Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) läutet den Einstieg in den Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik ein. Die Notenbank setzt ihre milliardenschweren Wertpapierkäufe im kommenden Jahr zwar fort, verringert das Volumen aber deutlich. Von Januar 2018 an wollen die Währungshüter monatlich Staatsanleihen und andere Wertpapiere für 30 Milliarden Euro kaufen, wie die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt im Anschluss an eine Sitzung des EZB-Rates mitteilte. Ökonomen hatten mit dieser Entscheidung gerechnet – einige von ihnen halten sie für zu zaghaft.
Bis Ende Dezember 2017 steckt die EZB wie zuvor bereits geplant monatlich noch 60 Milliarden Euro in Anleihekäufe – bis dahin veranschlagtes Volumen: 2,28 Billionen Euro. Danach folgt die nun beschlossene Verlängerung des Programms bis mindestens Ende September 2018 bei halbiertem Kaufvolumen. Die EZB lässt sich weiterhin die Möglichkeit offen, das Programm in Umfang und Dauer auszuweiten, falls die Konjunkturlage sich verschlechtern sollte.
EZB-Präsident Mario Draghi begründete die Entscheidung mit Zuversicht hinsichtlich der Inflationsentwicklung. «Wir sind gut aufgestellt, um das Inflationsziel zu erreichen», sagte Draghi bei einer Pressekonferenz im Anschluss an die Beschlüsse. Die Löhne hätten zuletzt stärker zugelegt und die sogenannte Kerninflation, bei der schwankungsanfällige Preise für Nahrungsmittel und Energie ausgeklammert werden, dürfte mittelfristig anziehen. Die EZB peilt eine Teuerungsrate im Euroraum von knapp zwei Prozent an. Derzeit liegt sie aber nur bei 1,5 Prozent.
Sehr vorsichtiger Ausstieg
Ökonomen begrüssten die Entscheidung zur Reduktion der Wertpapierkäufe. Nach Einschätzung des Experten Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thürigen (Helaba) hat die EZB einen sehr vorsichtigen Ausstieg aus ihrer extrem lockeren Geldpolitik begonnen. Ökonomen der Landesbank Baden-Württemberg halten den Beschluss «angesichts starken Wachstums und solider Frühindikatoren sowie gesunden Abstands zur Null-Inflation für «mehr als angebracht.» Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, findet das Vorgehen zu zögerlich. Die Richtung stimme zwar. «Aber der Abbau müsste schneller erfolgen», so der Ökonom.
Uneinig sei man sich im EZB-Rat nur über das weiterhin offene Ende der Wertpapierkäufe gewesen, sagte Draghi. Einige Währungshüter hätten sich für ein vorab festgelegtes Enddatum ausgesprochen. Anpassungen der Käufe nach oben oder unten seien jederzeit möglich. Draghi verwies ausserdem darauf, dass man aufgrund der laufenden Reinvestitionen in auslaufende Papiere weiterhin in hohem Umfang als Käufer am Anleihemarkt präsent sei.
Leitzins bleibt auf Rekordtief
Sparer müssen sich unterdessen weiter gedulden. Den Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Notenbank Geld leihen können, beliess die EZB erwartungsgemäss auf dem Rekordtief von null Prozent. Finanzinstitute, die Geld bei der Zentralbank parken, müssen zudem weiterhin 0,4 Prozent «Strafzinsen» zahlen. Eine erste Zinserhöhung könnte Ökonomen zufolge womöglich erst 2019 anstehen.
Mit Niedrigzinsen und billionenschweren Wertpapierkäufen versuchen die Währungshüter seit Jahren, der Konjunktur auf die Sprünge zu helfen und die Teuerung anzuheizen.
Am Devisenmarkt geriet der Kurs des Euro nach den geldpolitischen Beschlüssen unter Druck und fiel auf ein Tagestief von 1,1717 US-Dollar. Am Markt für europäische Staatsanleihen gaben die Renditen der Euroländer fast durchweg nach. Am Frankfurter Aktienmarkt legten die Kurse zu und der Dax stieg auf ein Tageshoch. (awp/mc/pg)