EZB-Chef Mario Draghi. (Foto: EZB)
Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt trotz wirtschaftlicher Erholung bei ihrem Kurs des billigen Geldes. «Die Geldpolitik wird so lange wie nötig locker bleiben», sagte Notenbankchef Mario Draghi in Frankfurt. Er bekräftigte das Versprechen, die Zinsen «über einen längeren Zeitraum» niedrig zu halten. Zuvor hatte die EZB den Leitzins auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent bestätigt.
Die Währungshüter befinden sich in einer Zwickmühle: Erst im Juli hatten sie den Finanzmärkten dauerhaft billiges Geld versprochen. Trotzdem haben die Kreditkosten im Währungsraum zuletzt zugelegt und drohen so, die wirtschaftliche Erholung abzuwürgen. Grund ist die nahende geldpolitische Wende in den USA. Da die US-Notenbank Fed bald auf einen etwas weniger expansiven Kurs umschwenken dürfte, treibt sie die Zinsen an den Anleihemärkten – auch im Euroraum – nach oben.
Zinssenkung nicht ausgeschlossen
EZB-Präsident Draghi versucht sich mit der Ankündigung langfristig niedriger Zinsen gegen den Anstieg der Geldmarktraten zu stemmen und stellt sogar weitere Lockerungen in Aussicht: «Die Wirtschaft ist zu schwach, um Zinsdiskussionen auszuschliessen.» Falls die Marktzinsen unangebracht erschienen, könne eine Zinssenkung, die im Rat auch diskutiert worden sei, erwogen werden. Die Notenbanker beobachteten den Geldmarkt genau, betonte Draghi.
Zugleich nimmt der oberste Währungshüter Europas die Aufhellung der konjunkturellen Perspektiven zur Kenntnis: «Es gibt Anzeichen für eine wirtschaftliche Erholung auf niedrigem Niveau», so Draghi. Diese Einschätzung kommt auch in den aktualisierten Prognosen der EZB zum Ausdruck: Die Projektionen für Wachstum und Inflation wurden für das laufende Jahr leicht nach oben angepasst.
Projektionen für 2013 angehoben
Für 2013 erwartet die Notenbank nun einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent nach zuletzt 0,6 Prozent. Die Wachstumsvorhersage für 2014 wurde von 1,1 auf 1,0 Prozent gesenkt. Die Teuerungsrate sieht die EZB 2013 etwas höher als bislang (1,4 Prozent) bei 1,5 Prozent. Im nächsten Jahr dürfte sie unverändert bei lediglich 1,3 Prozent liegen. Das eröffnet Spielraum bei der Geldpolitik, weil der Wert deutlich unter den von der Notenbank angepeilten knapp zwei Prozent liegt.
«Der schwache Inflationsausblick sowie die moderate Geldmengenentwicklung sprechen aber für eine fortgesetzt lockere Geldpolitik», kommentiert Experte Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen. Zinserhöhungserwartungen seien nicht angebracht. «Draghi versucht unsere Erachtens, dem Druck zu höheren Renditen entgegenzuwirken.»
Bank of England hält Kurs
Auch die britische Notenbank lässt sich in ihrem geldpolitischen Kurs trotz des anhaltenden Anstiegs der Marktzinsen nicht beirren. Wie die Bank of England am Donnerstag in London mitteilte, bleibt sowohl der Leitzins als auch das Volumen des Anleihekaufprogramms unverändert. Beides hatten Bankvolkswirte erwartet.
Der Leitzins liegt gegenwärtig auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent, die insgesamt vorgenommenen Anleihekäufe betragen 375 Milliarden Pfund. Dieses Volumen ist bereits seit Spätherbst 2012 ausgeschöpft. Allerdings will die Notenbank künftig Erträge aus fälligen Wertpapieren wieder reinvestieren. Für September beläuft sich die Summe laut Notenbank auf 1,9 Milliarden Pfund. (awp/mc/pg)