Gerüchte beunruhigen bulgarische Sparer – Sofia stützt Banken

Rossen Plewneliew

Bulgariens Staatspräsident Rossen Plewneliew.

Sofia / Brüssel – Nach Gerüchten über drohende Bankpleiten stützt Bulgarien sein Bankensystem vorsorglich mit einem milliardenschweren Notkredit. Die EU-Kommission erlaubte Sofia am Montag, den Banken mit einer Finanzspritze von 3,3 Milliarden Lew (1,6 Milliarden Euro) unter die Arme zu greifen. Diese Massnahme sei «angemessen und erforderlich, um unter den besonderen Umständen genügend Liquidität für den Bankensektor zu gewährleisten», teilte die EU-Behörde am Montag in Brüssel mit. Bulgarien habe dies beantragt, nachdem «mutmassliche Kriminelle» in der vorigen Woche mit gezielten Gerüchten um angebliche Schieflagen für Unruhe unter Sparern gesorgt hatten.

In Panik geratene Bankkunden hatten allein am Freitag umgerechnet mehr als 400 Millionen Euro von ihren Konten abgehoben. Inzwischen hat sich die Aufregung weitgehend gelegt. Die Filialen einer schwer getroffenen Bank öffneten und funktionierten am Montag wie üblich, berichtete der Fernsehsender bTV in Sofia. Die betroffene Bank, die Erste Investitionsbank (Fibank), teilte laut Staatsradio mit, viele Kunden, die am Freitag das Abheben ihrer Guthaben beantragt hatten, verzichteten jetzt auf diesen Schritt.

Staatspräsident Rossen Plewneliew hatte am Sonntagabend eine Garantieerklärung an die Adresse der bulgarischen Sparer gegeben: «Das Geld der Bürger in den Banken in Bulgarien ist sicher und garantiert.» Mittlerweile sind acht Personen unter dem Verdacht von «Verbrechen gegen das Finanzsystem» festgenommen.

Filmreifes Drehbuch
Die Gerüchte-Lawine war wie in einem filmreifen Drehbuch ins Rollen gekommen. Hunderte Bulgaren bekamen Mitteilungen per Mail oder SMS, dass ihre Einlagen in den bulgarischen Banken nicht sicher seien. Die Menschen wurden aufgefordert, ihr Geld abzuheben. Daraufhin bildeten sich lange Schlangen vor Bankfilialen. Die Polizei warnte unterdessen, dass das von der Bank abgehobene Geld zuhause keinesfalls sicher sei.

Die Nationalbank forderte am Montag, Falschmeldungen zu Bankpleiten müssten mit Haftstrafen von bis zu fünf Jahren geahndet werden können. Eine Gesetzesnovelle zur «Unterstützung des Bankensystems» des Bankengesetzes solle in den bis zur Auflösung des Parlaments Anfang August verbleibenden Wochen verabschiedet werden. Nach einer monatelangen Regierungskrise sollen eine Interimsregierung sowie Neuwahlen im Oktober für wieder stabile Verhältnisse sorgen.

Bankensystem gut kapitalisiert
Nach Einschätzung der EU-Kommission hätten «Zweifel an der Liquidität der betreffenden Banken» auf andere Geldinstitute übergreifen können. Zugleich betonte die Brüsseler Behörde – wie zuvor schon die Zentralbank – aber auch, dass das bulgarische Bankensystem gut kapitalisiert sei und im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten über hohe Liquidität verfüge. Bulgarien habe die Massnahme nur vorsorglich ergriffen, um den Banken mehr Geld bereitzustellen und sein Finanzsystem zu schützen.

Mitte Juni hatte Bulgariens Zentralbank mit der Korporativen Handelsbank (KTB) erstmals nach dem EU-Beitritt des Landes 2007 eine Bank unter Aufsicht gestellt. Damit wurden die Einlagen von Privatpersonen und Firmen in der viertgrössten Bank des Landes praktisch blockiert. Die Zentralbank griff ein, nachdem die KTB darum gebeten hatte. Die KTB hatte die Zentralbank schriftlich darüber informiert, dass ihre Liquidität ausgeschöpft sei. Damals wollten Kunden der KTB ihre Einlagen abheben, nachdem Medien vor dem Hintergrund der komplizierten innenpolitischen Lage über den Zustand der Bank spekuliert hatten.

Bulgarien ist EU-Mitglied seit 2007, gehört aber noch nicht zur Eurozone. Wegen einer schweren Finanz- und Währungskrise Ende 1996 und Anfang 1997 mussten damals zahlreiche Banken in dem Balkanland wegen Zahlungsunfähigkeit schliessen. (awp/mc/upd/ps)

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