EZB-Präsident Jean-Claude Trichet.
Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in der vergangenen Woche abermals keine Staatsanleihen gekauft. Dies teilte die Notenbank am Montag in Frankfurt mit. Damit ist die EZB bereits die zehnte Woche in Folge nicht am Sekundärmarkt in Erscheinung getreten.
Wie in den vergangenen Wochen will die Notenbank die gesamte Überschussliquidität einsammeln. Am Dienstag soll ein entsprechendes Geschäft mit den Banken durchgeführt werden. Das Volumen liege bei 75,0 Milliarden Euro. Dies entspricht der Summe, die die Notenbank bis zum 3. Juni in Staatsanleihen investiert hat. Gebote werden bis 11.30 Uhr angenommen. Die Zuteilung erfolgt am Mittwoch. Der maximale Bietungssatz beträgt 1,25 Prozent. Das Geschäft läuft wie gewöhnlich eine Woche.
Flankierende Massnahmen
Zur Stützung des europäischen Rentenmarkts hatte die EZB im Mai 2010 den Ankauf von Staatsanleihen beschlossen. Damit flankiert sie den milliardenschweren Rettungsschirm von EU und IWF für finanzschwache Euro-Länder, deren Bonität im Zuge der Schuldenkrise unter Druck geraten ist. Zugleich hatte die EZB angekündigt, die aus den Anleihekäufen resultierende Überschussliquidität abzuziehen, um möglichen Inflationsgefahren entgegenzuwirken.
Experten erwarten klares Signal für EZB-Zinserhöhung
Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte an diesem Donnerstag (9. Juni) ein starkes Signal für eine Zinserhöhung im Juli geben. Es wäre die zweite Erhöhung des Leitzinses nach der Finanzkrise, nachdem die Notenbank im April die Zinswende eingeleitet und im Mai pausiert hatte. Ein Zinsschritt bereits im Juni gilt unter Bankvolkswirten jedoch als nahezu ausgeschlossen, da die Notenbank Zinsschritte für gewöhnlich verbal vorbereitet. Dementsprechend rechnen alle von dpa-AFX befragten Experten mit einem unveränderten Zinsniveau von 1,25 Prozent im Juni.
Trichet dürfte weitere Zinserhöhung andeuten
Aller Voraussicht nach wird EZB-Präsident Jean-Claude Trichet nach der Zinssitzung am Donnerstag von «hoher Wachsamkeit» sprechen und damit eine weitere Zinserhöhung im Juli andeuten. Anlass hierfür dürften auch die neuen Projektionen des Mitarbeiterstabs geben, die dem EZB-Rat vorliegen werden. Experten erwarten zumeist eine Anhebung der Wachstums- und Inflationsprognose. Beides würde für eine weitere Straffung der Geldpolitik sprechen.
Inflationsdruck spricht für weitere Zinsanhebungen
Dass die zuletzt wieder aufgeflammte Schuldenkrise die EZB von ihrem Straffungskurs abhält, gilt unterdessen als unwahrscheinlich. So hatten ranghohe Notenbankvertreter bis zuletzt betont, dass etwaige Krisenmassnahmen unabhängig von der Zinspolitik der Notenbank zu sehen seien. Mithin spricht der immer noch erhöhte Inflationsdruck im Währungsraum für weitere Zinsanhebungen im laufenden Jahr. Im Allgemeinen erwarten EZB-Beobachter eine Zinserhöhung pro Quartal um je 0,25 Punkte. Damit würde der Leitzins bis zum Jahresende auf 1,75 Prozent steigen.
«Exit» wegen Schuldenkrise aufgeschoben
Eine fortgesetzte Abkehr der EZB von ihren Krisenmassnahmen erwarten Experten unterdessen noch nicht. So dürfte die Notenbank ihre sogenannte «Vollzuteilung» in den Refinanzierungsgeschäften mit wöchentlicher und monatlicher Laufzeit beibehalten. Diese Massnahme, die die Notenbank in der Finanzkrise ergriffen hatte, erlaubt den Geschäftsbanken faktisch eine unbegrenzte Refinanzierung zum Leitzins. Ursprünglich wollte die EZB diese Massnahmen viel früher auslaufen lassen. Wegen der Schuldenkrise wurde der sogenannte «Exit» aber aufgeschoben. (awp/mc/ss)