Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) sorgt sich weiter um das Wachstum im Euroraum. Zugleich öffnet sie sich Forderungen der Banken, die vermehrt über die Belastung durch eine Art Strafzins klagen. Es werde geprüft, ob negative Begleiterscheinungen des negativen Einlangsatzes abgemildert werden müssten, sagte EZB-Präsident Mario Draghi nach der Zinsentscheidung der Notenbank. Zuvor hatte die Notenbank ihren geldpolitischen Kurs bestätigt. Der Leitzins bleibt auf dem Rekordtief von null Prozent. Auch an den 0,4% Strafzinsen, die Banken zahlen müssen, wenn sie Geld bei der EZB parken, rüttelten die Währungshüter vorerst nicht.
Die Risiken für das Wachstum im Währungsraum deuteten zwar weiterhin nach unten, sagte Draghi. Die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession sei aber nach wie vor gering. Jüngste Wirtschaftsdaten bestätigten, dass sich das Wachstumstempo im Euroraum abschwäche.
Globale Entwicklungen dämpfen Wachstum
Zuletzt hatte vor allem die Entwicklung in der Industrie enttäuscht. Fachleute führen dies auf die grosse Abhängigkeit der Branche vom Welthandel zurück. Auch Draghi verwies auf globale Entwicklungen, die das Wachstum derzeit dämpften. Der Dienstleistungssektor, der stärker von der Binnennachfrage abhängt, hat sich bis zuletzt wesentlich besser geschlagen als die Industrie. Er verwies auch auf die Zolldrohungen der USA gegenüber der Europäischen Union, die das Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung belasten könnten.
Geldpolitik weiter gelockert
Wegen des schwächeren Wachstums hatte die EZB Anfang März ihre Geldpolitik weiter gelockert. Sie verlängerte den Zeitraum, für den sie unverändert niedrige Zinsen verspricht, bis Ende 2019. Zudem kündigte sie eine neue Serie lukrativer Langfristkredite (TLTROs) für die Banken an. Bekannt ist bisher, dass die Geschäfte von September 2019 bis März 2021 durchgeführt werden sollen und eine Laufzeit von je zwei Jahren haben. Weitere Details sollen laut Draghi nach einer der kommenden Zinssitzungen verkündet werden. Die Bedingungen für die TLTROs sollen von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung abhängen.
Negativzinsen seit drei Jahren bei 0,4%
Der Einlagensatz der EZB ist schon seit fast fünf Jahren negativ und beträgt seit etwa drei Jahren minus 0,4 Prozent. Er gilt für Banken, die Überschussreserven auf ihrem Konto bei der EZB halten. Das sind in erster Linie Banken aus Deutschland und Frankreich. Für die Banken wirkt der Negativzins wie eine Art Strafzins. Hauptziel des Negativzinses ist eine Ausweitung der Kreditvergabe durch die Banken.
Unter Fachleuten wird bereits diskutiert, wie die EZB die negativen Wirkungen des Einlagensatzes abschwächen und die Banken entlasten könnte. Eine Möglichkeit, die auch die Zentralbanken Japans und der Schweiz anwenden, ist eine Art Staffelzins. Dabei werden nicht alle Einlagen der Banken, sondern nur ab einem gewissen Betrag mit dem Negativzins belegt. Das entlastet die Banken, kann aber auch den gewünschten Effekt einer stärkeren Kreditvergabe abschwächen.
Fachleute argumentieren auch, dass ein Staffelzins der EZB geldpolitischen Spielraum verschafft: Weil die Belastung der Banken weniger gross als im Falle eines einheitlichen Negativzinses ist, könnte der Einlagensatz noch stärker unter die Nulllinie gesenkt werden, lautet das Argument. Die konjunkturellen Effekte einer derartigen geldpolitischen Lockerung gelten jedoch als fraglich. (awp/mc/pg)