Euro-Finanzminister loten Athen-Hilfe aus

Euro-Finanzminister loten Athen-Hilfe aus

Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Euro-Finanzminister.

Brüssel – Unter wachsendem Druck in der Schuldenkrise suchen die 17 Euro-Staaten eine gemeinsame Linie, um die Schlagkraft des Rettungsfonds EFSF zu stärken und bedrohte Banken zu schützen. Ein hoher Schuldenerlass für Griechenland wurde nach einer Andeutung von Kanzlerin Angela Merkel wahrscheinlicher. Finanzminister Wolfgang Schäuble wies vor dem Treffen der 17 Ressortchefs am Freitag in Brüssel zurück, dass es Streit mit Frankreich über den EFSF gebe.

Die Lage war aber weiterhin so verfahren, dass die Staats- und Regierungschefs am Sonntag und zusätzlich am kommenden Mittwoch beraten müssen. Der zweite Gipfel war bis Freitagnachmittag offiziell nicht bestätigt, galt aber bei Diplomaten als sehr wahrscheinlich. Verärgert zeigte sich Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker. «Die Aussenwirkung ist desaströs», sagte Luxemburgs Premier. Ihm wäre es lieber gewesen, schon am Sonntag zu einer Entscheidung zu kommen. Die soll nun am Mittwoch über ein Gesamtpaket fallen.

Schäuble: Lösung vor dem G20-Gipfel
Erwartet wird bis Sonntag, dass die nächste Hilfstranche von acht Milliarden Euro an Griechenland freigegeben wird. Fortschritte gab es nach den Angaben auch bei der Frage, wie kapitalschwache Banken ohne Pleite durch die Schuldenkrise gebracht werden können. Zum Auftakt des Verhandlungsmarathons sagte Schäuble, er rechne bis spätestens zum G20-Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer mit einem Lösungspaket. «Wir wissen alle, dass wir die notwendigen Entscheidungen für Europa vor dem G20-Gipfel in Cannes am 3. und 4. November abschliessend zustande bringen müssen.» Zu unterschiedlichen Positionen zwischen Berlin und Paris bei den neuen Instrumenten des erweiteren Euro-Rettungsschirmes EFSF sagte Schäuble: «Deutschland und Frankreich sind überhaupt nicht in den Positionen verhakt.» Beide Länder arbeiteten sehr eng zusammen.

«Hebel» bleibt Hauptstreitpunkt
Die 17-Euro-Finanzminister wollten am Freitag zunächst über die Freigabe der nächsten Hilfszahlung der Europäer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) an Griechenland beraten. Die Sonderprüfer der «Troika» aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF hatten die Finanzspritze aus dem ersten Hilfsprogramm von 110 Milliarden Euro empfohlen. Hauptstreitpunkt in der Eurozone bleibt ein Modell, um den Rettungsfonds für klamme Euro-Staaten wirksamer einzusetzen. Dabei soll das EFSF-Ausleihvolumen von 440 Milliarden Euro de facto vervielfacht werden, ohne das Garantievolumen von 780 Milliarden Euro anzuheben. Strittig sind auch Regeln für den Ankauf von Staatsanleihen durch den EFSF. Deutschland plädiert für eine Art Teilkasko-Versicherung, bei der der EFSF nur für einen Teil – beispielsweise 20 Prozent – gerade steht, sollte ein Staat pleitegehen. Eine Banklizenz für den EFSF und ein «Hebel» über die EZB ist inzwischen vom Tisch. Damit hätte sich der Fonds quasi unbegrenzt Geld bei der Notenbank besorgen können.

Berlin: Haushaltsausschuss stimmt zu
Der Haushaltsausschuss des Bundestages billigte am Freitag das vorläufige Regelwerk zum EFSF. Dieses enthält noch keine Angaben zu dem umstrittenen Kredithebel. Mit der Mehrheit von Union und FDP und gegen die Stimmen der Opposition wurden die sogenannten Leitlinien angenommen. Eine vorherige Bewertung der EFSF-Details durch Experten wurde abgelehnt. Die Opposition sprach von «Durchpeitschen». Union und FDP betonten, eine rasche Billigung der Leitlinien sei notwendig, damit die Bundesregierung gestärkt und mit klarem Mandat am Wochenende beim EU-Gipfel auftreten könne. An diesem Samstag wollen alle 27 EU-Finanzminister über Wege zur zusätzlichen Kapitalausstattung europäischer Banken beraten. Geplant ist, dass Grossbanken schon Mitte 2012 eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent erfüllen müssen, um Risiken aus Anleihen europäischer Schuldenstaaten abfedern zu können.

Anzeichen für massiven Schuldenschnitt Griechenlands
In Berlin hatten sich am Freitag die Anzeichen verstärkt, dass Griechenland mit einem massiven Schuldenschnitt aus der Existenzkrise geführt werden soll. Kanzlerin Merkel sagte am Morgen in der Unionsfraktion nach Angaben von Teilnehmern, man nähere sich dem Punkt, an dem die Schuldentragfähigkeit Griechenlands mit 21 Prozent Reduktion nicht mehr ausreiche. Diese Zahl war erst im Juli von den EU-Staats- und Regierungschefs beschlossen worden. SPD und Grüne im Bundestag kritisierten, dass die Abgeordneten bisher keine Informationen hätten, wie ein sogenannter Hebel zur besseren Ausstattung des EFSF aussehen soll. Sie forderten, dass der Bundestag damit befasst werden soll und nicht nur der Haushaltsausschuss, scheiterten aber mit einem entsprechenden Antrag.

Regierungserklärung am Mittwoch

Wegen der Verschiebung der Euro-Entscheidungen auf kommende Woche wird Merkel wohl nächsten Mittwoch eine Regierungserklärung abgeben. Deutschlands Anteil am EFSF beträgt maximal 211 Milliarden Euro. Durch einen Hebel soll sich an den deutschen Beteiligungskosten nichts ändern, betont die Regierung. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte: «Wir werden unser Wächteramt im Interesse des deutschen Steuerzahlers für eine vernünftige Entwicklung in Europa voll wahrnehmen.»

S&P droht Euro-Schuldensündern
Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) drohte den Euro-Schuldenstaaten mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit im Falle eines Rückfalls in die Rezession. Sollte es dazu kommen, würde man Frankreich, Spanien, Italien, Irland, und Portugal um eine oder zwei Noten herabstufen, so S&P in einer am Freitag veröffentlichten Studie. Besonders problematisch wäre für die Eurozone die Herabstufung Frankreichs, das derzeit noch die Topnote «AAA» hat. Angst vor der Schuldenkrise und der erwartete Konjunktureinbruch drücken auch auf die Stimmung der deutschen Industrie. Der ifo-Geschäftsklimaindex, wichtiges Barometer für die Wirtschaft, sank im Oktober zum vierten Mal in Folge. Deutsche Kreditinstitute stellen sich auf einen höheren Schuldenerlass für Griechenland ein. (awp/mc/upd/ps)

Ein umstrittenes Thema bei dem Sondertreffen ist die künftige Schlagkraft des Rettungsfonds für klamme Eurostaaten (EFSF). Ein Modell ist ein «Hebel», mit dem das Ausleihvolumen des EFSF von 440 Milliarden Euro de facto vervielfacht werden könnte. Der EFSF steht in diesem Modell mit einer Art Teilkasko-Versicherung nur für einen Teil – beispielsweise 20 Prozent – und nicht für 100 Prozent einer Anleihe gerade, wenn ein Staat Pleite geht. Der Hebel könnte bei neuen Anleihen von Staaten mit schlechter Kreditwürdigkeit wie Spanien und Italien zum Einsatz kommen.

Endgültige Entscheidung nicht vor Mittwoch
Mit einer endgültigen Entscheidung zum Hebel wird erst bei einem zweiten, neu angesetzten Gipfeltreffen der Euroländer Mittwoch nächster Woche gerechnet. In Deutschland und anderen Ländern ist wegen der Einbeziehung der Parlamente für Entscheidungen zum EFSF mehr Zeit nötig. EU-Währungskommissar Olli Rehn rief die Mitgliedstaaten auf, sich im Kampf gegen die Schuldenkrise rasch zu einigen. «Wir brauchen ein umfassendes Paket», sagte der Finne. Dazu gehört auch eine Abmachung zur zeitweiligen Stärkung des Eigenkapitals von grossen Banken, um sie gegen Auswirkungen der Schuldenkrise zu wappnen. (awp/mc/ps)

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