Inflation klettert weiter – EZB bleibt ultralockerem Kurs treu

EZB-Präsidentin Christine Lagarde. (©: Angela Morant/ European Central Bank)

Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt sich durch den sprunghaften Anstieg der Teuerung nicht von ihrer ultralockeren Geldpolitik abbringen. Erst bei der Sitzung am 16. Dezember will der Rat der EZB entscheiden, wie es mit den milliardenschweren Anleihenkäufen weitergeht und welche Schritte folgen. Ein Ende des Zinstiefs ist weiterhin nicht in Sicht.

Nach der Sitzung des EZB-Rates am Donnerstag versicherte EZB-Präsidentin Christine Lagarde in Frankfurt: «Wir haben über Inflation, Inflation, Inflation gesprochen.» Die Zentralbank sei nach wie vor überzeugt, dass der Anstieg der Verbraucherpreise zum Grossteil auf Sonderfaktoren wie der Erholung der Ölpreise nach dem Corona-Schock sowie Lieferengpässen infolge der deutlich gestiegenen Nachfrage zurückzuführen sei.

Diese Effekte sollten 2022 allmählich auslaufen, und die Inflation sollte in der Folge wieder sinken, bekräftigte Lagarde. Sie räumte allerdings ein: «Das wird etwas länger dauern als wir ursprünglich erwartet haben.»

Steigendes Preisniveau bereitet Sorgen
Vielen Verbrauchern macht das steigende Preisniveau Sorge. Denn eine höhere Inflation schwächt ihre Kaufkraft, weil sie sich für einen Euro dann weniger kaufen können als zuvor. In Deutschland beschleunigte sich der Anstieg der Verbraucherpreise im Oktober weiter, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Mit 4,5 Prozent lag die Teuerungsrate hierzulande so hoch wie zuletzt im Oktober 1993. Von September auf Oktober 2021 zog das Preisniveau in Deutschland nach vorläufigen Zahlen um 0,5 Prozent an.

Fast drei Viertel (73 Prozent) der Menschen in Deutschland sehen die Inflationsentwicklung kritisch, wie eine Umfrage im Auftrag des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) ergab. «Aus meiner Sicht ist diese Entwicklung der steigenden Inflation gefährlich. Sie sollte nicht als vorübergehender Effekt nach der Corona-Krise verharmlost werden», mahnte DSGV-Präsident Helmut Schleweis. Auch Commerzbank Chefvolkswirt Jörg Krämer warnte davor, «die längerfristigen Inflationsrisiken kleinzureden». Die EZB werde über den Kauf von Staatsanleihen weiter viel Geld in Umlauf bringen: «Es wird Zeit, dass die EZB ihre äusserst lockere Geldpolitik beendet.»

Noch ist ein Ende der ultralockeren Geldpolitik nicht in Sicht. Den Leitzins für den Währungsraum der 19 Staaten hält die EZB auf dem Rekordtief von null Prozent. Auf diesem Niveau liegt der Zins nunmehr seit März 2016. Geschäftsbanken müssen nach wie vor 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken.

Beim Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen tritt die EZB im laufenden Quartal zwar etwas auf die Bremse. Laufen soll das zur Abfederung des Corona-Schocks aufgelegte Kaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) aber noch bis mindestens Ende März 2022. «Ich gehe davon aus, dass PEPP im März enden wird», sagte Lagarde. Allerdings will die Notenbank Gelder aus auslaufenden Wertpapieren des 1,85 Billionen Euro umfassenden Programms auch danach noch neu anlegen. Zudem gibt es im EZB-Rat Sympathien für die Idee, die Flexibilität des Notkaufprogramms auf andere Anleihenkaufprogramme zu übertragen.

Inflation galoppiert nach oben
Kritiker werfen der EZB vor, mit dem vielen billigen Geld die Inflation anzuheizen, die sie eigentlich im Zaum halten will. Seit Monaten kennt die Inflation sowohl in Deutschland als auch im Euroraum insgesamt nur eine Richtung: nach oben. Im Währungsraum kletterte die Teuerungsrate im September auf 3,4 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit 13 Jahren. Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig eine jährliche Rate von zwei Prozent an.

Besonders tief in die Tasche greifen mussten die Menschen hierzulande im Oktober nach Berechnungen der Wiesbadener Statistiker für Energie, die sich innerhalb eines Jahres kräftig um 18,6 Prozent verteuerte. Steigende Energiepreise heizen die Inflation seit geraumer Zeit an.

Zudem schlägt die Rücknahme der temporären Mehrwertsteuersenkung in Deutschland inzwischen voll durch. Seit Januar 2021 gelten wieder die regulären Mehrwertsteuersätze, Waren und Dienstleistungen werden also tendenziell wieder teurer. Hinzu kommen Materialmangel und Lieferengpässe sowie die Einführung der CO2-Abgabe. Seit Jahresbeginn sind in Deutschland 25 Euro je Tonne Kohlendioxid (CO2) fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht.

«Die derzeit steigenden Inflationserwartungen sind (…) ein besonders starkes Argument für ein Ende der PEPP-Käufe im März 2022», resümierte Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Daran ändere auch die aktuelle Abkühlung der Konjunktur nichts: «Wachstumsprobleme, die auf den Mangel an Vorprodukten zurückzuführen sind, können mit Mitteln der Geldpolitik nicht wirksam bekämpft werden.»

Einer der Kritiker der ultralockeren Geldpolitik wird im EZB-Rat künftig fehlen: Jens Weidmann gibt sein Amt als Bundesbank-Präsident nach gut zehn Jahren zum 31. Dezember 2021 vorzeitig auf und scheidet damit auch aus dem höchsten Entscheidungsgremium der EZB aus. Wer die Deutsche Bundesbank künftig führen wird, ist noch nicht entschieden. (awp/mc/ps)

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