Euro-Schuldenkrise vorerst gebannt
Morgenröte über der Akropolis.
Brüssel – Mit dem weitreichenden Hilfspaket für Griechenland haben die Euro-Staaten vorerst für Ruhe an den Finanzmärkten gesorgt. Der Euro schoss in die Höhe und stabilisierte sich am Freitag bei der Marke von 1,44 Dollar; auch die Aktienmärkte legten weltweit zu. Händler sprachen von einem «Befreiungsschlag».
Ungeachtet aller Bemühungen will die Ratingagentur Fitch griechische Staatsanleihen wie angekündigt für kurze Zeit herabstufen und kurzfristig von einem «beschränkten Kreditausfall» (Restricted Default) ausgehen. Dennoch sorgten vor allem in Griechenland selbst die Beschlüsse des Brüsseler Euro-Krisengipfels für Erleichterung: Die Eurogruppe habe den Märkten, die einen «asymmetrischen Krieg gegen den Euro führen», eine klare Antwort gegeben, sagte Finanzminister Evangelos Venizelos in Athen.
«Beschränkter Kreditausfall»
Fitch begründete den geplanten Schritt mit der in Brüssel beschlossenen Beteiligung privater Gläubiger an der Griechenland-Rettung. Man werde jedoch nach dem Anleihentausch das Rating eines «beschränkten Kreditausfalls» wieder aufheben und die Bewertung verbessern. Mit der Beteiligung des privaten Sektors sei eine neue Geschäftsgrundlage geschaffen worden, schrieb die Ratingagentur. Durch den geplanten Umtausch griechischer Staatsanleihen in Papiere mit längerer Laufzeit werde der Anleger schlechter gestellt. Nach der Anhebung der Kreditwürdigkeit dürfte das Rating dann im spekulativen Bereich liegen.
Monatelanger Streit
Der Einigung in Brüssel war ein monatelanger Streit vorausgegangen, der sich um mehrere Bausteine für das zweite Rettungspaket für Griechenland innerhalb eines Jahres drehte. Das Land war bereits 2010 mit internationalen Kreditzusagen über 110 Milliarden Euro vor dem Abgrund bewahrt worden – weil das nicht reichte, musste nachgelegt werden. Das neue Hilfsprogramm umfasst 109 Milliarden Euro. Banken und Versicherungen werden einen zusätzlichen Beitrag von 37 Milliarden Euro leisten, der aber noch steigen kann. Das beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Eurozone am Donnerstagabend in Brüssel. Der Brüsseler Gipfelbeschluss geht aber weit über die Rettung Griechenlands hinaus. Das bisherige Kriseninstrumentarium wurde ausgebaut, um die Euro-Währung zu stabilisieren und einen Flächenbrand zu verhindern.
Beleg für Handlungsfähigkeit Europas
Der europäische Krisenfonds für finanzschwache Eurostaaten EFSF wird zwar nicht aufgestockt, kann aber unter anderem künftig vorbeugend Geld bereitstellen, falls Euro-Länder in Gefahr geraten. Ausserdem kann der EFSF erstmals auch zum Ankauf von Staatsanleihen genutzt werden. «Der Sondergipfel hat das Arsenal zum Kampf gegen die Schuldenkrise deutlich erweitert», erklärte die HSH Nordbank. Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) wertete das Paket als Beleg für die Handlungsfähigkeit Europas. «Europa hat in einer schwierigen Situation gezeigt, wie stark es ist». Der Beschluss der 17 Euroländer sei «ein wichtiges Signal für die Stabilität in der Eurozone».
Grösseres Hilfspaket geschnürt als erwartet
Neben Griechenland hängen bereits Irland und Portugal am internationalen Finanztropf. Zuletzt wuchs die Sorge, dass mit Spanien und vor allem dem hoch verschuldeten Italien erstmals ein wirtschaftliches Schwergewicht ins Taumeln gerät. Nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hat der Krisengipfel ein grösseres Hilfspaket für Griechenland geschnürt als erwartet. «Mit den gestrigen Beschlüssen dürfte die Staatsschuldenkrise zunächst abebben», schrieb er in einer ersten Analyse. Allerdings bestehe weiter Gefahr, weil der Abbau der Staatsverschuldung in vielen Ländern nicht so schnell vorankomme wie versprochen.
Reform- und Sparpolitik
Im Gegensatz zu anderen Ökonomen hält Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise einen Erfolg der griechischen Rettungsbemühungen für wahrscheinlich. «Die Reformen werden sich auszahlen», sagte er der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX. Wenn das Wirtschaftswachstum zurückkomme und die Arbeitslosigkeit sinke, werde sich auch der Blick der Finanzmärkte ändern. «So schnell wie sich die Beurteilung Griechenlands verschlechtert hat, kann sie sich auch wieder verbessern.» Entscheidend sei, dass Griechenland strukturelle Reformen umsetzt. «Viele Länder haben gezeigt, dass eine konsequente Reform- und Sparpolitik erfolgreich sein kann.»
Entspannung auch für Spanien und Italien?
Eine Trendwende in Griechenland könnte Spanien und Italien helfen, die zuletzt ins Visier der Märkte geraten waren. «Der jüngste Anstieg der Risikoaufschläge für diese Länder ist fundamental nicht gerechtfertigt», sagte Heise. Die auf dem Gipfel beschlossene Lösung, nach der beide Länder jetzt bei Bedarf Geld aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF erhalten können, um die Ansteckungsgefahr zu vermindern, hält Heise angesichts der Grösse der beiden Länder allerdings für wenig erfolgversprechend.
Der europäische «Marshall-Plan»
Griechenlands Finanzminister Venizelos versprach, dass sein Land den eingeschlagenen Sparkurs fortsetzen werde. Der Gipfelbeschluss «bedeutet nicht, dass unsere Bemühungen nachlassen dürfen», sagte er. Die Regierung müsse den Kampf gegen Steuerhinterziehung fortsetzen und Privatisierungen vorantreiben. Der europäische «Marshall Plan» werde Griechenland wieder auf Kurs bringen. Banken und Versicherungen sehen ihren freiwilligen Beitrag an dem neuen Hilfspaket für Griechenland als Opfer. «Ja, das trifft uns hart», sagte Deutsche-Bank-Vorstandschef Josef Ackermann am Donnerstagabend am Rande des Euro-Gipfels dem ZDF. Ackermann hatte als Vorsitzender des internationalen Bankenverbands IIF an dem Treffen teilgenommen. Die Abschreibungen, die die Banken auf griechische Positionen vornehmen, belaufen sich nach seinen Worten auf 21 Prozent.
«Das Restrisiko trägt der Steuerzahler»
Nach Einschätzung von Bankenprofessor Martin Faust kommt Europas Finanzbranche bei der Rettung Griechenlands mit einem blauen Auge davon. «Bei dem Rettungspaket verzichten die Banken zwar auf Milliarden, aber bei einem Verkauf ihrer Staatsanleihen am Markt hätten sie noch viel mehr verloren», sagte der Experte der Frankfurt School of Finance & Management im Gespräch mit dpa-AFX. Mit der Entscheidung der Euroländer sei die Schuldenkrise Griechenlands für die Branche ausgestanden. «Das Restrisiko trägt der Steuerzahler», sagte Faust. (awp/mc/ps)