Jean-Claude Juncker, Vorsitzender der Euro-Finanzminister.
Brüssel – Rettung im Eilverfahren: Die krisengeschüttelten Banken Spaniens bekommen europäische Finanzspritzen von bis zu 100 Milliarden Euro. Das beschlossen die obersten Kassenhüter der Eurozone am Freitag einstimmig in einer Telefonkonferenz. Der Deutsche Bundestag hatte das Hilfsprogramm bereits am Donnerstag gebilligt.
Für die Geldhäuser stehen Soforthilfen von 30 Milliarden Euro bereit, heisst es in der Erklärung der Ressortchefs. Wann diese fliessen sollen, blieb offen.
Genauer Betrag steht noch nicht fest
Der genaue Betrag für das gesamte Programm steht noch nicht fest, denn die Banken werde zunächst neuen Stresstests unterzogen. Ergebnisse sollen im September vorliegen. Die Ressortchefs handelten schnell, denn Spanien ist die viertgrösste Volkswirtschaft der Eurozone. Madrid hatte den Hilfsantrag erst am 25. Juni gestellt.
Spanien steckt in einer schweren Rezession mit hoher Arbeitslosigkeit. Die Kreditinstitute leiden an den Folgen einer geplatzten Immobilienblase.
Märkte nicht beruhigt
Die Billigung der Hilfsmilliarden konnte die Märkte zum Wochenausklang nicht beruhigen. Im Gegenteil: Die Risikoaufschläge für spanische Staatsanleihen kletterten auf ein Rekordhoch, die Rendite lag im richtungsweisenden Zehnjahresbereich deutlich über der Schmerzgrenze von sieben Prozent. Konjunktursorgen und ein Hilfsantrag der autonomen Region Valencia erschütterten das Vertrauen in die viertgrösste Euro-Volkswirtschaft. Experten glauben, dass die Bankenhilfen nicht ausreichen und Spanien komplett unter den Rettungsschirm muss.
«Die spanische Regierung wird die vollständige Verantwortung für die Finanzhilfe behalten», schrieben die von Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker geführten Minister. EU-Währungskommissar Olli Rehn ergänzte: «Das Ziel des Programms ist äusserst klar: Spanien bekommt gesunde, effektiv regulierte und strikt überwachte Banken, die für nachhaltiges Wirtschaftswachstum sorgen können.»
Hilfen sind an Bedingungen gebunden
Die Hilfen sind an Bedingungen gebunden. Die Überwachung des Finanzsektors in Spanien wird verstärkt, zudem muss eine «Bad Bank» für faule Immobilienkredite eingerichtet werden. Geldhäuser müssen nach EU-Regeln umgebaut werden, um Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil von europäischen Konkurrenten zu verhindern. Die Bedingungen sind in einer Abmachung («Memorandum of Understanding») festgehalten, die in den nächsten Tagen unterschrieben werden soll.
Die Hilfen sollen zunächst vom befristeten Euro-Rettungsschirm EFSF kommen. Wenn der ständige Rettungsfonds ESM eingerichtet ist, sollen die Hilfen aus diesem Topf bereitstehen. Die Gelder fliessen direkt an den spanischen Bankenrettungsfonds Frob, nicht an den Staat, der aber letztlich dafür geradesteht. Der ESM kommt mit Verspätung, da das Bundesverfassungsgericht in Deutschland noch über Klagen dagegen berät.
Rigoroses Sparpaket von bis zu 65 Mrd Euro
Laut Kommissar Rehn macht die Abmachung deutlich, dass Madrid seine Sparvorgaben im Defizitverfahren einhalten soll. Madrid muss bis 2014 seine Neuverschuldung unter die Maastrichter Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung drücken. «Nur mit entschlossenem Handeln über alle diese Fronten hinweg kann Spanien Finanzstabilität und eine wettbewerbsfähige und dynamische Wirtschaft schaffen, die zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit führen werden», so der Finne.
Spanien will die Verschuldung mit einem rigorosen Sparpaket von bis zu 65 Milliarden Euro drücken, das am Donnerstag vom Parlament gebilligt wurde. Als Reaktion kam es zu Massendemonstrationen in ganz Spanien. Hunderttausende folgten dem Aufruf der grössten Gewerkschaften und protestierten am Abend auf den Strassen gegen die Sparpolitik von Spaniens konservativem Ministerpräsident Mariano Rajoy. Die Regierung rechnet auch für 2013 mit einem Andauern der Rezession und einer hohen Arbeitslosenquote von fast 25 Prozent, der derzeit höchsten in der Europäischen Union.
Spaniens Aussenminister nennt EZB eine «Untergrundbank»
Spaniens Aussenminister José Manuel García Margallo kritisierte das Vorgehen der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Schuldenkrise unterdessen mit harten Worten. Er nannte sie eine «Untergrundbank», die nichts unternehme, um das Schulden-Feuer zu löschen. Europa brauche eine viel stärkere Bank als die EZB, sagte der Minister am Freitag in Palma de Mallorca bei einem Treffen von elf EU-Aussenministern.
Für die andere Euro-Baustelle Griechenland wird in Brüssel laut Diplomaten erst Beschlussbedarf im September gesehen. Erst müsse die «Troika» mit internationalen Experten gründlich die Bücher in Athen überprüfen. Die Mission beginnt am 24. Juli.
EZB nimmt vorerst keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheit entgegen
Wegen der Rezession und des Wahlkampfs in Griechenland war das zweite Hilfsprogramm von 130 Milliarden Euro aus dem Ruder gelaufen. Falls für Athen die Fristen gestreckt werden, müsste mehr Geld vereinbart werden, was in vielen Partnerländern auf Widerstand stösst. Die Eurogruppe hatte versichert, dass Athen über den August hinweg finanziert ist.
Die EZB nimmt vorerst keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheit entgegen. Hintergrund der Entscheidung ist das Auslaufen einer Sonderregelung, die vor der griechischen Umschuldung getroffen wurde. Die EZB will erst entscheiden, ob sie griechische Staatstitel als Pfand für Zentralbankgeld akzeptiert, wenn der «Troika»-Prüfbericht vorliegt. Bis dahin müssen griechische Banken sich über die Notfallkreditlinie ELA (Emergency Liquidity Assistance) mit Geld versorgen lassen. (awp/mc/upd/ps)