EZB belässt Leitzins bei 0,75 % – Tür für Zinssenkung offen

EZB belässt Leitzins bei 0,75 % – Tür für Zinssenkung offen
EZB-Präsident Mario Draghi. (Bild: EZB)

EZB-Präsident Mario Draghi. (Bild: EZB)

Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich die Tür zu einer weiteren Leitzinssenkung offen gehalten. «Es gab im EZB-Rat eine breite Diskussion über die Zinspolitik», sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Gleichzeitig senkte die Notenbank die Prognosen für das Wirtschaftswachstum deutlich und erwartet jetzt eine Rezession. Die Märkte interpretierten die Aussagen als möglichen Hinweis auf eine baldige Zinssenkung. Der Eurokurs fiel um mehr als einen Cent bis auf 1,2972 Dollar.

Die Entscheidung, den Leitzins auf dem Rekordtiefstand von 0,75 Prozent zu halten, sei im «allgemeinen Konsens» gefallen, so der Notenbankchef. Diese Formulierung deutet darauf hin, dass der Zinsentscheid umstritten war. Ein geringeres Zinsniveau lässt Währungen in den Augen von Investoren prinzipiell weniger attraktiv erscheinen, was den Wechselkurs unter Druck setzt.

Wachstumsprognose deutlich gesenkt
Die EZB hat zudem ihre Wachstums- und Inflationsprognosen gesenkt. Sie geht nun sowohl für das laufende Jahr als auch für 2013 von einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung aus. Für 2012 rechnet die Notenbank mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um durchschnittlich 0,5 Prozent. Für 2013 wird eine Rate von minus 0,3 Prozent erwartet, nachdem bislang ein Wachstum um 0,5 Prozent genannt worden war. Die wirtschaftliche Erholung sollte sich laut Draghi im späteren Verlauf des Jahres 2013 einstellen. Ein Risikofaktor für die Konjunktur in der Eurozone könnte zudem eine ausbleibende Lösung des Haushaltsstreits in den USA sein.

Anfang Jahr könnte nächster Zinsschritt anstehen
Die Experten der NordLB rechnen daher mit einer raschen Zinssenkung der EZB. Zwar habe die Notenbank zunächst noch stillgehalten, doch die teils deutliche Korrektur der Inflations- und Wachstumsprojektionen liessen darauf schliessen, dass Anfang 2013 ein weiterer Zinsschritt nach unten anstehe. Einige Volkswirte zweifeln jedoch daran: «Draghi hat zwar von einer breiten Diskussion über die Zinspolitik gesprochen, jedoch die deutlich verringerten Wachstumsprognosen nicht zu einer Zinssenkung genutzt», sagte EZB-Experte Michael Schubert von der Commerzbank. Die Konjunkturprojektionen der Notenbank sind zudem aus Sicht des Instituts zu pessimistisch. Nur bei einbrechenden Frühindikatoren sei deshalb eine Zinssenkung im Januar wahrscheinlich.

Zinserhöhung Ende 2013 möglich
Draghi selbst wies auch auf zuletzt verbesserte Konjunkturindikatoren hin. Zudem habe das Anleihekaufprogramm OMT zu einer Entspannung an den Finanzmärkten geführt. Er gehe davon aus, dass die lockere Geldpolitik zunehmend auch in der Realwirtschaft ankommt. Berenberg-Bank-Chefvolkswirt Holger Schmieding erwartet sogar eine teilweise Rücknahme der aussergewöhnlichen Massnahmen der Notenbank in der zweiten Hälfte 2013 und eine erste Zinserhöhung Ende 2013. Die abgeschwächten Folgen der Austeritätspolitik und die etwas stärkere Nachfrage aus China sollten die Konjunktur im kommenden Jahr stützen.

Die Inflationsrate dürfte im kommenden Jahr nach Einschätzung der EZB wieder unter die Marke von zwei Prozent fallen. Die Notenbank sieht Preisstabilität gewährleistet, wenn die Inflationsrate knapp unter zwei Prozent liegt.

Regierungen beim OMT in der Pflicht
Zum Anleihekaufprogramm OMT machte Draghi keine grundlegend neuen Aussagen. Er verwies auf die Bedingungen für die möglichen Anleihekäufe durch die EZB. Ein Antrag beim Rettungsfonds ESM sei eine notwendige aber keine ausreichende Voraussetzung für mögliche Hilfe. Die EZB habe immer das letzte Entscheidungsrecht. Es liege alleine im Aufgabenbereich der betroffenen Länder ob sie einen Hilfsantrag stellen: «Wir sagen den Regierungen nicht, was sie tun sollen. Sie kennen die Bedingungen.»

Draghi sieht die geplante europäische Bankenaufsicht trotz politischer Hürden nicht in Gefahr. «Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir bald eine Einigung erzielen werden», sagte Draghi. «Alle sind sich einig, dass wir eine Lösung wollen.» Deutschland wehrt sich dagegen, dass die neue Aufsicht bei der EZB alle 6.000 Geldhäuser in den 17 Euro-Ländern kontrollieren soll. Bei ihrem Treffen Anfang dieser Woche konnten die Finanzminister der 27 EU-Staaten strittige Punkte nicht ausräumen. Bis Jahresende soll der rechtliche Rahmen stehen, damit die Aufsicht 2013 starten kann. (awp/mc/upd/pg)

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