EZB hält Pulver trotz Brexit-Votum trocken

EZB hält Pulver trotz Brexit-Votum trocken

EZB-Präsident Mario Draghi. (Bild: EZB)

Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat trotz des Brexit-Voltums keine neuen Massnahmen getroffen. Das Votum stellt aus Sicht der Notenbank jedoch ein Risiko für das Wirtschaftswachstum im Euroraum dar. Infolge des Brexit gebe es Gegenwind für die wirtschaftliche Erholung im Währungsraum, sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag nach der Zinssitzung der Notenbank in Frankfurt. Die Risiken für das Wachstum seien insgesamt nach wie vor hoch.

Zugleich sagte Draghi, dass es zu früh sei, die konkreten Auswirkungen des Brexit-Referendums zu bewerten. Neue Prognosen des Mitarbeiterstabs der EZB und weitere Konjunkturdaten würden dazu benötigt. Mittelfristig hänge viel von den Verhandlungen zwischen Grossbritannien und der EU über ihre künftigen Beziehungen ab. Die Notenbank werde jedoch die wirtschaftliche Entwicklung und die Finanzmärkte «sehr genau» beobachten und sicherstellen, dass ihre lockere Geldpolitik die Wirtschaft erreiche.

Leitzins bleibt unverändert
Die Währungshüter beliessen den Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von null Prozent. Der Strafzins, den Banken und Sparkassen zahlen müssen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken, liegt weiter bei 0,4 Prozent. Zuletzt hatte die EZB im März ihren Kurs im Kampf gegen die niedrige Inflation verschärft. So wurde das Wertpapierkaufprogramm auf 80 Milliarden Euro im Monat aufgestockt.

Sollte es notwendig werden, werde die Notenbank unter Einsatz aller verfügbaren Instrumente handeln, bekräftigte der Notenbankchef. «Die EZB ist bereit, willens und in der Lage, falls nötig zu handeln», wiederholte Draghi eine bereits früher von ihm verwendete Formulierung. Konkrete Instrumente habe der Zentralbankrat aber nicht diskutiert.

Draghi hält sich alle Optionen offen
Draghi habe sich alle Optionen offen gehalten, kommentierte Carsten Brzeski, Chefvolkswirt bei der ING-Diba. Das Ratstreffen sei zu früh und gleichzeitig zu spät gekommen, um auf das Brexit-Referendum zu reagieren. Die ersten Marktturbulenzen seien bereits vorbei und die längerfristigen wirtschaftlichen Folgen noch nicht absehbar, so der Experte. Eine erneute Lockerung im September sei zwar möglich – aber keineswegs sicher.

Eine erneute Lockerung der Geldpolitik später im Jahr erwartet Commerzbank-Analyst Michael Schubert. Schliesslich habe Draghi deutlich stärker als bisher die Handelsbereitschaft der Notenbank betont. «So dürfte sie Anleihen über den angedachten Endzeitpunkt März 2017 hinaus kaufen», so Schubert. «Ausserdem könnte sie ihren Einlagezins erneut senken.»

Knappheitsproblem bei Anleihekäufen
Gefragt nach der Problematik absehbarer Knappheiten bei den Wertpapierkäufen der Zentralbank, gab sich Draghi gelassen. Mögliche Anpassungen seien im Zentralbankrat nicht diskutiert worden, antwortete der Notenbankchef.

Kern des sich abzeichnenden Knappheitsproblems ist, dass die hohe Risikoscheu der internationalen Anleger die Renditen insbesondere von Bundesanleihen so stark verringert hat, dass die EZB aufgrund einer selbstauferlegten Regel einen erheblichen Teil der Staatspapiere nicht mehr kaufen darf. Analysten erwarten, dass die Notenbank die Ankaufbedingungen bald anpasst, etwa indem sie auch Staatsanleihen mit Renditen unterhalb ihres Einlagensatzes erwirbt.

Finanzmärkte wenig bewegt
Draghi sprach sich zudem für ein gewisses Mass an staatlicher Unterstützung bei den aktuellen Bankenproblemen aus. Eine öffentliche Absicherung (Backstop) wäre «sehr hilfreich». Die zahlreichen notleidenden Kredite, unter denen etwa italienische Banken leiden, seien «ein grosses Problem», das aber Zeit brauche, um gelöst zu werden.

Der Eurokurs legte während der Pressekonferenz zwischenzeitlich zwar zu, gab seine Gewinne bis zuletzt aber vollständig wieder ab und fiel knapp unter die Marke von 1,10 US-Dollar. Die Aktienmärkte und die Anleihemärkte wurden kaum bewegt. Bankaktien profitierten jedoch von den Draghi-Aussagen.  (awp/mc/pg)

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