Trichet begründet Zinserhöhung mit Inflationsrisiken
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet.
Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag wegen anhaltender Inflationsgefahren zum zweiten Mal nach der Finanzkrise den Leitzins angehoben. Die jüngste Zinserhöhung sei wegen aufwärts gerichteter Inflationsrisiken erfolgt, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag in Frankfurt.
Zudem sei die Liquiditätsversorgung im Währungsraum immer noch hoch. Auch nach der Zinserhöhung sei die Geldpolitik akkommodierend, also wachstumsstützend. Die Zinsen seien nach wie vor niedrig. Die EZB werde alle Entwicklungen «sehr genau» beobachten. Volkswirte erwarten den nächsten Zinsschritt im Herbst. Die Entscheidung, den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 1,50 Prozent anzuheben, sei einstimmig erfolgt, sagte Trichet. Es sei wichtig, dass die jüngsten Preisentwicklungen nicht zu einem breiten Inflationsdruck führten. Die Zinserhöhung soll laut Trichet dazu beitragen, dass die Inflationsrate knapp unter zwei Prozent bleibt. In den nächsten Monaten dürfte sich Inflationsrate jedoch klar über der Marke von zwei Prozent bewegen. Ein Risiko für die Preisstabilität seien die Energiepreise.
Nächste Zinserhöhung im Herbst erwartet
Volkswirte erwarten die nächste Anhebung im Herbst. Die Berenberg Bank rechnet mit einer Anhebung im Oktober oder aber auch erst im Dezember. Die Äusserungen von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet liessen Raum für beide Szenarien. Im November sei ein Zinsschritt unwahrscheinlich, da dann Mario Draghi den Posten von Trichet übernehmen wird. Die UniCredit erwartet die Anhebung im Oktober. Die Formulierung von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, dass man die Preisentwicklung «sehr genau» beobachten will» deute auf weitere baldige Zinserhöhungen hin. Auch zwischen der letzten Zinsanhebung im April und der heutigen lagen drei Monate. Hätte die EZB eine Verlangsamung der Zinserhöhungsschritte signalisieren wollen, dann hätte auch die Formulierung «genau beobachten» gereicht, schreibt die UniCredit. Jüngste Konjunkturdaten deuteten unterdessen auf ein etwas geringeres Wachstumstempo im Währungsraum hin, sagte Trichet. Dennoch sei die zugrunde liegende Entwicklung immer noch positiv. Die Unsicherheit sei aber nach wie vor hoch.
Gesamte Eurozone profitiert von stabilen Preisen
Trichet widersprach der These, dass die Zinserhöhungen schwächeren Ländern schaden würden. Die gesamte Eurozone würde von stabilen Preisen profitieren. Die Geldpolitik würde weiter die wirtschaftliche Aktivität stützen und für mehr Beschäftigung sorgen. Trichet erneuerte seine Ankündigung, dass alle von der EZB in der Finanzkrise ergriffenen Massnahmen temporär seien. Zu dem Anleihenkaufprogramm wollte Trichet sich nicht weiter äussern. Er verwies lediglich darauf, dass das Programm transparent sei und die Notenbank in der vergangenen Wochen keine Papiere mehr gekauft habe. Volkswirte erwarten, dass die Notenbank keine weiteren Käufe mehr tätigen wird.
Euro steigt
Der Eurokurs stieg nach der Entscheidung an, da weitere Zinserhöhungen erwartet werden. Zuletzt wurde der Euro bei 1,4367 US-Dollar gehandelt. Vor der Entscheidung hatte er noch unter der Marke von 1,43 Dollar notiert. Die Kurse deutscher Staatsanleihen gerieten unter Druck.
Bank of England lässt Leitzins unverändert
Die britische Notenbank hat ihren Leitzins wie erwartet unverändert belassen. Der Leitzins liege weiter auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent, teilte die Bank of England (BoE) am Donnerstag in London mit. Volkswirte hatten mit dieser Entscheidung gerechnet. Damit liegt der Leitzins in Grossbritannien bereits seit mehr als zwei Jahren auf dem sehr niedrigen Niveau. Auch das Ankaufprogramm für Anleihen wurde abermals nicht verändert. Das Volumen liegt weiter bei 200 Milliarden Pfund. Die BoE hatte 2009 wie auch andere grosse Notenbanken den Ankauf von Anleihen beschlossen, um die Wirtschaft zusätzlich anzukurbeln. Abstimmungsverhalten und Begründungen werden im Sitzungsprotokoll dargelegt, das Ende Juli veröffentlicht wird. (awp/mc/upd/ss)