EY-Bankenbarometer: Gute Jahresergebnisse treffen auf mittelfristig eingetrübten Ausblick infolge Zinswende
Zürich – Die Schweizer Banken blicken erneut auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurück, sind aber weniger optimistisch für die nahe Zukunft eingestellt als noch vor Jahresfrist. Nicht nur infolge der Übernahme der Credit Suisse bilden sich auf dem Schweizer Finanzplatz neue Gleichgewichte.
Die Umfrageergebnisse des EY Bankenbarometers 2025 zeigen: Für die rund 100 befragten Finanzinstitute sind die zentralen Themen der kommenden Jahre die Optimierung der eigenen Ergebnisse hinsichtlich sinkender Zinsen, die fortlaufend verschärften Regulierungen und der richtige Umgang mit der künstlichen Intelligenz sowie Nachhaltigkeitsthemen. Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen EY Schweiz präsentiert die Studie in diesem Jahr zum 15. Mal.
Balanceakt zwischen Wachstum und Kosten
Die Schweizer Banken profitierten 2023 von einem Zinsboom, der durch höhere Zinsen und wenig Bewegung von Kundengeldern weg von niedrig verzinsten Konten begünstigt wurde. Dieser Boom endete jedoch 2024 abrupt durch Leitzinssenkungen der SNB. Als eine Folge erwarten laut der Umfrage 39% der Banken für 2024 sinkende Gewinne, und 40% rechnen auch mittelfristig mit einem Rückgang. Im Vorjahr gaben noch fast alle (87%) Banken steigende Gewinnerwartungen an. Langfristig bleiben die Aussichten jedoch optimistisch: 85% der Banken gehen von steigenden Erträgen aus.
Die Entwicklung der aktuellen operativen Geschäftstätigkeit variiert stark zwischen den Bankengruppen. Die Regionalbanken und Kantonalbanken, welche im vergangenen Jahr dank dem Zinsumfeld vielfach Rekordzahlen erwirtschaften konnten, sind stärker von Leitzinssenkungen und verändertem Kundenverhalten betroffen. Der Anteil negativ gestimmter Retailbanken ist mit 57% bei den Regionalbanken und 47% bei den Kantonalbanken folglich deutlich höher als derjenige der Privatbanken (27%) und der Auslandsbanken (26%). Gleichzeitig bleibt der Druck auf Kostensenkungen hoch: 39% aller Banken planen Effizienzsteigerungen.
Während der Negativzinsphase (2014–2021) führte ein starkes Kreditwachstum zu erheblich erweiterten Bankbilanzen, die nun als limitierender Faktor wirken. Das Wachstum des Kreditvolumens der vergangenen Jahre hat vor allem bei inlandorientierten Banken zu einem steigenden Bedarf an stabiler Refinanzierung in Form von Kundengeldern mit zeitlicher Anbindung geführt. Dies ist jedoch mit höheren Kosten verbunden, die Banken zu einem Balanceakt zwischen Wachstum und Kostendisziplin zwingen.
Banken profitieren immer weniger bei den Zinsmargen
Nach einer zweijährigen Phase steigender Zinsen kehrt der Trend der sinkenden Zinsmargen zurück. 74% der Banken erwarten in den nächsten zwei Jahren geringere Zins-Gewinnspannen. Dennoch rechnet nur jedes zehnte Finanzinstitut (10%) mit einem Rückgang auf das Niveau der Negativzinsperiode. Als primären Grund für den Margenrückgang geben 42% der befragten Unternehmen gestiegene Refinanzierungskosten an.
Die Übernahme der Credit Suisse hinterlässt Spuren. Im Firmenkundengeschäft beobachten zwei Drittel der Banken eine gestiegene Nachfrage nach Finanzierungen infolge des Wegfalls der Grossbank. Allerdings können nur 49% der Banken diese Nachfrage in höhere Margen umsetzen. Die langfristige Herausforderung bleibt die Bekämpfung der Margenerosion durch Verbesserungen im Kundenerlebnis und personalisierte Beratung. Patrick Schwaller, Assurance Leiter, Financial Services EY Schweiz, sagt zur Situation: «Das starke Bilanzwachstum der vergangenen Jahre wird nun zunehmend auch zu einem limitierenden Faktor. Die Banken werden im Finanzierungsgeschäft noch selektiver werden und müssen Einlagegelder längerfristig binden.»
Weiterhin grosses Vertrauen in Immobilienmarkt
Die sinkenden Zinsen stabilisieren den Immobilienmarkt, die Preise steigen weiterhin an. Die Grundpfandsicherheiten, welche rund drei Viertel (77%) der Kreditengagements der Banken ausmachen, nehmen in der Folge weiter an Wert zu. Zudem führt eine tiefere Zinsbelastung generell zu tieferen Ausfallquoten bei Krediten. Nur 7% der Banken erwarten steigende Wertberichtigungen auf Hypotheken. Dies ist der tiefste Wert seit Bestehen des Bankenbarometers (2010).
Auch bei KMU-Krediten bleibt der Risikovorsorgebedarf gering. Trotz einiger negativer Ausschläge, bedingt durch die rasanten Zinserhöhungen der letzten Jahre sowie die aktuell unsicheren wirtschaftlichen Zeiten (u. a. drohende US-Importzölle, Energiekosten, geopolitische Krisen), ist die Zuversicht der Banken mit einem Rekordwert hoch: Nur 33% der Schweizer Banken rechnen kurzfristig mit erhöhtem Risikovorsorgebedarf für ihre KMU-Finanzierungen. Es gibt aber signifikante Unterschiede. Die Kantonalbanken antworten mit Abstand am pessimistischsten: 65% der befragten Institute dieser Gruppe rechnen sowohl kurz- als auch langfristig mit einer Erhöhung der Wertberichtigungen bei KMU-Krediten. Ein möglicher Grund ist, dass dieses Bankensegment aufgrund der Nähe zu international operierenden Schweizer Mittelstandsunternehmen die Problematik früher erkennt als andere Institute.
Mehr Macht bei der FINMA erwartet
Trotz offener Fragen bei den Folgen des Niedergangs der CS besteht Konsens in der Finanzbranche: Der Fall steht für eine Zäsur bei der Aufsicht. Es wird zusätzliche Finanzmarktregulierungen geben und die FINMA wird mit mehr Aufsichtsinstrumenten ausgestattet werden. Unklar ist noch, welche Massnahmen und Instrumente das sein werden.
Den grössten Einfluss, um eine wirksame Aufsicht sicherzustellen, hätte für mehr als jede vierte Bank (28%) die Transparenz bei Enforcementverfahren. Das würde auch die explizite Nennung der betroffenen Personen im Sinne von «Name and Shame» sowie eine verstärkte Rechenschaftspflicht für Mitglieder des Managements umfassen («Senior Manager Regime»). Am wenigsten Wirksamkeit sehen die Banken bei der Ausweitung der aufsichtsrechtlichen Prüfungstätigkeit der FINMA. Lediglich 13% erachten dies als sinnvoll. Die Banken möchten ihre Prüfgesellschaften weiterhin selbst bestimmen und sind grossmehrheitlich gegen eine Direktmandatierung durch die Aufsichtsbehörden. Nebst dem problematischen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit der Banken stehen hier wohl auch Effizienzüberlegungen im Vordergrund.
Jede fünfte Bank regulatorisch am Anfang bei KI
Künstliche Intelligenz (KI) und GenAI werden zunehmend wichtiger. Auf der Prioritätenliste der Banken, bestehend aus 30 Themen, kletterte KI vom 19. auf den 6. Platz. Der Anteil der Banken, die KI bereits einsetzen, hat sich im Vergleich zum Vorjahr von 6% auf 15% mehr als verdoppelt. Die am häufigsten genannten Anwendungsbereiche sind Prozessautomation (55%) und Compliance (54%).
Trotz der zunehmenden Bedeutung von KI sind die Banken noch nicht vollständig auf regulatorische Anforderungen vorbereitet, insbesondere im Bereich des Datenschutzes. Jede fünfte Bank (19%) sieht sich als «gar nicht» vorbereitet, die für den Gebrauch von KI notwendigen regulatorischen Auflagen zu erfüllen.
Marcel Zünd, Leiter Business Consulting, Financial Services EY Schweiz, sagt dazu: «Eine durchdachte KI-Strategie und KI-Governance sind entscheidend, um die Risiken von KI zu minimieren und die Chancen zu realisieren.»
Nachhaltigkeit: die Balance finden zwischen Regulation und Kundennutzen
Nachhaltigkeit bleibt ein relevantes Thema, verliert jedoch an Priorität gegenüber IT-Themen wie KI und Big Data. Der Anteil der Banken, die Nachhaltigkeitskriterien in der Kreditvergabe anwenden, sank erstmals leicht von 72% auf 67%. Kunden zeigen eine Diskrepanz zwischen deklarierter Nachfrage und realem Investitionsverhalten in nachhaltige Produkte («Attitude-Behavior-Gap»). Fast keine der Banken (1%) sehen nachhaltige Angebote als Differenzierungsmerkmal. Die grösste Herausforderung im Bereich der Nachhaltigkeit liegt für die Banken in der Einhaltung der Berichterstattungspflichten (33%) und deutlich weniger in der Erfüllung von Kundenwünschen, was nur von 10% der befragten Finanzinstitute genannt wurde.
Die Bedeutung von Nachhaltigkeit bleibt dennoch hoch. Gerade die regulatorischen Vorschriften tragen ihren Teil hierzu bei – sei es über Berichterstattungspflichten oder über Vorgaben zur Erhebung von ESG-Präferenzen im Anlagegeschäft. Hinzu kommt für Banken die Gefahr von potenziellen «Greenwashing»-Vorwürfen, welche ein zunehmendes Reputationsrisiko darstellen.
Fazit
Fredrik Berglund, Senior Manager Audit, Financial Services EY Schweiz, fasst die Erkenntnisse des Bankenbarometer zusammen: «Die Schweizer Banken stehen vor einem anspruchsvollen Jahr 2025, geprägt von sinkenden Zinsen, Margenerosion und steigenden regulatorischen Anforderungen. Gleichzeitig bieten Anwendungsmöglichkeiten von KI enorme Chancen. Der Balanceakt zwischen Effizienz, Kundenorientierung und Kostendisziplin ist entscheidend für den langfristigen Erfolg.» (EY/mc/ps)