Brüssel – Das pleitebedrohte Griechenland muss trotz harter Sparanstrengungen weiter auf eine feste Zusage für einen neuen Kredit warten. Die Finanzminister der Euro-Staaten und der Internationale Währungsfonds (IWF) konnten sich in der Nacht zum Dienstag nicht darauf einigen, in welcher Art und Weise dem Land Schuldenerleichterungen in Aussicht gestellt werden sollen.
IWF-Chefin Christine Lagarde hatte zuvor auf eindeutige Zusagen der Europäer zu Schuldenleichterungen für Athen gepocht. Davon macht der Fonds seine Beteiligung an weiteren Griechenland-Hilfen abhängig.
Dijsselbloem: Lösung «sehr nahe»
Die Vereinbarung solle nun beim nächsten Treffen am 15. Juni geschlossen werden, sagte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem nach Ende der Beratungen. Man sei einer Lösung bereits «sehr nahe». Griechenland steht wieder einmal unter Druck, weil die Regierung im Juli Schulden in Höhe von gut sechs Milliarden Euro zurückzahlen muss.
An wem die Einigung scheiterte, blieb zunächst unklar. Aus Verhandlungskreisen hiess es, Griechenland habe höhere Schuldenerleichterungen erreichen wollen, als von anderen Euroländern vorgeschlagen. Auch der IWF verlangte allerdings weitere Zugeständnisse und Details.
Der deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist deswegen in einer schwierigen Situation. Er pocht auf eine Beteiligung des IWF am Hilfsprogramm, will andererseits aber zum derzeitigen Zeitpunkt noch keine festen Zusagen für Schuldenerleichterungen machen.
Dijsselbloem erklärte, eine endgültige Entscheidung darüber solle wie vereinbart erst nach Ende des laufenden Hilfsprogramms 2018 fallen. Allerdings brauche der IWF schon jetzt genaue Angaben zu den dann möglichen Entlastungen.
Dijsselbloem beschrieb das Problem so: «Wir müssen genau sein, ohne eine endgültige Zahl zu nennen.» Grundsätzlich denkbar seien längere Zahlungsfristen für Kredite oder spätere Zinszahlungen. Bis zum Sommer solle der IWF seine Beteiligung als Geldgeber am aktuellen Hilfsprogramm zusagen.
Finanzminister Schäuble äusserte sich in der Nacht nicht zum Verlauf der Verhandlungen. Der neue französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire sagte, seiner Meinung nach habe sein deutscher Kollege «substanzielle Anstrengungen» unternommen. «Ich habe das Gefühl, heute hat jeder einen Schritt in die Richtung des anderen gemacht (….). Das macht die Stärke der deutsch-französischen Beziehungen aus», kommentierte er nach den Verhandlungen.
Konkrete Fortschritte gab es in Brüssel bei den Haushaltsvorgaben für Griechenland. Die Minister legten fest, dass das Land in den kommenden fünf Jahren einen sogenannten Primärüberschuss in Höhe von 3,5 Prozent erwirtschaften muss. Damit ist der Haushaltsüberschuss ohne die Kosten für den Schuldendienst gemeint.
Griechenland seit 2010 am Tropf der Euro-Staaten
Griechenland erhält mittlerweile seit 2010 internationale Kredite. Derzeit läuft das dritte, im Sommer 2015 vereinbarte Hilfsprogramm mit einem Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro. Zahlungen erhält Griechenland allerdings nur in Teilsummen. Ob die einzelnen Tranchen ausgezahlt werden, hängt unter anderem vom Fortschritt der Reformen ab, zu denen sich Athen im Gegenzug verpflichtet hat.
Um den Weg zu frischen Hilfskrediten zu ebnen, hatte Griechenland in der vergangenen Woche ein weiteres hartes Sparprogramm in Höhe von knapp fünf Milliarden Euro beschlossen. So sollen unter anderem die Renten ab dem 1. Januar 2019 um bis zu 18 Prozent gekürzt werden. Ein Jahr später soll der jährliche Steuerfreibetrag von heute 8636 Euro auf 5700 Euro gesenkt werden. Das soll jährlich mehr als zwei Milliarden Euro in die Staatskasse spülen.
Die Minister hätten die griechischen Sparbemühungen als ausreichend eingestuft, kommentierte der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos. Die «Qualität des Reformpakets» sei anerkannt worden. «In dem Bereich rechnet niemand mit Problemen.» (awp/mc/ps)