EU beendet Fusion von Deutscher Börse und NYSE

Reto Francioni

Kalte Dusche für Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni.

Frankfurt am Main – Die Deutsche Börse setzt nach dem Scheitern der Fusion mit der NYSE Euronext wieder auf Wachstum aus eigener Kraft. «Die Deutsche Börse ist gut gerüstet und hat genügend Kraft, um auch ohne die Fusion weiter zu wachsen und erfolgreich zu sein», sagte Vorstandschef Reto Francioni am Mittwoch in Frankurt. Zudem bestehe kein Anlass zu grundlegenden Änderungen in der Strategie, Struktur und Führung des Unternehmens, ergänzte Aufsichtsratschef Manfred Gentz. Vielmehr seien «jetzt Ruhe und Kontinuität geboten.» Francionis Vertrag jedenfalls läuft noch bis November 2013.

Dass die Börsenhochzeit zwischen Frankfurt und New York knapp ein Jahr nach der Ankündigung trotz akribischer Vorbereitung geplatzt ist, lag laut EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia an der nahezu monopolartigen Stellung im europäischen Derivatemarkt. «Die angebotenen Abhilfemassnahmen haben bei Weitem nicht ausgereicht, um die Bedenken auszuräumen», sagte er. Die EU verhinderte mit ihrem Veto, dass Deutsche Börse und NYSE Euronext über ihre Terminbörsen-Töchter Eurex und Liffe zusammen rund 90 Prozent des gesamten börslichen Derivategeschäfts in Europa beherrscht hätten. Die beiden Marktbetreiber hingegen hatten gehofft, dass in die Betrachtung auch der weitaus grössere ausserbörsliche Handel mit Derivaten in Europa einbezogen wird. Das hätte den Marktanteil der beiden auf zusammen rund 15 Prozent reduziert.

Almunia: Börsliche und ausserbörsliche Derivate ganz unterschiedlich
Einen Verkauf von Eurex oder Liffe hatten beide Partner hingegen stets abgelehnt. Wirtschaftlich sei eine Fusion dann nicht mehr sinnvoll, hatte Francioni betont. Almunia hob dagegen nun hervor: «Börsliche und ausserbörsliche Derivate sind ganz unterschiedliche Produkte.» Eine Konzentration im Derivatebereich hätte zudem der europäischen Wirtschaft als Ganzes geschadet. Laut Vorstand der Deutschen Börse ist dies eine «falsche» Entscheidung. Sie basiere auf einer «realitätsfremden verengten Marktdefinition, die der globalen Natur des Wettbewerbs im Derivatemarkt nicht gerecht wird», hiess es.

Gegen das Nein aus Brüssel könnten die Konzerne vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. NYSE-Chef Duncan Niederauer hatte kürzlich juristische Schritte gegen ein Veto nicht ausgeschlossen.

Ablehnung auch seitens Hessens Börsenaufsicht signalisiert
Neben dem der Fusion von Beginn an kritisch gegenüberstehenden Alumina hatte auch der hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) seit geraumer Zeit «erhebliche börsenrechtliche Bedenken» geäussert und seine Ablehnung signalisiert. Sein Ministerium, das die Börsenaufsicht über den Finanzplatz Frankfurt inne hat, war insbesondere über die Weiterentwicklung des deutschen Standortes samt der damit verbundenen Arbeitsplätze besorgt.

Bei erfolgreicher Fusion wäre das neue Unternehmen über eine in Amsterdam sitzende Dachorganisation geführt und die Steuerung wichtiger Geschäftsbereiche wie des Aktienhandels oder der IT nach New York und Paris verlagert worden. Zudem wurde auch der geplante Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag kritisch gesehen. Allerdings hatte Posch stets betont, zunächst die Entscheidung der EU abwarten zu wollen.

Aktienkurse leiden nach Veto der EU kaum
Da die Nachricht vom Scheitern der Fusion nicht mehr überraschend kam, drückte sie kaum auf den Aktienkurse der Deutschen Börse. Das Papier des Frankfurter Marktbetreibers legte im sehr festen Marktumfeld sogar um 0,66 Prozent zu und verlor damit seit der offiziellen Ankündigung der Fusion Mitte Februar 2011 rund 27 Prozent, während der Dax im selben Zeitraum um rund 11 Prozent nachgab. In Paris wurde die Aktie der NYSE Euronext am Mittwoch kurz vor der Bekanntgabe vom Handel ausgesetzt. Sie verlor auf Sicht der vergangenen zwölf Monate rund ein Drittel an Wert.

NYSE macht nach Fusionsflop gut Wetter: Aktienrückkauf
Um die Aktionäre bei Laune zu halten versprach die NYSE an diesem Tag in New York nun, ein auf Eis gelegtes, 550 Millionen Dollar (419 Mio Euro) schweres Aktienrückkauf wieder aufnehmen zu wollen. Die Deutsche Börse will ihre Pläne zu solcherlei Vorhaben in zwei Wochen bekanntgeben. Dann wird sie auch ihre vorläufige Jahresbilanz 2011 bekanntgeben. Analysten rechnen damit, dass entweder ein Teil der bei Fusionserfolg versprochenen Sonderdividende in Höhe von 2,00 Euro je Aktie ausgeschüttet oder ein neues Aktienrückkaufprogramm angekündigt wird.

Für 2011 werde das Unternehmen ein «sehr solides Ergebnis» vorweisen, wurde bereits vorab angekündigt. Für 2012 werde zudem eine Fortsetzung des Wachstumstrends der letzten drei Jahre erwartet. Weiteres profitables Wachstum verspricht sich die Börse nun von neuen Produkten, internationalen Standorten und Kooperationen. Doch nach den Worten von Deutsche-Börse-Chef Francioni dürfte es in Zukunft ein «zäher Wettlauf aller Börsenplätze – die asiatischen eingeschlossen – um die beste Positionierung an den Kapitalmärkten» werden. (awp/mc/upd/ps)

Exit mobile version