EY Bankenbarometer 2016: Kerngeschäft wieder im Fokus

EY Bankenbarometer 2016: Kerngeschäft wieder im Fokus
(Bild: © styleuneed - Fotolia.com)

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Zürich – Nachdem die Schweizer Banken ihre Ressourcen über Jahre auf die Bereinigung der Vergangenheit und die Umsetzung von neuen Regulierungen konzentriert haben, rückt jetzt die strategische Neuausrichtung und Weiterentwicklung des Kerngeschäfts in den Fokus. Die Transformation der Geschäftsmodelle ist in einem von Volatilität, Unsicherheit und Komplexität geprägten Marktumfeld sehr anspruchsvoll. Wie das EY Bankenbarometer 2016 zeigt, werden nicht alle Unternehmen den Strukturwandel schaffen: Erwartet wird eine Abnahme der Zahl der Banken, Filialnetze werden weiter gestrafft.

Partnerschaften mit Nicht-Banken, neue Märkte und Internationalisierung, Outsourcing und Offshoring: Diese drei Themen nennen die Banken am häufigsten auf die Frage nach den aktuellen Kernaufgaben. Im Fokus stehen strategische Neuausrichtung, profitable Ertragssteigerung und Effizienzsteigerung. Die Bewältigung regulatorischer Anforderungen ist für die 120 Institute (ohne die beiden Grossbanken), die für das EY Bankenbarometer 2016 befragt worden sind, von der ersten auf die sechste Stelle zurückgefallen.

«Um das Überleben langfristig zu sichern, genügen die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen und Massnahmen zur Effizienzsteigerung nicht. Entscheidend ist eine nachhaltige Verbesserung der Wertschöpfung. Damit rückt das Wesentliche wieder in den Vordergrund: die Bedürfnisse der Kunden», bringt Patrick Schwaller, Managing Partner FSO Assurance bei EY Schweiz, die Umfrageergebnisse auf den Punkt.

Kurzfristig mehr Personal benötigt
Im anspruchsvollen wirtschaftlichen Umfeld haben die Banken erneut zufriedenstellende Ergebnisse erzielt. 81 (im Vorjahr 88) Prozent der Unternehmen bewerten den operativen Geschäftsgang als positiv oder eher positiv. Etwas zurückhaltender fällt der Blick in die Zukunft aus ‒ noch 75 (84) Prozent erwarten in den kommenden zwölf Monaten eine Verbesserung der Ergebnisse. Die Banken erkennen, dass der strukturelle Transformationsprozess nicht umsonst zu haben ist, sondern gezielte Investitionen erfordert. Dies zeigt sich beim wachsenden Personalbedarf: 33 (24) Prozent der Institute wollen in den nächsten zwölf Monaten neue Stellen schaffen, der höchste Wert seit fünf Jahren.

Aber: «Der Trend zu mehr Personal wird sich nicht auf lange Zeit fortschreiben. Vielmehr werden Sourcing und strukturelle Effizienzsteigerungsprogramme mittelfristig dazu führen, dass Arbeitsplätze ausgelagert oder mit einer zunehmenden Automatisierung gestrichen werden», sagt Olaf Toepfer, Partner und Leiter Banking & Capital Markets bei EY Schweiz. Tatsächlich treiben die Banken Industrialisierung und Sourcing der Geschäftsprozesse voran; 89 (92) Prozent rechnen damit, dass diese beiden Themen in den nächsten Jahren an Relevanz gewinnen werden.

Ungenutztes Potenzial der Digitalisierung
Digitalisierung ist in vielen Branchen der zentrale Treiber des Wandels. Auch die Banken erkennen durchaus ein langfristiges Potenzial in dieser neuen Technologie. Aber derzeit verfügt nur ein Drittel der befragten Banken über eine Digitalisierungsstrategie. Und lediglich 27 Prozent rechnen damit, dass die technologische Entwicklung das Finanzgeschäft fundamental verändern wird. Eine Mehrheit von 67 Prozent erwartet, dass Digitalisierung letztlich bloss in Form zusätzlicher Vertriebskanäle genutzt wird.

«Die Banken erkennen durchaus das langfristige Potenzial, aber der konkrete Wert der Digitalisierung für die Wertschöpfung der Finanzindustrie bleibt offenbar noch unklar. Und vielen Banken mangelt es möglicherweise noch an Phantasie, konkreten Ideen und Initiativen, strukturelle Innovationen im Kern der Wertschöpfungskette anzugehen», sagt Marco Amato, Partner Wealth & Asset Management bei EY Schweiz.

Branchenfremde Konkurrenz als neue Bedrohung
Die Banken beginnen branchenfremde Konkurrenten ernst zu nehmen: Erstmals seit Durchführung der Studie rechnet mit 56 (44) Prozent eine Mehrheit der befragten Institute damit, dass ihre Marktstellung durch externe Anbieter bedroht wird. Dabei stehen nicht Start-ups aus dem FinTech-Segment, sondern die grossen Technologie- und Telekomfirmen im Vordergrund. Diese verfügen nicht nur über das Know-how und die Infrastruktur, um die an Bedeutung zunehmenden Rohstoffe Daten und Information gewinnbringend zu verwerten, sondern auch über die erforderlichen finanziellen Mittel, die hohen Eintrittsbarrieren in die regulierte Finanzindustrie zu überwinden.

«Den neuen Marktteilnehmern wird zugetraut, in wesentliche Segmente des Bankgeschäfts vorzudringen. Das fordert Banken heraus, die Kundenschnittstelle nicht nur zu verteidigen, sondern auch innovativer zu nutzen. Nebst intelligenten Digitalstrategien gilt es dabei vermutlich auch das Kundenerlebnis in den Bankfilialen zu stärken», sagt Patrick Schwaller.

Der Strukturwandel beschleunigt sich
Der Konsolidierungsprozess in der Schweizer Finanzindustrie gewinnt an Fahrt. 86 (79) Prozent rechnen damit, dass es in der Schweiz bis 2020 deutlich weniger Bankinstitute geben wird. Auch das Filialnetz wird gestrafft: 85 (76) Prozent gehen von einer signifikanten Reduktion aus.

«Seit 2010 sind über 60 Institute vom Schweizer Bankenmarkt verschwunden und über 200 Filialen geschlossen worden. Es ist zu erwarten, dass Dutzende weitere Banken die strukturelle Entwicklung nicht überstehen werden, weil sie zu wenig Kraft für die notwendige Weiterentwicklung aufbringen können. Mit der Bereinigung von Altlasten nehmen gleichzeitig bestehende Übernahmeunsicherheiten ab, was die Konsolidierung in den nächsten zwei Jahren noch beschleunigen wird», sagt Olaf Toepfer.

Negative Negativzinsen
Die Zins- und Währungsentscheide der Nationalbank setzen die Banken unter Druck. Dabei stellen die Negativzinsen die grössere Herausforderung dar ‒ sie drücken auf die Margen und erschweren die Bewirtschaftung von Bankbilanzen. Zudem wird es im aktuellen Umfeld anspruchsvoller, die wichtigen Finanzmodelle, die im Wesentlichen für das Positivzinsumfeld entwickelt wurden, zuverlässig zu interpretieren. Schliesslich erschweren die Negativzinsen auch die Anlagemöglichkeiten und reduzieren tendenziell das Transaktionsverhalten der Kunden.

«Die Negativzinsen geben falsche Signale im Umgang mit Kapital und Liquidität, was letztlich zu Fehlallokationen – mit noch nicht absehbaren langfristigen Konsequenzen – führen kann», warnt Patrick Schwaller. Ungeachtet dieser Herausforderungen wollen 70 Prozent der Institute davon absehen, ihren Privatkunden die Negativzinsen zu belasten.

«Mit gutem Grund: Eine allfällige Weiterbelastung würde wohl zusätzlich zu unerwünschten negativen Entwicklungen führen», ergänzt Schwaller.

Steigendes Risiko bei KMU-Krediten
Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses wirkt sich zunehmend auch auf das Kreditrisiko der Banken aus. Nicht weniger als 45 Prozent erwarten in den nächsten zwölf Monaten höhere Wertberichtigungen und Rückstellungen im Firmenkundengeschäft. Zahlreiche Banken rechnen damit, dass der starke Franken vermehrt Spuren auf dem Schweizer Wirtschafts­standort hinterlassen wird und exportorientierte KMU-Betriebe bei der Bedienung der Kredite vermehrt in Schwierigkeiten geraten. Dessen ungeachtet beabsichtigen die Banken nicht, die Kreditvergabe an KMUs einzuschränken.

Rückstand beim AIA
Der Automatische Informationsaustausch (AIA) kommt. Der Zeitrahmen für die Implementierung des AIA ist eng, müssen doch bereits die Kundendaten betreffend das Jahr 2017 an die teilnehmenden ausländischen Behörden gemeldet werden. Dennoch hat ein Viertel der befragten Banken offenbar noch kein entsprechendes Projekt lanciert. Die betroffenen Institute argumentieren neben den Kosten vor allem auch damit, dass klare Umsetzungsrichtlinien und Interpretationen bislang fehlten.

Weiterhin keine grossen Vermögensabflüsse
Der Trend zu mehr Steuertransparenz ist ungebrochen. Dennoch haben bis jetzt 66 (69) Prozent der Banken nach eigenen Angaben keine erheblichen Vermögensabflüsse registriert, bei den Privatbanken liegt der Anteil mit 53 Prozent etwas tiefer.

«Viele Banken sind in der Lage, die Abflüsse mit dem Zufluss neuer Gelder weitgehend zu kompensieren. Dem Schweizer Bankplatz gelingt es nach wie vor, substanziell Neugelder zu akquirieren. Die sicherheits- und stabilitätsrelevanten Merkmale des Finanzplatzes werden gerade in Zeiten von hoher Volatilität und Unsicherheit stark nachgefragt», sagt Marco Amato. (EY/mc/ps)

Informationen zur Studie
Das EY Bankenbarometer basiert auf der Befragung von 120 Führungskräften (Mitglieder der Geschäftsleitung) von verschiedenen Banken in der ganzen Schweiz, ohne die beiden Grossbanken. Bei 39% der befragten Institute handelt es sich um Privatbanken, bei 29% um Regionalbanken, bei 20% um Auslandsbanken und bei 12% um Kantonalbanken. 76% der Institute stammen aus der Deutschschweiz, 20% aus der Westschweiz und 4% aus dem Tessin. Die telefonische Befragung wurde im November 2015 im Auftrag von EY durch das unabhängige Marktforschungsinstitut Valid Research in Bielefeld durchgeführt.

Über die globale EY-Organisation
Die globale EY-Organisation ist eine Marktführerin in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Rechtsberatung sowie in den Advisory Services. Wir fördern mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Dienstleistungen weltweit die Zuversicht und die Vertrauensbildung in die Finanzmärkte und die Volkswirtschaften. Für diese Herausforderung sind wir dank gut ausgebildeter Mitarbeitender, starker Teams sowie ausgezeichneter Dienstleistungen und Kundenbeziehungen bestens gerüstet. Building a better working world: Unser globales Versprechen ist es, gewinnbringend den Fortschritt voranzutreiben – für unsere Mitarbeitenden, unsere Kunden und die Gesellschaft.
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Die EY-Organisation ist in der Schweiz durch die Ernst & Young AG, Basel, an zehn Standorten sowie in Liechtenstein durch die Ernst & Young AG, Vaduz, vertreten. «EY» und «wir» beziehen sich in dieser Publikation auf die Ernst & Young AG, Basel, ein Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited.

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