EY: Direktinvestitionen in Europa – Wirtschaft erholt sich langsam von Pandemie – Schweiz bleibt attraktiv

EY: Direktinvestitionen in Europa – Wirtschaft erholt sich langsam von Pandemie – Schweiz bleibt attraktiv
Michael Messerli, Leiter Strategy & Transactions bei EY in der Schweiz. (Foto: EY)

Zürich – Die Schweiz ist bei Investoren weiterhin ein beliebter Standort: Mit insgesamt 75 getätigten Direktinvestitionen im Jahr 2021 liegt sie auf Platz 16 in ganz Europa. Das ist trotz eines leichten Rückgangs im Verhältnis zur Grösse des Landes eine sehr gute Platzierung. Im Jahr 2020 erreichte die Schweiz Platz 14, im Jahr 2019 lag sie auf Platz 17. Das zeigt die neueste Studie zu Investitionsprojekten ausländischer Unternehmen in Europa der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY.

André Bieri, Markets Leader bei EY in der Schweiz sagt: «Für Investitionen aus Amerika und Asien ist die Schweiz nach wie vor ein stabiler und sicherer Hub für eine Expansion nach Europa.» Die Vorteile der Schweiz als Investitionsstandort liegen für Bieri auf der Hand: «Innovation, zentrale Lage, politische Sicherheit und gut ausgebildete Mitarbeitende kombiniert mit einer guten Steuerpolitik für juristische und natürliche Personen sind dabei der Schlüssel zum Erfolg.» Die globalen Steuerprogramme der OECD hätten jedoch Folgen für Investitionen aus Nachbarländern. «Künftig werden in der Schweiz wohl keine Investitionen mehr getätigt, mit dem einzigen Ziel, Steuern zu optimieren.»

Die EY-Studie untersucht 44 Länder Europas und zeigt auf, dass im Jahr 2021 insgesamt 5877 Direktinvestitionen getätigt wurden. Das entspricht einem Anstieg von 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr (5578). Die Top fünf der attraktivsten Investitionsstandorte in Europa im Jahr 2021 sind Frankreich mit 1222 Investitionen, Grossbritannien (993), Deutschland (841), Spanien (361) und die Türkei (264).

Die Entwicklung verlief je nach Branche und Land aber sehr unterschiedlich. In einigen Ländern und Branchen boomten die Investitionen, in anderen war die Entwicklung eher schwach.

Über einen längeren Zeitraum betrachtet, zeigen die erhobenen Daten auch, dass sich die Wirtschaft noch nicht ganz von den Folgen der Pandemie erholt hat: Zwar hat es eine Erholung auf Basis des BIP-Wachstums gegeben, die Direktinvestitionen haben aber noch nicht das Niveau wie vor Pandemieausbruch erreicht. In den Jahren von 2017 bis 2019 lag die Zahl der Direktinvestitionen in Europa jeweils deutlich über der 6000er-Marke. Der direkte Vergleich zwischen den Anzahl Investitionen im Rekordjahr 2017 (6653 Investitionen) und 2021 zeigt eine Differenz von 12 Prozent.

Schweizer Investitionen in Europa
Bei den in andere europäische Länder getätigten Investitionen schneidet die Schweiz 2021 sehr gut ab: Mit 238 Schweizer Investitionen liegt sie auf Platz 7 und gehört damit zu den Top Investoren in Europa. Schweizer Investitionen werden dabei vor allem in den grossen Volkswirtschaften getätigt: Primär in Frankreich mit 70 Investitionen im Jahr 2021, auf Platz zwei liegt Deutschland mit 48 und auf Platz drei Grossbritannien mit 23 Investitionen. Dahinter folgen Portugal (13), Spanien (11), Italien (10) sowie Serbien und Österreich in denen jeweils 7 Schweizer Investitionen gezählt wurden.

USA führend bei den Investitionen in Europa
Die meisten Investoren kommen wie schon in den Vorjahren aus den USA – diese haben im vergangenen Jahr 1167 Investitionen in europäischen Ländern getätigt. Aus Deutschland wurden 661 Investitionen gezählt, aus Grossbritannien 447 und die französischen Direktinvestitionen in andere europäische Länder lagen bei 298. Weiter in den Top Ten zu finden sind die Niederlande (267), China (259), Italien (203), Japan (172), und Schweden (167).

Schweiz als Standort – USA und China investieren mehr
Im Jahr 2021 waren die USA der wichtigste ausländische Investor in der Schweiz. Mit 24 der insgesamt 75 Investitionen wurde fast ein Drittel von US-Akteuren getätigt – im Jahr 2020 wurden noch 19 US-Investitionen verzeichnet. Auf Platz 2 dieser Rangliste liegt Deutschland mit 14 Investitionen – im Jahr 2020 waren es noch 27. Mit diesem Rückgang pendeln sich die deutschen Investitionen in der Schweiz auf dem Niveau von 2018 ein.

Demgegenüber sind die Investitionen aus Grossbritannien (Platz 3) von 7 im Jahr 2020 auf 9 im vergangenen Jahr angestiegen. Ein Anstieg ist auch für die von China getätigten Investitionen in der Schweiz zu verzeichnen: Im Jahr 2020 war nur eine registriert worden, im letzten Jahr waren es bereits 5 chinesische Investitionen. Die Zahl der französischen Investitionen ist von 8 im Jahr 2020 auf 4 im Jahr 2021 gesunken.

Das sind die attraktivsten Schweizer Branchen für Investoren
Die Schweiz und insbesondere der Standort Zürich haben sich in den letzten Jahren im Bereich der Internet-Technologie gut entwickelt. Auch 2021 gab es wieder 18 Direktinvestitionen in Schweizer Unternehmen im Bereich Software und IT Services. Michael Messerli, Leiter Strategy and Transactions bei EY in der Schweiz erklärt: «Schon vor Corona gab es eine Tendenz von erhöhten Investments in den Bereich IT, Internet und Software, weil dort generell hohe Wachstumsraten erwartet werden. Nachdem 2020 zu Anfangszeiten von Corona noch etwas Zurückhaltung geherrscht hat, hat der Bereich im Jahr 2021 eine sehr hohe Aufmerksamkeit erfahren.»

In den Regionen Basel, Zug und auch in der Westschweiz haben sich ausländische Unternehmen aus der Pharma-, Life Sciences- und Biotech-Branche angesiedelt. 15 Investitionen wurden letztes Jahr in dieser Branche getätigt. Dahinter folgen die Finanz- und die Dienstleistungsbranche mit 14, beziehungsweise 12 getätigten Investitionen. Bei letzterer ist ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen, so wurden im Jahr 2020 noch 19 Investitionen in Dienstleistungsunternehmen registriert. «Im Vergleich zur IT-Branche hatte die Pandemie den gegenteiligen Effekt auf den Dienstleistungssektor», sagt Messerli. Zu den bekanntesten Unternehmen, in welche in der Schweiz investiert wurde, gehören Google, Zalando, Lidl, Decathlon, DHL und die Bank of China.

Investitionspläne in Europa und die Folgen der weltpolitischen Lage
Im Jahr 2022 haben sich die Investitionspläne in Europa gegenüber dem Niveau von 2020 fast verdoppelt, was die Erholung der Region und das Vertrauen internationaler Investoren widerspiegelt. 2021 waren die Pläne der Unternehmen bereits auf dem höchsten Stand seit der Finanzkrise. Es ist weniger die begeisterte Wahrnehmung von Europa, sondern ergibt sich aus der Notwendigkeit für Unternehmen, die Anfälligkeit und Abhängigkeit der Lieferketten zu verringern und die steigenden Kosten für Fernfracht zu mindern.

Der Krieg in der Ukraine könnte sich auf die ursprünglichen Investitionspläne für 2022 auswirken. 79 Prozent der vor dem 1. März befragten Unternehmen planten im nächsten Jahr in Europa zu investieren. Bei den nach dem 1. März Befragten sinkt dieser Anteil auf 48 Prozent.

Europas Attraktivität im Jahr 2022 ist deutlich geringer, liegt aber weltweit immer noch an der Spitze. Die langfristigen Aussichten für Europa scheinen ermutigend: Auf die Frage, welche Regionen am attraktivsten für die Niederlassung sind, antworteten 60 Prozent der befragten Unternehmen mit «Westeuropa». 43 Prozent davon nennen «Mittel- und Osteuropa». Auch wenn die Ergebnisse niedriger ausfallen als 2021 (81 Prozent bzw. 47 Prozent), wird Europa voraussichtlich am attraktivsten für ausländische Investitionen sein.

«Gleichzeitig bedeutet das neue geopolitische und wirtschaftliche Umfeld, das vor allem durch den Krieg in der Ukraine entstanden ist, dass die unmittelbare Attraktivität Europas für Investitionen in Frage gestellt sein könnte», sagt Messerli. Die langfristige Attraktivität Europas bleibt jedoch robust: 64 Prozent der vor dem 1. März 2022 befragten Investoren glauben, dass sich die Attraktivität Europas in den nächsten drei Jahren verbessern wird.

Pandemie und Krieg haben Folgen für Lieferketten und Investitionen
«Die immer noch aktuelle Pandemie und der Krieg in der Ukraine sind Ereignisse, die vermehrt zu einer Umstrukturierung internationaler Lieferketten und Geschäftsmodellen Richtung Nachhaltigkeit führen, was auch Folgen für Investitionen haben wird», erwartet André Bieri. «Die ehemals etablierten und kostenoptimierten globalen Lieferketten zeigen sich als weniger belastbar als erwartet. Als Konsequenz rückt nun der europäische Heimatmarkt wieder stärker in den Fokus – auch als Produktionsstandort.»

Projekte in den Bereichen Fertigung, Logistik und Forschung und Entwicklung nahmen 2021 um 22 Prozent zu, was auch auf die Umstrukturierung der Lieferketten zurückzuführen ist, die sich fortsetzen dürfte.

In der Unternehmensbefragung gaben 53 Prozent der Manager in Europa an, dass sie ihre Lieferketten so umgestalten, dass die Produktion in die Nähe des Absatzmarktes gerückt wird – vor einem Jahr hatten nur 23 Prozent der Unternehmen solche Pläne.

43 Prozent der Unternehmen beabsichtigen, eine Rückverlagerung von Tätigkeiten auf den Heimmarkt vorzunehmen – verglichen mit 20 Prozent vor einem Jahr.

„In den kommenden Jahren werden europäische Unternehmen vermehrt wieder in Europa investieren. Zum einen dürfte in die Bereiche Produktion und Logistik investiert werden, was zum Vorteil des Industriestandorts Europa sein wird“, sagt Bieri und fügt an: «Die Ablösung von Öl und Gas wird vermehrte Investitionen in grüne Energieprojekte in Europa zu Folge haben.»

«Die weltweite Arbeitsteilung war sehr kosteneffizient. Eine Regionalisierung dieser globalen Prozesse wird bei den Unternehmen zu signifikant steigenden Kosten führen» sagt Bieri. Diese werden wohl zu grossen Teilen an Abnehmer und Kunden weitergegeben werden müssen. Aber auch andere Faktoren führen zu steigenden Kosten: «Anhand der Inflationsraten ist schon jetzt eine generelle Kostensteigerung sichtbar. Die Gründe sind die anhaltenden Schwierigkeiten mit den Lieferketten, die Produktion in ehemaligen Niedriglohnländern und vor allem die Energiekosten für Transport.» Somit sind europäische Produktionsstandorte wieder attraktiv geworden, insbesondere in Kombination mit der erhöhten Digitalisierung und Automatisierung der Produktion. (EY/mc/ps)

Über die Studie
Für die EY Studie werden Investitionsprojekte erfasst, die zur Schaffung neuer Standorte und neuer Arbeitsplätze in Europa führen. Zudem wurde für die Studie eine Befragung von 500 Entscheidungsträgern bei international tätigen Unternehmen durchgeführt. Die Studie basiert auf den Daten des EY European Investment Monitor (EIM). Der Monitor umfasst Investitionsprojekte, die zur Schaffung neuer Standorte und/oder neuer Arbeitsplätze geführt haben. Portfolio Investments und Mergers & Acquisitions werden nicht berücksichtigt. Die Studie wird jährlich durchgeführt und veröffentlicht.

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