EZB-Präsident Mario Draghi. (Foto: EZB)
Frankfurt am Main – Die EZB ist wegen der schwachen Wirtschaft und der zunehmenden politischen Risiken zu einer weiteren Lockerung der Geldpolitik bereit. Damit aber der Kurs der Währungshüter Früchte tragen kann und die Wirtschaft vor allem in den südeuropäischen Ländern angekurbelt wird, braucht die Notenbank dringend die Unterstützung der Politik. EZB-Präsident Mario Draghi mahnte am Donnerstag in Frankfurt immer wieder Strukturreformen an. Sonst brächten die Kreditprogramme der EZB oder andere Massnahmen nichts, sagte er bei der Pressekonferenz im Anschluss an die Zinsentscheidung.
Dabei bestätigte die Europäische Zentralbank ihren lockeren Kurs und das im Juni beschlossene umfangreiche Massnahmenpaket. Die drei Leitzinssätze wurden nicht angetastet. Der wichtigste Zins für einwöchiges Geld der Zentralbankgeld liegt damit weiter auf dem Rekordtief von 0,15 Prozent. Der Ausleihungssatz zur Spitzenrefinanzierung beträgt weiter 0,4 Prozent. Der Einlagensatz bleibt bei minus 0,1 Prozent. Auf dieses Niveau hatte ihn die EZB in einem vielbeachteten Schritt Anfang Juni reduziert.
Politische Risiken gestiegen
Sie ist die erste grosse Notenbank weltweit, die von Geschäftsbanken eine Gebühr verlangt, soweit diese überschüssiges Geld bei ihr deponieren. Der Negativzins soll die Banken zur Ausweitung ihrer Kreditvergabe bewegen. Zudem macht er Anlagen im Währungsraum weniger attraktiv und übt so Druck auf den Euro aus. Dies soll helfen, die schwache Inflation anzuschieben. Diese sei nach wie vor niedrig, sagte Draghi.
Die Teuerung war im Juli mit 0,4 Prozent auf ein neues zyklisches Tief gefallen, was die EZB unter Druck setzt. Die EZB strebt stabile Preise bei Raten knapp unter 2,0 Prozent an. Niedrige Leitzinsen verbilligen tendenziell Kredite und können so die Wirtschaft ankurbeln. Die Erholung der Wirtschaft in der Eurozone sei nach wie vor holprig, sagte Draghi. In den letzten Wochen seien zudem die Risiken durch die vielen politischen Krisenherde gestiegen. Vor allem die Lage in der Ukraine und Russland sei für die Eurozone ein Problem.
Hohe Nachfrage nach neuem Kreditprogramm erwartet
Besserung soll das im September startende neue Programm mit Langfristkrediten für Banken bringen. Draghi rechnet mit einer hohen Nachfrage. Es sei damit zu rechnen, dass im Rahmen der zielgerichteten langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) zwischen 450 bis 850 Milliarden Euro abgerufen werden. Doch damit sich dies auch in einem stärkeren Wirtschaftswachstum auswirkt, müsse die Politik dringend tätig werden.
Als Beispiel nannte er sein Heimatland Italien, das jüngst wieder in die Rezession gerutscht ist. Die Unsicherheit wegen fehlender Reformen am Arbeitsmarkt und in anderen Bereichen der Wirtschaft sei der wichtigste Grund für den sehr niedrigen Stand der Privatinvestitionen, sagte er. Das sei wiederum einer der wichtigsten Gründe für die zuletzt äusserst schwache Entwicklung der Wirtschaft in dem südeuropäischen Land. Die geringen Investitionen hingen teilweise mit der erwarteten Nachfrage, aber viel mehr mit der hohen Unsicherheit über den politischen Kurs zusammen.
Vorbereitungen für ABS-Programm verstärkt
Um die Geldpolitik noch weiter zu lockern, haben die europäischen Währungshüter zum Beispiel noch den Kauf von Kreditpaketen (Asset Backed Securities, ABS) im Köcher. Damit könnten sich Geschäftsbanken Freiräume für neue Kredite verschaffen. Die Vorbereitungen für solch einen Schritt seien verstärkt worden, sagte Draghi. Es sei aber noch keine Entscheidung gefallen. Möglich wären zudem breitangelegte Wertpapierkäufe (Quantitative Easing, QE).
Am Markt war erwartet worden, dass sich Draghi die Optionen für diese Schritte bei der aktuellen Zinssitzung offen halten wird. Analysten und Volkswirte waren dann von den Aussagen auf der Pressekonferenz am Donnerstag nicht gross überrascht. Der Kurs des Euro gab leicht nach. Der Dax bewegte sich kaum. (awp/mc/upd/ps)