Von Martin Raab, Derivative Partners AG, www.payoff.ch
Eugen Weinberg, Head Commodity Research, Commerzbank AG im Gespräch über die Welt der Edelmetalle, Silber als neue Alternative, ausgereizte Preispotenziale und die zwei Herzen in seiner «Rohstoff-Brust».
payoff: Herr Weinberg, die Edelmetalle glänzen derzeit höchst unterschiedlich. Beginnen wir mit Gold. Wird der Goldpreis in den nächsten Monaten gar dreistellig?
Eugen Weinberg: An den Finanzmärkten kann man ja grundsätzlich nichts ausschliessen und der Goldmarkt ist da keine Ausnahme. Jedoch scheint mir der Pessimismus in Bezug auf Gold bereits überzogen. Jedenfalls rechnen wir nicht damit, dass der Goldpreis unter 1’000 USD je Unze fallen wird.
…was macht Sie da so sicher?
Dafür müsste Gold in den Augen der meisten Marktteilnehmer wieder ein normaler Rohstoff werden, der von der Schmucknachfrage und der Minenproduktion abhängt. Als normaler Rohstoff, dessen Preis hauptsächlich von den Herstellungskosten abhängt, wäre der Goldpreis von über 1’000 USD je Unze in der Tat zu hoch. Gold ist allerdings kein Rohstoff sondern hat sich in den vergangenen 10-15 Jahren zu einem Anlagemetall entwickelt, einer Alternativwährung und einer Art Versicherung gegen die Marktrisiken. Wir sind überzeugt, dass Gold diesen Status langfristig erhalten wird.
Welche preisbeeinflussende Eigenschaft könnte sich aus der neuen US-Regierung bei Gold ergeben?
Das bleibt abzuwarten. Zu gross ist aktuell die Versuchung, die Aktionen der neuen Regierung Trump bereits im Vorfeld zu antizipieren und sich entsprechend zu positionieren. Das ist allerdings nicht möglich, weil die Regierungsmitglieder bei Trump oft Neulinge in der Politik sind und sich noch entsprechend umschauen werden. Auch würde ich den Einfluss steigender Fed-Zinsen auf den Goldpreis nicht überbewerten. So hat zwar die US-Fed in den Jahren 2004 bis 2006 den Leitzins von 1% auf über 5% p.a. erhöht. In dieser Zeit legte aber der Goldpreis um über 60% zu. Wir gehen davon aus, das sich der Goldpreis im Jahresverlauf stabilisieren wird und der Preis zum Jahresende auf 1’300 USD je Unze steigen wird.
Einen Kursausbruch gab es zuletzt bei Palladium. Was war hierfür ursächlich?
Palladium ist das Metall, das wahrscheinlich aktuell am stärksten mit dem weltweiten Automarkt verbunden ist, denn 80% der gesamten Palladiumnachfrage machen die Autokatalysatoren aus. Palladium wird vor allem in Benzinern eingebaut, wobei weltweit die allermeisten neu zugelassenen Autos Verbrennungsmotoren haben. Also hatte ein weiteres Rekordjahr bei Autozulassungen in China und weltweit im Jahr 2016 auch eine stärkere Nachfrage und ein weiteres Angebotsdefizit bei Palladium zur Folge.
Wird sich der Kursansteig bei Palladium fortsetzen?
Viele Investoren, die in den Vorjahren kurz- bis mittelfristige Preisentwicklungen bei Palladium geprägt haben, scheinen den Markt mittlerweile verlassen zu haben. Die Palladium-ETFs hatten in den beiden letzten Jahren Abflüsse in der Grössenordnung von insgesamt 1,36 Mio. Unzen zu verzeichnen. So gesehen kann man bei Palladium aktuell keine Überhitzung feststellen. Allerdings ist dadurch die Abhängigkeit vom Autosektor weiter gesteigen. Solange der Autosektor weiterhin boomt, dürfte sich der Preisanstieg fortsetzen. Sollte dort der Boom ins Stocken geraten, wofür wir einige Anhaltspunkte sehen, hätte dies gravierende Auswirkungen auf die Marktbilanz. Wir erachten das Preispotenzial daher weitgehend als ausgereizt.
Was lässt sich zu Platin sagen, dort haben wir nun ein nur noch dreistelliges Preisniveau erreicht?
Bei Platin spielt die Nachfrage aus der Autoindustrie im Vergleich zu Palladium eine deutlich geringere Rolle. Die Investment- und Schmucknachfrage hat dagegen eine stärkere Bedeutung. Insbesondere die Schmucknachfrage war 2016 schwach, was den Preis belastet hat. Gemessen an den Fundamentaldaten sowie gegenüber Gold und Palladium ist Platin zu niedrig bewertet. Der Platinpreis dürfte sich im Schatten von Gold erholen. Zusätzlichen Auftrieb sollte der Preis durch die steigenden Produktionskosten im Hauptproduzentenland Südafrika erhalten. Dessen Währung, der Rand, zählte im Vorjahr zu den stärksten Währungen überhaupt, was die Ertragssituation für die Produzenten weiter verschlechtern dürfte.
Nahezu parallel zum Goldpreis hat sich auch der Silberpreis ziemlich verbilligt…
Die Silbernachfrage aus der Industrie ist seit Jahren rückläufig. Da etwa die Hälfte der Silbernachfrage aus der Industrie stammt, wäre es wichtig, dass die industrielle Verwendung für Silber in der Zukunft wieder zunimmt. Diese Nachfrage reagiert in der Regel aber empfindlich auf Preisschwankungen und würde bei steigenden Preisen sinken. So hatte der Preisanstieg im Jahr 2011 zur Folge, dass in den darauffolgenden Jahren der Anteil von Silber in den Solarzellen um 75% reduziert wurde. Wir sehen Silber langfristig als Anlagemetall.
Ihre Prognose für den Silberpreis?
Aktuell gehen wir von steigenden Silberpreisen in den kommenden Jahren aus. Ende 2017 dürfte der Silberpreis bei 19 USD je Unze liegen, Ende 2018 sogar bei 21 USD. Vor allem der von uns wegen höherer Finanzmarktrisiken erwartete Goldpreisanstieg dürfte den Silberpreis mit nach oben ziehen, wobei sich der Silberpreis im Bann des Goldpreises mit häufig grösseren Schwankungen bewegen wird. Gemessen am Gold/Silber-Verhältnis besitzt Silber gegenüber Gold weiterhin Nachholpotenzial.
Mit Blick auf Anlageideen. Was könnten profitable Strategien mit Edelmetallen sein?
Das kommt immer darauf an, welchen Anlagehorizont und Ziel die Anleger mit den Edelmetallen verfolgen. Dienen diese Geschäfte eher einem kurzfristigen Ertrag oder stellen sie eine strategische Beimischung gegen die Marktrisiken dar? Ich halte das Letztere für den eigentlich wichtigsten Grund, sich mit den Edelmetallen, vor allem mit Gold, zu beschäftigen. Und in diesem Fall heisst die beste Strategie „Kaufen und liegen lassen!“
Sind Bergbau-Aktien eine bessere Wahl statt auf die Rohstoffe selbst zu setzen?
Verfolgt der Anleger mit seiner Strategie einen kurzfristigen, spekulativen Ansatz und möchte in erster Linie sein Geld vermehren, stellen die Minenaktien eine legitime Alternative dar. Allerdings sollten sich die Anleger mögliche Marktrisiken bewusst machen, denn in den Aktienkrisen verhalten sich die Minenaktien vor allem im Einklang mit dem Aktien- und nicht dem Rohstoffmarkt.
Abschliessend: Besitzen Sie selbst aktuell Rohstoff-Investments in ihrem Depot?
Aber natürlich! Deswegen schlagen in meiner Brust auch immer zwei Herzen. Ich möchte zwar mit den meisten meiner Investments den Wert vermehren, aber eben nicht mit meinen Goldanlagen. Denn der Goldpreisanstieg geht meist mit steigenden Risiken für die Wirtschaft, Geopolitik oder den Aktienmarkt einher. Jeder Anleger sollte Gold in erster Linie als Versicherung ansehen, die im Fall der Fälle das Vermögen schützen sollte. In einer Welt, in der eine Feinunze Gold 5’000 USD kostet, will in Wirklichkeit keiner von uns leben.
Herzlichen Dank für das Interview.
Der Gesprächspartner:
Eugen Weinberg leitet seit März 2007 das Rohstoff-Research-Team bei der Commerzbank in Frankfurt. Er gilt als einer der führenden Rohstoff-Analysten im deutschsprachigen Raum, stets bekannt für pointierte Aussagen und umfangreiches Hintergrundwissen zu vielerlei Rohstoffen. Der Diplom- Wirtschaftsmathematiker ist in Russland geboren, kam im Jahr 1999 für ein MBA-Studium nach Deutschland. Danach war er als Fondsmanager und Rohstoffanalyst bei der BW-Bank in Stuttgart beschäftigt und baute im Anschluss den Bereich Rohstoff-Research bei der DZ Bank in Frankfurt auf. Bei der Commerzbank ist er mit seinem Team massgeblich für die Erstellung der Prognosen und der Strategien im Rohstoffsektor verantwortlich. Weinberg ist regelmässiger Kommentator in nationalen und internationalen Finanzmedien.