EY: Weltweiter Einbruch der Börsengänge im Jahr 2016

EY: Weltweiter Einbruch der Börsengänge im Jahr 2016

Zürich – Ölpreisschwankungen, das Brexit-Votum und zuletzt die US-Wahl hielten Marktteilnehmer 2016 in Atem und führten zu Rückgängen auf dem weltweiten IPO-Markt. So sank die Zahl der IPOs (Initial Public Offering, Börsengang) gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent auf 1‘055, das Emissionsvolumen ging sogar um ein Drittel auf noch 135 Milliarden US-Dollar zurück. Trotz der deutlichen Einbussen lag 2016 damit allerdings im historischen Durchschnitt.

Vor allem in den USA und Europa waren kräftige Rückgänge zu verzeichnen: In den USA sank die Zahl der Transaktionen um 36 Prozent auf 112 Börsengänge, während das Emissionsvolumen um 37 Prozent auf 21,3 Milliarden US-Dollar sank. Damit war 2016 in den USA das schlechteste IPO-Jahr seit dem Krisenjahr 2009. In Europa waren noch stärkere Einbussen zu verzeichnen: Die Zahl der IPOs ging um 36 Prozent auf 174 zurück, das von Börsenneulingen eingesammelte Kapital sank sogar um fast die Hälfte (49 Prozent) auf 37,7 Milliarden US-Dollar. Nur leicht rückläufig war die Zahl der Börsengänge hingegen in China (minus sechs Prozent auf 331) – das dort erzielte Emissionsvolumen sank allerdings um 23 Prozent auf 46,2 Milliarden US-Dollar.

Die Ergebnisse des aktuellen weltweiten IPO-Barometers des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY zeigen, dass die Zahl der IPOs im vierten Quartal gegenüber dem dritten Quartal um ein Viertel stieg – an das starke Schlussquartal des Vorjahres reichte es aber nicht ganz heran. So lag die Zahl der Börsengänge zwischen Oktober und Dezember mit 334 um drei Prozent niedriger als im vierten Quartal des Vorjahres, insgesamt sammelten Börsenneulinge 50,9 Milliarden US-Dollar ein – ein Viertel weniger als im Vorjahreszeitraum.

«Nach dem guten IPO Jahr 2015 verlief das Jahr 2016 eher enttäuschend – sowohl in Europa als auch in den USA», resümiert Roger Müller, Partner und IPO Leader bei EY Schweiz. «In den Vereinigten Staaten verharrten etliche Kandidaten angesichts der Präsidentschaftswahl in Wartestellung, und in Europa bremste der Markt nach dem Brexit-Votum abrupt ab. Obwohl sich die Bewertungen in der zweiten Jahreshälfte gut entwickelten, war das Marktumfeld weiter von Unsicherheit und Vorsicht geprägt. Diverse Unternehmen legten ihre Börsenpläne vorläufig auf Eis oder entschieden sich für alternative Transaktionsformen – etwa einen Verkauf an strategische Investoren oder Finanzinvestoren wie Beteiligungsgesellschaften.»

Deutsche Innogy weltweit zweitgrösster IPO
Die grösste Transaktion des Jahres war der Börsengang der Postal Savings Bank of China im dritten Quartal 2016, der 7,6 Milliarden US-Dollar einbrachte. Auf Platz zwei folgte die Erstnotiz der Deutschen RWE-Ökostromtochter Innogy mit einem Emissionserlös von umgerechnet 5,2 Milliarden US-Dollar. Das Innogy-IPO war zudem der grösste Börsengang Europas im vergangenen Jahr und der weltweit grösste im vierten Quartal. In Europa entwickelten sich alle grossen Börsenplätze schwächer als 2015. Die meisten Transaktionen und das höchste Emissionsvolumen verzeichnete zwar wie schon im Vorjahr London mit 55 IPOs im Wert von 7,2 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das allerdings einem Rückgang um 11 Prozent bei der Zahl der Transaktionen bzw. um 52 Prozent beim Emissionsvolumen.

Schweizer Life Sciences IPOs
In der Schweiz stieg die Zahl der Börsengänge im Vergleich zum IPO-Jahr 2015 von zwei auf sechs, das Emissionsvolumen sank jedoch von 2,65 Milliarden auf 989,5 Millionen US-Dollar, was auf den aussergewöhnlich grossen Sunrise-IPO aus dem Vorjahr zurückzuführen ist. Vier der sechs Schweizer Unternehmen liessen sich 2016 an ausländischen Börsen nieder. Die in der Alzheimerbekämpfung tätige AC Immune sowie die im Bereich Gen-Editierung tätige Firma Crispr Therapeutics zog es an die amerikanische Nasdaq, der Netzwerkdienstleister TalkPool wurde im Mai 2016 an der Nasdaq First North in Stockholm gelistet und GeNeuro, die Therapien gegen Autoimmunerkrankungen entwickelt, liess sich in Paris an der Euronext nieder. Lediglich der Vakuumventilhersteller VAT und die Investis Holding, eine schweizweit tätige Anbieterin im Bereich Real Estate Services, liessen sich an der SIX Swiss Exchange in Zürich kotieren.

«Wie erwartet, konnte der Markt in der Schweiz hinsichtlich Volumen nicht an das gute Vorjahr anknüpfen – obwohl mehr Unternehmen den Sprung aufs Börsenparkett gewagt haben», kommentiert Müller. «2016 war vor allem für die Schweizer Unternehmen aus der Life Sciences Branche ein gutes Börsenjahr. Allerdings liessen sich diese Firmen allesamt an ausländischen Börsen listen. Gerade die Nasdaq übt aufgrund der starken Verankerung der Industrie und der guten Investitionsbedingungen eine grosse Sogwirkung auf Schweizer Unternehmen aus.»

Asien dominiert weltweiten IPO-Markt
Asien war auch 2016 der Motor des weltweiten IPO-Geschehens: Hier fanden 61 Prozent aller Börsengänge statt – insgesamt 641. Und mit 70,3 Milliarden US-Dollar entfielen 53 Prozent des weltweiten Emissionsvolumens auf die asiatischen Börsen. Neben dem IPO-Schwergewicht China, das bei der Zahl der IPOs leichte und beim eingeworbenen Kapital deutlichere Einbussen verzeichnete, waren Japan (89 IPOs, 9,3 Milliarden US-Dollar Emissionsvolumen) und Süd Korea (60 IPOs, 5,4 Milliarden US-Dollar) regionale Schwerpunkte des IPO-Geschehens. Im Vergleich zum Vorjahr entwickelte sich vor allem der indische Markt sehr stark: Die Zahl der Börsengänge in Indien stieg um 38 Prozent auf 83, die Erlöse legten sogar um 79 Prozent auf 3,8 Milliarden US-Dollar zu.

Ausblick: China bleibt stark, Wachstum in den USA – Vorsicht in Europa
Nachdem in diesem Jahr der US-Markt auf den tiefsten Stand seit 2009 fiel, deutet sich für 2017 eine Wende zum Positiven an, so Müller: «In den USA steht eine ganze Reihe möglicher Technologie-IPOs bevor, was auch auf Europa ausstrahlen dürfte. Mehrere grosse Unternehmen wie Spotify oder Dropbox werden als IPO-Kandidaten für 2017 gehandelt und weitere könnten durchaus folgen.»

Mit einer Beruhigung des politischen und wirtschaftlichen Umfelds rechnet Müller allerdings vorerst nicht: «Auch 2017 wird turbulent bleiben – mit dem Brexit und dem Ausgang der US-Wahlen werden Veränderungen erwartet, die Auswirkungen auf die Märkte und Börsenkandidaten haben. Zudem stehen in Europa diverse Wahlen an und die Schuldenkrise könnte erneut in den Vordergrund rücken. In den USA wird die neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen und neue Akzente setzen, zudem stehen womöglich neue Zinsschritte an». Vor diesem Hintergrund rechnet Müller nicht mit einer durchgreifenden Belebung des Marktes in der Schweiz: «Hierzulande scheinen mehrere Börsengänge realistisch. Sollte sich in der ersten Jahreshälfte mehr Klarheit über die Auswirkungen des Brexit und der neuen US-Politik ergeben, könnte es auch wieder mehr Börsengänge geben. Impulse sind vor allem von kapitalsuchenden Technologieunternehmen, mittelgrossen Unternehmen und Finanzinvestoren zu erwarten, die ihre Beteiligungen an die Börse bringen. Wie in diesem Jahr wird aber auch 2017 das IPO-Fenster immer nur kurz geöffnet sein. In einem durch die anstehenden geopolitischen Veränderungsprozesse zu erwartenden volatilen Umfeld müssen Börsenkandidaten also sehr gut vorbereitet und flexibel sein», betont Müller. (EY/mc)

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