Mario Draghi, Präsident EZB. (Bild: EZB)
Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihr Versprechen bekräftigt, die Leitzinsen auf absehbare Zeit niedrig zu halten. Es sei über einen längeren Zeitraum mit Zinsen auf dem gegenwärtigen Niveau von 0,5 Prozent oder darunter zu rechnen, heisst es im Monatsbericht der Notenbank vom Donnerstag. Diese Zusage – im Fachjargon ist von «Forward Guidance» die Rede – hatte die EZB erstmals im Juli dieses Jahres gegeben. Damit will sie die Marktzinsen zwecks Konjunkturstützung niedrig halten.
Besondere Aufmerksamkeit will die EZB dem Geldmarkt schenken. Dort, wo die Geschäftsbanken mit freier Liquidität handeln, waren die Zinskosten in den letzten Monaten zeitweise deutlich gestiegen. Als wichtiger Grund gilt die näherrückende geldpolitische Wende in den USA. Darüber hinaus haben die europäischen Banken bereits einen guten Teil ihrer langfristigen EZB-Notkredite von Ende 2011 und Anfang 2012 zurückgezahlt. Die Überschussliquidität ist entsprechend deutlich gesunken, was die Geldmarktsätze steigen lässt.
Der EZB-Rat sei bereit, alle zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen, heisst es im Monatsbericht der Notenbank. Marktteilnehmer spekulieren seit längerem auf eine neue Geldspritze der EZB mit einer extrem langen Laufzeit von mehreren Jahren.
Draghi: Gemeinsame Bankenabwicklung in Europa ab 2015 möglich
EZB-Präsident Mario Draghi hält gemeinsame europäische Regeln zur Abwicklung von Krisenbanken ab 2015 für möglich. «Wir glauben fest daran, dass ein einheitlicher Abwicklungsmechanismus Anfang 2015 in Kraft treten kann», sagte Draghi laut Redetext am Mittwoch (Ortszeit) bei einem Auftritt an der Harvard Kennedy School in Cambridge (USA).
Bereits im Herbst 2014 soll die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Arbeit als zentrale Aufsicht über die etwa 130 grössten Banken im Euroraum beginnen. Als weitere tragende Säule der Bankenunion wollen sich die EU-Staaten bis Ende dieses Jahres auf eine Lösung zur Bankenabwicklung verständigen. Noch ist umstritten, wer bei der Schliessung von Krisenbanken das letzte Wort haben soll: die EU-Kommission oder nationale Aufsichtsbehörden.
«Zweifelsohne kann die Bankenunion eine bedeutende Rolle dabei spielen, den Teufelskreis zwischen Banken und ihren Staaten zu durchbrechen», erklärte Draghi. «Aber auch die Regierungen haben eine Verpflichtung sicherzustellen, dass Staatsanleihen ihrer Funktion im Finanzsystem gerecht werden: eine risikofreie, sichere Anlage zu sein.»
Wachstum in der Eurozone schwächt sich ab
Die Wirtschaft in der Eurozone kann das Wachstumstempo aus dem Frühjahr aus Sicht der EZB nicht halten. «Die jüngsten Daten zur Industrieproduktion deuten auf eine leichte Wachstumsabschwächung zu Beginn des dritten Quartals hin», schreibt die EZB in ihrem Monatsbericht weiter. Einen Rückfall in die Rezession erwarten die Notenbanker aber nicht, die Vertrauensindikatoren liessen eine allmähliche Konjunkturerholung erwarten. Im zweiten Quartal war die Wirtschaft im Euroraum zum Vorquartal um 0,3 Prozent gewachsen. Damit wurde die seit Herbst 2011 anhaltende Rezession beendet.
Die Produktion wird sich nach der Prognose der EZB-Experten langsam beleben, auch weil die lockere Geldpolitik die Binnennachfrage ankurbelt. Der private Konsum werde zusätzlich durch die niedrigere Inflation angetrieben, die sich zuletzt positiv auf die Realeinkommen ausgewirkt habe. Im September sank die Jahresteuerung in den 17 Euroländern auf 1,1 Prozent.
Hoffen auf Weltkonjunktur
Auch von der Weltwirtschaft erwartet die EZB wieder mehr Impulse: Die Konjunktur werde von einer Zunahme der Auslandsnachfrage nach Exporten des Euroraums profitieren. Nach wir vor setzen die Währungshüter darauf, dass die bessere Stimmung an den Finanzmärkten sowie die Fortschritte bei der Konsolidierung der Haushalte in den Krisenländern auch auf die Realwirtschaft durchschlagen.
Doch die Arbeitslosigkeit im Eurogebiet ist nach wie vor hoch, und die Anpassungen im öffentlichen und im privaten Sektor werden die Wirtschaftsentwicklung nach Überzeugung der Notenbank weiter belasten. Noch hält die EZB daher an ihrem insgesamt skeptischen Ausblick fest. Damit begründet sie auch den extrem niedrigen Leitzins von 0,5 Prozent – den Sparer mit realen Verlusten auf Sparbüchern und Tagesgeldkonten bezahlen. (awp/mc/ps)