Ex-Deutsche-Bank-Chef Fitschen: Staatshilfe hätte Vorteile gehabt

Ex-Deutsche-Bank-Chef Fitschen: Staatshilfe hätte Vorteile gehabt
Jürgen Fitschen, ehemaliger Vorstandschef der Deutschen Bank. (Foto: Deutsche Bank)

Frankfurt – Die Deutsche Bank hätte nach Einschätzung ihres früheren Vorstandschefs Jürgen Fitschen in der Finanzkrise möglicherweise von Staatshilfe profitieren können. «Es wären Vorteile damit verbunden gewesen», sagte Fitschen anlässlich seines bevorstehenden 70. Geburtstages (1.9.) der Deutschen Presse-Agentur in Frankfurt. «Die nachhaltigen Korrekturen in den Bilanzen hätten schneller erledigt werden können. Das dauert hier in Europa zu lange.»

Vorgänger Josef Ackermann, der im Juni 2012 die Führung des grössten deutschen Geldhauses an die – inzwischen wieder abgelöste – Doppelspitze Jürgen Fitschen/Anshu Jain übergab, hatte im Herbst 2008 gesagt, er würde sich «schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden». Etliche Banken in Deutschland und Europa wurden in der Finanzkrise mit Steuermilliarden vor dem Kollaps bewahrt, in den USA zwang der Staat den Instituten Geldspritzen geradezu auf.

«Ob man es gut findet oder nicht: Man muss einfach sagen, die Art und Weise, wie die Krise in den USA bewältigt wurde, hat zu besseren Ergebnissen geführt. Die dortigen Banken haben sich schneller erholt», stellte Fitschen fest. US-Institute verdienen längst wieder gut, während hierzulande zehn Jahre nach der Finanzkrise die Aufräumarbeiten noch nicht abgeschlossen sind.

«Da wären uns viele weggelaufen»
Fitschen äusserte aber Verständnis für die damals ablehnende Haltung gegenüber Staatshilfen. «Dahinter stand eine berechtigte Furcht. Eine Furcht davor, dass der Staat dann einwirken will – beispielsweise auf die Bezahlung der Mitarbeiter. Für die Deutsche Bank hätte das bedeutet, dass wir in New York und London angetreten wären und hätten unseren Leuten dort sagen müssen: Ihr seid hervorragend, aber der deutsche Staat hat entschieden, Euer Gehalt zu deckeln. Und jetzt erwarten wir von Euch absolute Loyalität der Deutschen Bank gegenüber. Da wären uns viele weggelaufen», sagte Fitschen.

«Vielleicht hätte man das anders angehen und kommunizieren müssen», sagte Fitschen. Das oft kritisierte Investmentbanking sei jedenfalls nicht per se schlecht, betonte der gebürtige Niedersachse. «Man darf nicht verallgemeinern. Aber leider genügen in unserem System eine oder zwei Personen – und plötzlich ist der Ruf ruiniert.» Bei vielen globalen Banken sei in den Jahren vor der Finanzkrise 2007/2008 die Balance gekippt. «Die Fachleute auf der Produktseite bekamen immer mehr Oberwasser. Und dann haben einige Banken den Fehler gemacht, den Wert des Kunden nicht mehr ganzheitlich zu sehen», sagte Fitschen.

«Ackermann  hat Haus keineswegs besenrein übergeben»
«Die Konsequenzen der Exzesse, das Fehlverhalten Einzelner wurde später erst so richtig offenbar. Das war in der Aussenwirkung fatal. Der Aufarbeitung mussten wir uns stellen, dazu gab es gar keine Alternative.» Teure juristische Altlasten lähmten die Deutsche Bank über Jahre – «besenrein» hatte Ackermann das Haus also keineswegs übergeben. So etwas gehe auch gar nicht, meint Fitschen: «Das sagt man so salopp, aber es wird immer etwas da sein, was nicht zu Ende geführt ist.»

Manchem Kritiker gingen die Aufräumarbeiten des Duos Jain/Fitschen nicht schnell genug. Im Juli 2015 musste der Investmentbanker Jain Platz machen für John Cryan, Fitschen blieb noch bis zum Ablauf der Hauptversammlung Mitte Mai 2016 als Co-Vorstandsvorsitzender im Amt. Nach drei Verlustjahren in Folge wurde auch der zunächst als Sanierer bejubelte Brite Cryan wieder abgelöst: Seit diesem April führt der bisherige Privatkundenchef Christian Sewing den Dax -Konzern.

«Institution Deutsche hat Bank gelitten»
«Man muss konstatieren, dass die Institution Deutsche Bank gelitten hat durch die Prozesse und die Exzesse, die es von Einzelnen gegeben hat», resümierte Fitschen. «Unser gemeinsames Interesse muss sein, dass dem wirtschaftlichen Erfolg der Deutschen Bank wieder die Wertschätzung zukommt, die sie über Jahrzehnte genossen hat. Das muss im Vordergrund stehen.»

Denn Europa brauche starke Banken: «Europa läuft Gefahr, dass in einigen Bereichen europäische Banken zwischen der sehr starken Ertragskraft der Häuser in den USA und den Möglichkeiten der grossen chinesischen Banken eingequetscht werden und im globalen Konzert an Relevanz verlieren», warnte der ehemalige Bankenpräsident. (awp/mc/ps)

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