen), den spontanen Informationsaustausch über vorgängige Vereinbarungen über ein bestimmtes Unternehmensbesteuerungsregime (Rulings), den Zugang zum Verständigungsverfahren zur Streitbeilegung und die Aufnahme von Missbrauchsklauseln in den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Die OECD wird Kontrollsysteme errichten, um die Einhaltung der Mindestanforderungen durch die Mitgliedstaaten zu überwachen. Weitere Projektergebnisse von BEPS ergehen in Form von Empfehlungen, unter anderem die Vorschriften zur Begrenzung der Abziehbarkeit von Zinszahlungen oder die Vorschriften zur Neutralisierung der Auswirkungen von «Hybrid Mismatch Arrangements».
Die aktuelle Unternehmenssteuerreform III in der Schweiz bezieht gewisse Projektergebnisse von BEPS bereits mit ein
So sieht sie eine standardkonforme «IP-Box» (Patent- oder Lizenzbox) sowie die Aufhebung der international kritisierten Steuerregelungen vor. Für den Informationsaustausch über so genannte «Rulings» wird die Schweiz mit der Genehmigung des multilateralen Amtshilfeübereinkommens des Europarats und der OECD die erforderliche Rechtsgrundlage schaffen. In Vorbereitung sind auch die gesetzlichen Grundlagen für die Umsetzung der Country-by-Country Reports. Diese länderbezogene Berichterstattung ermöglicht einen Gesamtüberblick über die weltweite Aufteilung der Gewinne und Steuern von multinationalen Unternehmen. Bezüglich Missbrauchsklauseln in den DBA wird die Schweiz den Arbeiten der OECD Rechnung tragen und entscheiden, ob sie die erforderlichen Anpassungen auf dem multilateralen oder auf dem bilateralen Weg vornimmt. Was schliesslich die Empfehlungen angeht, die nicht in der Form von Mindeststandards ergehen, hat der Bundesrat das EFD beauftragt, in Zusammenarbeit mit den Kantonen und den Wirtschaftskreisen die Anpassung des schweizerischen Unternehmenssteuerrechts im Lichte der internationalen Entwicklungen zu analysieren. (awp/SIF/mc/cs)