EY: Medtech – Schleppendes Wachstum und viele ambivalente Signale
(Foto: Fasmed)
Zürich – Die Umsätze der Medtech-Unternehmen in den USA und Europa steigen 2014 um nur zwei Prozent auf 341,8 Milliarden US-Dollar. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung legen gemäss dem neuen EY-Medtech-Report um sechs Prozent zu. Fast verdoppelt hat sich das Volumen der neuen Finanzierungen zwischen Juli 2014 und Juni 2015. Gleichzeitig trieben die Unternehmen Fusionen und Übernahmen auf einem hohen Niveau voran. Die Zahlen geben Anlass zur Sorge; die Branche muss in Zukunft den Wert ihrer Produkte noch besser darlegen können. Besonders herausfordernd ist die Situation für Start-ups, unter anderem weil die Risikokapitalgeber sich abwenden und Unsicherheiten bezüglich Kostenübernahme durch die Krankenkassen bestehen.
Die Medizinaltechnik-Branche in den USA und Europa legt mit zwei Prozent weiterhin ein langsames Umsatzwachstum hin und ist in den letzten fünf Jahren nur einmal schneller gewachsen. Das Wachstum wurde vornehmlich getragen von Unternehmen, die sich nur auf die Medizintechnik konzentrieren und ihren Umsatz um fünf Prozent steigern konnten. Bei den Mischkonzernen ging der Medtech Umsatz dagegen insgesamt leicht zurück, wie dem soeben erschienenen jährlichen Bericht über die Medizinaltechnikbranche (Pulse of the Industry) des Beratungs- und Prüfungsunternehmens EY entnommen werden kann. Das lag unter anderem daran, dass sich grosse Mischkonzerne wie Johnson&Johnson oder Siemens von ihren Beteiligungen an der Medizintechnik trennten.
«Die niedrigen einstelligen Wachstumszahlen der Branche geben Anlass zur Sorge. Innovationen, die wirklichen Durchbruch bringen, sind selten – dabei wären sie wichtige Wachstumstreiber. Weil organisches Wachstum so schwer ist, versuchen viele Medizintechnikunternehmen, durch Übernahmen bereits erfolgreiche Produkte in ihr Portfolio zu holen. Deswegen bleibt der M&A-Markt auf einem sehr hohen Niveau», kommentiert Jürg Zürcher, Life Science Leader Switzerland bei EY, die aktuelle Entwicklung der Branche.
Moderates Wachstum und Konsolidierung
Die US-amerikanischen Medizintechnikkonzerne (+3%) konnten ihre Umsätze deutlich stärker steigern als ihre europäischen Pendants (+1%). Die US-amerikanischen Unternehmen (+1%) stockten auch ihren Personalbestand vorsichtiger auf als die Europäer (+4%). Gesamthaft arbeiteten Ende 2014 678‘500 Menschen im Medtech-Sektor, zwei Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Dagegen zogen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung weiter an – 14,3 Milliarden US-Dollar und damit sechs Prozent mehr (Vorjahr +7%) erhielten die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Damit sind die Mittel seit 2009 jedes Jahr gestiegen. Das Tempo gaben auch hier die Unternehmen in den USA vor mit einem Wachstum um sieben Prozent. In Europa waren es im Vergleich dazu lediglich drei Prozent.
«Investitionen in erfolgreiche Innovationen sind nach wie vor ein zentraler Erfolgsfaktor der Branche. Die Unternehmen müssen den Patienten, die ihre Prothesen, Implantate und Diagnosegeräte anwenden, den Versicherungen und dem Staat, die einen Grossteil der Kosten tragen, sowie ihren Investoren glaubhaft vermitteln, welchen Nutzen diese Innovationen haben und welchen Mehrwert sie schaffen. Dies wird gerade vor dem Hintergrund strengerer Vorschriften für den Markteintritt in den USA noch wichtiger», sagt Zürcher. Die Branche werde sich zudem nicht ewig auf ein positives Zinsumfeld verlassen können. Weiter sei offen, ob die höheren Ausgaben für Forschung und Entwicklung tatsächlich ein Anzeichen für mehr Innovation sind oder ob Innovation einfach nur teurer wird.
Börsengänge als wichtige Kapitalquelle
Das Finanzierungsvolumen in dem im Juni 2015 endenden Zwölfmonatszeitraum beträgt fast 50 Milliarden US-Dollar – und hat sich damit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum knapp verdoppelt. Getrieben wurde diese Entwicklung insbesondere durch die historisch niedrigen Zinsen, die vor allem reifere Unternehmen für umfangreiche Finanzierungen mittels Fremdkapital (Kredite) nutzen konnten. Das hat alleine das Volumen an Kreditaufnahmen von 19,8 Milliarden US-Dollar auf 40,8 Milliarden US-Dollar hochschnellen lassen.
Weiter war die Rekordsumme für Börsengänge zwischen Juli 2014 und Juni 2015 in Höhe von 2,3 Milliarden US-Dollar eine sehr erfreuliche Nachricht für die Branche – eine Steigerung gegenüber dem vorhergehenden Zeitraum um 57 Prozent. «Die Medizintechnikbranche profitiert hierbei eindeutig vom Höhenflug des Biotech-Sektors und dessen robusten Börsenbooms», unterstreicht Zürcher. «Es wird entscheidend sein, wie das dadurch erzeugte Interesse des Kapitalmarkts an High-Tech-Entwicklungen insgesamt nachhaltig aufrechterhalten werden kann.»
Anteil am gesamten Wagniskapitel gesunken
Die Mittel für Start-ups stagnieren dagegen seit Jahren unterhalb der Fünf-Milliarden-Dollar-Marke und gingen im untersuchten Zeitraum leicht um 2,5 Prozent auf 4,7 Milliarden Dollar zurück. Dieser Trend erschwert es Start-ups im Anfangsstadium, Mittel zu erhalten. In einem Umfeld, in dem weltweit über alle Industrien hinweg so viel Venture Capital wie nie zuvor zur Verfügung steht, stagniert ausgerechnet der Venture-Capital-Markt für Medizintechnikunternehmen. 2014 konnte sich die Medizintechnikbranche nur noch 5,9 Prozent vom Venture-Capital-Kuchen sichern. Seit dem Jahr 2008/09, als die Branche noch 12,7 Prozent verbuchen konnte, ist der Anteil Jahr für Jahr gesunken.
Insgesamt kamen zwischen Juli 2014 und Juni 2015 knapp 4,5 Milliarden US-Dollar an –6,4 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. «Investoren wenden sich wieder mehr dem zurzeit attraktiveren Biotech-Sektor zu. Gerade in den frühen Stadien haben Start-ups grosse Probleme, frisches Kapital zu erhalten. Die Folge: Wenige, vielversprechende Start-ups erhalten grössere Teile vom Kuchen», sagt Zürcher.
Mehr Transaktionen aufgrund des niedrigen Zinsniveaus
Dass die Medizintechnikunternehmen Zugriff auf so viel Fremdkapital wie nie zuvor hatten, befeuerte auch den M&A-Markt: Alleine Medtronic konnte sich zur Finanzierung der im Januar 2015 beendeten Übernahme von Covidien 17 Milliarden US-Dollar sichern. Weitere 18 Milliarden US-Dollar sicherten sich Becton Dickinson, Zimmer und Boston Scientific für Übernahmen. Damit vereinten die vier Unternehmen alleine über 85 Prozent des gesamten Fremdkapitals auf sich.
Die gesamten Aktivitäten haben jedoch nachgelassen: Das Volumen ging im Zwölfmonatszeitraum bis Ende Juni 2015 um 31 Prozent auf 58,4 Milliarden US-Dollar zurück. Allerdings verzerrt der Megadeal von Medtronic im Vorjahr die Statistik. Ohne diesen Deal und ohne Berücksichtigung entsprechender Megadeals aus 2015 (z.B. Danaher/Pall; Becton Dickinson/CareFusion) steigt das Volumen im Jahr 2014/15 im Vergleich um robuste 13 Prozent.
«Der M&A-Markt wurde zusätzlich getragen von den Bemühungen vieler Big Player, ihre Geschäftsausrichtung stärker zu fokussieren und sich deshalb von Teilen ihrer Medizintechnik zu trennen», kommentiert Zürcher: «Insgesamt stand wieder viel Geld zur Verfügung – allerdings verteilt es sich auf immer weniger Akquisitionen. Käufer konzentrieren sich auf grössere und teurere, dafür aber reifere Unternehmen. Sie können im Idealfall mit bereits erfolgreichen Produkten zum Wachstum des Gesamtkonzerns beitragen.»
Mehr Informationen sowie die gesamte Studie finden Sie hier: www.ey.com/Pulse. (EY/mc/ps)
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