Erleichterung aber keine Euphorie nach Frankreich-Wahl

L'Elysée

Das Élysée, Frankreichs Präsidentenpalast in Paris.

Bern – «Erleichterung» – so lässt sich die Stimmung am Montag nach der Wahl von Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten in Finanz- und Wirtschaftskreisen charakterisieren. Für die Schweiz bedeutet das Wahlergebnis: weniger Druck auf auf den Franken und eine Stärkung des wichtigsten EU-Handelspartners.

Eigentlich war die Wahl von Macron in Finanz- und Wirtschaftskreisen erwartet worden. Umfragen hatten nach der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen darauf hingedeutet. An der Schweizer Börse wurde die Erwartungshaltung bereits eingepreist. Der Leitindex SMI war am letzten Freitag auf über 9000 Punkte geklettert.

Erleichterung allenthalben
Und doch: Nach der Abstimmung zum Brexit und nach der US-Präsidentschaftswahl war die Unsicherheit im Hinblick auf die zweite Wahlrunde in Frankreich erheblich. Insofern zeigt sich nun, am Morgen danach, in einer Umfrage der Nachrichtenagentur sda allenthalben erleichtertes Aufatmen.

«Erleichterung für Europa», sagte Jan-Egbert Sturm, Chef der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Oder UBS-Ökonom Alessandro Bee: «Die Euro-Zone hat eine Unsicherheit weniger.» Oder Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff: «Macron könnte eine neue Epoche in Frankreich einleiten, die sich positiv auf die Schweiz auswirken kann.» Genau in dieser Wortwahl zeigt sich jedoch, dass trotz aller Erleichterung keine Euphorie aufkommt. «Die wirtschaftsfreundliche Richtung stimmt zwar, aber wir müssen abwarten, wie Macron seine Positionen durchsetzen kann», sagt denn auch Sturm von der KOF.

Denn Macron mag zwar Ideen für weitreichende Reformen haben: So will er die Staatsquote reduzieren, Unternehmenssteuern senken und den Arbeitsmarkt flexibilisieren. Doch um dies umsetzen zu können, braucht er Mehrheiten. Insofern verweisen alle Befragten auf die anstehenden Parlamentswahlen Mitte Juni und auf die Frage, wie die künftige Regierung zusammengesetzt sein wird.

Verlässlicher europäischer Partner
Michael Strobaek, Anlagechef bei der Credit Suisse, geht davon aus, dass Macron eine sozial-liberale, an der Mitte orientierte Regierung bilden wird. «Er wird die Kräfte in der Mitte bündeln und idealerweise mit der republikanischen konservativen Partei zusammenarbeiten», sagt er. Denn: Um sensible Bereiche wie den Arbeitsmarkt zu reformieren und beispielsweise Arbeitszeiten zu erhöhen, brauche er die Zustimmung der Sozialisten, die unter Hollande abgestraft wurden.

Und Neff von Raiffeisen ergänzt, dass erfolgreiche Reformen in Frankreich gut für Europa seien. Er hofft auf eine neue Aufbruchstimmung nach der Blockade unter dem vormaligen Präsidenten Hollande. Zudem bleibe Frankreich mit der klaren pro-europäischen Position von Macron ein verlässlicher Partner für die EU.

Bee von der UBS geht davon aus, dass sich die Stimmung in der EU-Wirtschaft aufhellen werde. «Indirekt hilft das der Schweiz», ergänzt Neff. Denn Frankreich sei die zweitgrösste Volkswirtschaft in Europa und die EU der wichtigste Handelspartner der Schweiz, die als kleine Volkswirtschaft exportorientiert ist.

Weniger Druck auf die Geldpolitik
Auch für die schweizerische Geldpolitik bedeutet der Wahlausgang eine gute Nachricht – und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen werde wegen eines stabileren Euro kurzfristig der Druck auf den Franken nach lassen. «Die Schweizerische Nationalbank (SNB) muss in nächster Zeit hoffentlich nicht mehr so massiv am Devisenmarkt intervenieren», sagt Neff von Raiffeisen. Bereits in der Nacht auf Montag war der Preis für einen Euro um 0,9 Prozent auf 1,09 Franken geklettert.

Zum anderen nimmt der Wahlausgang auch Druck von der europäischen Notenbank EZB. Allerdings zeigen sich die Experten gegenüber der sda in dieser Frage nicht einig. Thomas Gitzel, Chefökonom bei der VP-Bank, sieht keinen Grund für einen raschen geldpolitischen Kurswechsel bei der EZB, weil die Inflationsraten in der Währungsunion hinter den Vorgaben zurückbleiben.

Demgegenüber geht etwa Alessandro Bee von der UBS davon aus, dass die EZB in der zweiten Hälfte 2017 die Märkte auf ein Ende der Anleihenkäufe vorbereiten werde. Mit einem ersten Zinsschritt der SNB von -0,75 Prozent auf -0,5 Prozent rechnet er für das zweite Quartal 2018. «Bis wir jedoch in der Schweiz wieder positive Zinsen sehen, dauert er sicher noch bis 2019», sagt Bee.

Nach der Wahl ist vor der Wahl
Vorsichtig bleiben die Ökonomen auch, weil in der EU nach der Wahl stets vor der Wahl ist. So stehen bereits im Herbst Regierungswahlen in Deutschland, der grössten Volkswirtschaft der EU, an. Und spätestens im nächsten Mai wählen die Italiener ein neues Parlament. In der drittgrössten europäischen Volkswirtschaft ist das Lager der Rechts- wie der Linkspopulisten ähnlich gross wie in Frankreich.

Der Chefökonom der Commerzbank, Jörg Krämer, warnt denn auch davor, dass sich die EU von Wahl zu Wahl hangelt. So komme der Euro-Raum nicht zur Ruhe. «Europa braucht endlich eine gemeinsame Vision für solide Staatsfinanzen», sagt Krämer. Und die sei auch mit einem französischen Präsidenten Macron nicht in Sicht. (awp/mc/pg)

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