EZB-Chefökonom Peter Praet.
Frankfurt – Nach Ansicht des Chefökonomen der Europäischen Zentralbank (EZB) besteht das Risiko, dass die bisherigen Massnahmen der Notenbank zur Ankurbelung des Wachstums nicht ausreichen. «Deshalb müssen wir sehr wachsam sein und uns fragen: Haben wir genug getan?», sagte Peter Praet in einem Interview der «Börsen-Zeitung» vom Mittwoch.
Die EZB beobachte die Entwicklung des Ölpreises, der seit der letzten EZB-Sitzung Anfang Dezember weiter gefallen ist, sehr aufmerksam. Die Ölpreise und seine Folgen seien ein sehr wichtiges Thema für die nächste EZB-Sitzung im Januar.
«Mit den aktuellen Ölpreisen wäre die Inflation niedriger, deutlich niedriger als bislang geschätzt», sagte der EZB-Chefökonom. «Das könnte eine negative Inflationsrate für einen längeren Zeitraum im Jahr 2015 bedeuten.»
Die EZB fürchtet eine Abwärtsspirale aus fallenden Preisen, sinkender Nachfrage der Verbraucher und Investitionen der Firmen. «Je länger die Krise andauert, umso grösser sind die dauerhaften Schäden – nicht zuletzt auf dem Arbeitsmarkt. Es droht letztlich ein wirtschaftlicher Teufelskreis», sagte Praet.
Rekordtiefe Zinsen
Anfang 2015 wollen die Notenbanker entscheiden, ob ihre bislang ergriffenen Massnahmen reichen, um die Konjunktur anzukurbeln und die Teuerung nach oben zu bringen . Der Leitzins in der Euro-Zone liegt bereits bei rekordniedrigen 0,05 Prozent.
«Wenn wir noch Spielraum bei den Leitzinsen gehabt hätten, hätte es eine einstimmige Entscheidung im Rat gegeben, diese zu senken», sagte Praet. EZB-Präsident Mario Draghi und andere Top-Notenbanker haben daher die Tür für den Ankauf von Staatsanleihen nach dem Vorbild der USA weit geöffnet. Allerdings stösst dieses Instrument bei der Bundesbank wegen rechtlicher Bedenken auf scharfe Kritik.
Für Anleihekäufe
Auch Praet machte sich für Anleihenkäufe stark. «Wenn ich der Auffassung bin, dass es eine weitere Lockerung braucht, und ich auch bereit wäre, die Zinsen zu senken, wenn das noch ginge, dann darf ich mich nicht dadurch lähmen lassen, dass die einzige Option der Kauf von Staatsanleihen ist», sagte Praet.
Unglücklicherweise gebe es nur bei Staatsanleihen ein signifikantes Marktvolumen. «Auf dem Markt für Unternehmensanleihen gibt es nicht sehr viel zu kaufen, und er ist sehr konzentriert auf einzelne Länder», sagte Praet. «Der Erwerb von Bankanleihen ist sehr problematisch, da wir auch Aufseher sind.»
Zahlreiche Geldhäuser sitzen auf riesigen Beständen an Staatsanleihen – nicht zuletzt in den von der Krise besonders hart getroffenen Ländern. Sollte die EZB ihnen diese abkaufen, könnten die Banken – so das Kalkül – das frei werdende Geld anderweitig nutzen, etwa zur Kreditvergabe an kleine und mittelständische Firmen. (awp/mc/ps)