EZB-Chef Mario Draghi. (Foto: EZB)
Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich angesichts schwächerer Wachstums- und Inflationserwartungen handlungsbereit gezeigt. Vor allem die Krise in den Schwellenländern lässt die Notenbank pessimistischer in die Zukunft schauen. Dies geht aus Aussagen von EZB-Präsident Mario Draghi vom Donnerstag hervor. Die Notenbank lockerte ihre Geldpolitik zwar noch nicht weiter, hob aber die Emissionsgrenze für Anleihen an und signalisierte so Handlungsbereitschaft.
Angesichts der Schwäche der Schwellenänder und der erneut gesunkenen Ölpreise hat die EZB ihre Prognosen gesenkt. «In jüngerer Zeit sind erneut Abwärtsrisiken für den Wachstums- und Inflationsausblick entstanden», sagte Draghi. Er verwies ausdrücklich auf die Lage in China. Jüngste Informationen deuteten zwar auf eine anhaltende, aber schwächer als erwartete Konjunkturerholung hin.
Inflation dürfte langsamer als erwartet steigen
Auch die bereits schwache Inflation dürfte laut Draghi langsamer als bisher erwartet steigen. In den kommenden Monaten könne die Inflationsrate sogar kurzfristig in den negativen Bereich drehen. Dies dürfte aber laut Draghi ein durch die Ölpreise ausgelöster vorübergehender Effekt sein. Gefährlich würden die niedrigen Ölpreise vor allem dann werden, wenn sie zu sogenannten Zweitrundeneffekten führen sollten. Von Zweitrundeneffekten spricht man dann, wenn wegen der gefallenen Ölpreise durch gesunkene Herstellungskosten auch andere Preise sinken.
Sollte sich die Lage in den Schwellenländern weiter verschlechtern, will die EZB handeln. «Wir haben den Willen und die Fähigkeit zu reagieren, falls dies notwendig ist», sagte Draghi. Das bisherige Anleihekaufprogramm biete genügend Spielraum. Über mögliche Einzelheiten sei im Rat aber noch nicht diskutiert worden. «Soweit sind wir noch nicht», sagte Draghi.
EZB verschafft sich mehr Spielraum
Die Notenbank hat sich jedoch mehr Spielraum verschafft und die selbstgesetzte Grenze, höchstens 25 Prozent einer spezifischen Wertpapieremission zu kaufen, auf 33 Prozent erhöht. Darüber hinaus zeige der Schritt, dass die Notenbank bereit sei, ihre Anleihekäufe anzupassen, falls sich die Rahmenbedingungen verändern. Mit der selbstgesezten Kaufgrenze soll verhindert werden, dass die Notenbank so viele Anleihen eines einzelnen Wertpapiers kauft, dass sie eine Sperrminorität etwa im Fall von Umschuldungen erhält. «Marktteilnehmer scheinen die Limit-Ausweitung als Vorbereitung einer möglichen QE-Ausweitung anzusehen, ungeachtet des auch von Draghi konstatierten verbesserten monetären Umfeldes», schreibt Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)
Experten halten baldige weitere Schritte der Notenbank für wahrscheinlich. «Wir fühlen uns bestätigt in unserer Meinung, dass die EZB ihre Geldpolitik weiter lockern wird», kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. «Vermutlich dürfte sie das bereits auf ihrer Sitzung im Dezember tun.» Dabei sei eine Aufstockung der monatlichen Käufe wahrscheinlicher als eine blosse Fortsetzung der Käufe über September 2016 hinaus. Dies würde aber nur den Kursen an den Börsen helfen.
EZB hält Leitzins an Nulllinie
Zuvor hatte die EZB angekündigt, ihre Niedrigzinspolitik unverändert fortzusetzen. Der wichtigste Leitzins, zu dem sich die Banken für eine Woche Zentralbankgeld leihen können, betrage weiter 0,05 Prozent, teilte die EZB am Donnerstag in Frankfurt mit. Bankvolkswirte hatten diese Entscheidung erwartet. Der Zinssatz zur Spitzenrefinanzierung liegt unverändert bei 0,3 Prozent, der Satz für Bankeinlagen bei der EZB bleibt bei minus 0,2 Prozent. Der Negativzins soll helfen, die Kreditvergabe anzuschieben.
Eurokurs gerät deutlich unter Druck
Der Eurokurs reagierte mit deutlichen Kursverlusten auf die Draghi-Aussagen und fiel auf ein Tagestief von 1,1090 Dollar. Zuvor hatte er noch deutlich über der Marke von 1,12 Dollar notiert. Die Aktien- und Anleihemärkte weiteten ihre Gewinne deutlich aus. (awp/mc/upd/ps)