Urs Müller, Chefökonom BAKBASEL.
Basel – Sehr verhalten sind die jüngsten Beschlüsse des EU-Gipfels von Schweizer Ökonomen aufgenommen worden. Offensichtlich reagierten die Märkte immerhin positiv, sagte BAKBASEL-Chefökonom Urs Müller am Donnerstag an der BAK-Prognosetagung in Basel. Der Kurs des Schweizer Frankens sei aber auch ein Zeichen, dass die Marktteilnehmern wohl nicht wirklich an eine nachhaltige Lösung glaubten: «Sonst müsste der Euro jetzt bei 1,30 oder 1,40 CHF stehen.»
Was die EU-Politiker in der Nacht auf Donnerstag getan haben, ist nach Ansicht von Müller eher eine Verschiebung des Problems: «Wurde Griechenland heute Nacht gerettet? Ich denke Nein!» Auch wenn man bei dem Gipfel von Fortschritten sprechen könne, so sei wohl die Gefahr einer «Ansteckung» weiterer Euroländer nicht gebannt, sagte auch der Leiter der Wirtschaftsforschung von Swiss Life Asset Management, Marc Alain Brütsch an einer Panel-Diskussion.
«Minimum dessen, was erwartet wurde»
Der Chefökonom der Bank Sarasin, Jan Amrit Poser, bezeichnete die Brüsseler Beschlüsse als «das Minimum dessen, was erwartet wurde». Immerhin sei die Unsicherheit, ob es zu einem Zahlungsausfall von Griechenland kommen werde, erstmals vom Tisch: «Weniger Unsicherheit ist schon mal gut.» Der Rettungsschirm werde aber weiter aufgestockt werden müssen. Dabei müssen Europa vielleicht auch auf die Hilfe der «Emerging Markets» zurückgreifen. Über die geforderten weiteren Massnahmen gingen die Meinungen in der Diskussion allerdings auseinander. Einen von Brütsch aufgeworfenen «geordneten Austritt» Griechenlands aus der Eurozone verwarf Poser als wohl nicht praktikabel. Zudem würde das auch für Griechenland die Probleme nicht lösen, sondern das Land allenfalls in hohe Inflation und in Instabilität werfen, gab er zu bedenken.
Eurobonds für Deutschland «ein rotes Tuch»
Auch die Übernahme von Schulden durch die Schaffung von Eurobonds lehnte der gebürtige Deutsche Poser wegen der Schaffung falscher Anreize ab. Für alle Deutschen sei der Eurobond «ein rotes Tuch», beobachtete allerdings Brütsch seinerseits. Trotz der grossen Probleme in der Eurozone aber auch in den USA und in Japan – und den entsprechend hohen Abwärtsrisiken der Konjunkturszenarien – wollten die Ökonomen aber keine allzu düsteren Szenarien für die Weltwirtschaft malen. In vielen Staaten könnten Strukturreformen noch viel Wachstumspotenzial freisetzen, gab sich Brütsch überzeugt.
Nachfrage generieren
Bedingung für weiteres Wachstum sei allerdings auch, dass Länder mit Leistungsbilanzüberschüssen wie Deutschland, die Schweiz oder China Nachfrage generierten, sagte Poser: «Wenn alle sparen sollen, dann geht das für die Weltwirtschaft nicht auf.» Die BAKBASEL-Ökonomen bleiben weiterhin bei ihrer Prognose, dass das Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) ab dem kommenden Frühling wieder wachsen soll: Diesem Szenario gebe man eine Wahrscheinlichkeit von 60%, hiess es. Einem Szenario einer «ungeordneten Schuldenkrise Europas» mit Umschuldungen auch Portugals und Irlands billigten die Basler Prognostiker aber immerhin eine Wahrscheinlichkeit von 20% zu. (awp/mc/ps)