EU-Kommission will eigene Steuern
Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Brüssel – Die EU-Kommission will künftig bei den Bürgern der Europäischen Union eigene Steuern erheben. Kommissionspräsident José Manuel Barroso schlug am Mittwochabend in Brüssel die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und einer Mehrwertsteuer zugunsten des EU-Haushalts vor. Ausserdem soll die EU in den sieben Jahren zwischen 2014 und 2020 knapp eine Billion Euro ausgeben.
Die Kommission plädiert dafür, die Zahlungen um fünf Prozent von bisher 925 auf 972 Milliarden Euro zu erhöhen. «Wir schlagen ein ehrgeiziges und zugleich verantwortungsvolles Budget vor», sagte Barroso. Mit den neuen Steuern will die Kommission, die bisher drei Viertel des EU-Haushalts von den Mitgliedstaaten überwiesen bekommt, über mehr Eigenmittel verfügen. Ziel sei nicht die Ausweitung des EU-Haushalts, sondern eine «solidere Grundlage», sagte Barroso. Die Überweisungen aus den nationalen Haushalten könnten dann verringert werden. Auch Mehrwertsteueranteile aus den Mitgliedstaaten, die bisher an Brüssel gezahlt werden, würden wegfallen.
Deutschland lehnt EU-Steuer ab
Deutschland, das 20 Prozent des gesamten EU-Haushalts bezahlt und grösster Nettozahler der Union ist, lehnt ebenso wie andere Staaten die Einführung einer eigenen EU-Steuer ab. Entsprechende frühere Pläne von EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski sind von Deutschland bereits scharf kritisiert worden. Lewandowski sagte am Mittwoch, bis 2020 könnten 40 Prozent des EU-Budgets mit eigenen Einnahmen finanziert werden. Barroso sagte, die Kommission wolle die bisherigen Beitragsnachlässe abschaffen, darunter auch den sogenannten Briten-Rabatt. Der Ausgleich für die britische Regierung wird nach Ansicht Barrosos durch ein mittlerweile völlig unverständliches System von Nachlässen auch für anderen Staaten finanziert: «Niemand versteht mehr, was da eigentlich passiert.»
Barroso rechnet mit «schwierigen Debatten»
«Ich rechne mit sehr schwierigen Debatten in den kommenden Monaten», sagte Barroso. Mit einem Gesamtvolumen von 972 Milliarden Euro betragen die Ausgaben der EU genau ein Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU-Staaten. Das liegt etwas unter dem jetzigen Wert von 1,06 Prozent. Die Steigerung von fünf Prozent ergibt sich, wenn man den Gesamtwert des bisherigen mit jenem des nächsten Finanzrahmens vergleicht. Nicht in dem Budget enthalten sind Ausgaben für den Entwicklungsfonds und den Fusionsreaktor ITER.
«Vorschlag der Kommission realistisch»
Der bisherige Finanzrahmen läuft 2013 aus, die neue Finanzplanung bedarf der Zustimmung der EU-Regierungen ebenso wie des EU-Parlaments. «Das wird sicher ein harter Kampf werden. Aber ich finde den Vorschlag der Kommission realistisch», sagte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz. Allerdings sagte er «einen harten Kampf» voraus. Die Hilfe für ärmere Regionen und die Agrarpolitik bleiben mit jeweils etwa 36 Prozent der Gesamtausgaben die grössten Budgetposten. Für die gemeinsame Agrarpolitik sind 371 Milliarden Euro vorgesehen.
Vorschläge für durchgreifende Reformen
Die EU-Kommission machte auch Vorschläge für durchgreifende Reformen in der eigenen Verwaltung. Die 50 000 Beamten der Europäischen Union sollen mehr arbeiten. Die Wochenarbeitszeit der Beamten soll nach den Vorschlägen der Kommission von bisher 37,5 auf 40 Stunden erhöht werden. Das Pensionsalter soll von 63 auf 65 Jahre angehoben werden. An einer Zusatzsteuer für EU-Beamte in Höhe von 5,5 Prozent soll festgehalten werden. Ausserdem soll die Zahl der Beamten bis 2018 um fünf Prozent sinken. Mit den Sparmassnahmen für die EU-Beamten reagiert die Kommission auch auf starken Druck der Regierungen von Mitgliedsstaaten, die mit Blick auf eigene Sparanstrengungen auch in Brüssel Einschnitte fordern. Kommission und Ministerrat müssen aber mit erheblichem Widerstand der Beamten-Gewerkschaften rechnen, die bereits vor Veröffentlichung der Kommissionsvorschläge mit Streik drohten.
Deutsche Börse: Steuern drängen Geschäft in unregulierten Markt
Die Deutsche Börse warnt vor negativen Folgen neuer Finanzmarktsteuern in der Europäischen Union. «Wir befürchten, dass Transaktionen in den unregulierten und ausserbörslichen OTC-Markt verlagert würden», sagte ein Sprecher des Frankfurter Marktbetreibers am Donnerstag. «Das kann im Lichte der Finanzkrise nicht im Sinne der Regulatoren und des Gesetzgebers sein.» Der Dax-Konzern hatte in der Vergangenheit mehrfach gefordert, wenn es zu neuen Regeln komme, müssten diese «international koordiniert und flächendeckend angewandt» werden. Die Deutsche Bank verwies als Reaktion auf die Pläne der EU-Kommission auf Äusserungen ihres Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann. Ackermann hatte wiederholt vor Sonderregeln gewarnt, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Regulierung müsse global abgestimmt werden, mindestens auf Ebene der 20 führenden Wirtschaftsnationen (G20). (awp/mc/upd/ss)