EZB-Präsident Jean-Claude Trichet.
Frankfurt am Main – Im Kampf gegen die Euro-Krise schmeisst die Europäische Zentralbank (EZB) die Notenpresse an: Erstmals seit Februar haben die Währungshüter wieder Staatsanleihen von hoch verschuldeten Euro-Staaten gekauft. Das teilte die EZB am Montag in Frankfurt mit. Dafür griff die Zentralbank mit 22 Milliarden Euro so tief wie nie zuvor binnen einer Woche in die Kasse.
Die EZB hat nun Staatsanleihen im Wert von 96 Milliarden Euro in ihren Büchern stehen, vor allem griechische, portugiesische und irische. Zuletzt dürfte sie aber insbesondere Papiere aus Spanien und Italien erworben haben. Die EZB hatte seit Februar keine Anleihen mehr gekauft, sich die Option für weitere Eingriffe aber offengehalten. Das reichte zunächst, um die Märkte zu beruhigen. «Wenn man Gleiches erreichen will, muss man angesichts der Grösse des Anleihemarktes in Spanien und Italien mehr machen», sagte EZB-Experte Michael Schubert von der Commerzbank. In den kommenden Wochen werde die EZB deshalb weitere Staatsanleihen kaufen müssen, bis der Europäische Rettungsschirm EFSF diese Aufgabe übernehmen könne. «Ich glaube nicht, dass sich die Märkte von allein beruhigen werden», sagte Schubert.
Zunächst Anleihen von Portugal und Irland erworben?
Als sich die Euro-Schuldenkrise Anfang August zuspitze, sahen sich die Währungshüter zum Handeln gezwungen. Der EZB-Rat beschloss, wieder Staatsanleihen zu kaufen. Beobachtern zufolge erwarben die Währungshüter zunächst Papiere der Euro-Krisenländer Irland und Portugal. Kurz darauf signalisierte die EZB nach einer sonntäglichen Krisensitzung, auch spanische und italienische Staatsanleihen zu kaufen. Zuvor waren die Renditen der Papiere in die Höhe geschossen. So wurde es für Madrid und Rom immer teurer, sich frisches Geld zu besorgen. Die Renditen für zehnjährige Titel waren vor dem Eingreifen der Notenbank auf deutlich über sechs Prozent gestiegen. Der Eingriff der EZB hatte Erfolg: Die Renditen in Italien und Spanien gingen kräftig auf knapp fünf Prozent zurück.
Anleihekäufe sehr umstritten
Die Anleihekäufe sind sehr umstritten – auch innerhalb des EZB-Rates. Die Entscheidung Anfang August fiel nach Angaben von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet nicht einstimmig, dem Vernehmen nach soll unter anderem Bundesbank-Präsident Jens Weidmann dagegen gewesen sein. Schon sein Vorgänger Axel Weber hatte die Ankäufe abgelehnt. Kritiker werfen der Notenbank vor, die klare Trennung zur Politik zu verwischen, indem sie Geld druckt, um die Staatspapiere zu kaufen – also um Schulden zu finanzieren. Es könne der Eindruck entstehen, die Notenbank reagiere auf Zuruf der Politik, bemängeln einige Ökonomen. Die EZB, deren Unabhängigkeit von der Politik ein herausragendes Merkmal ist, weist das zurück. Sie wolle mit dem Programm nur die Wirkung ihrer Geldpolitik sicherstellen, argumentieren die Währungshüter.
EZB in der Zwickmühle
Schubert sieht die EZB in einer Zwickmühle. Die Notenbank müsse vorerst wohl weiter Staatsanleihen von Euro-Schuldensündern kaufen. Sie dürfe sich aber nicht zu stark engagieren, «um nicht noch weiter in die Nähe der Finanzpolitik zu rücken». Längst gilt die Notenbank als einer der grössten Gläubiger von Krisenländern wie Griechenland. Die Notenbank lässt sich ihr Engagement verzinsen. Gehen die Länder pleite, bleibt sie aber zumindest auf Teilen ihrer Forderungen sitzen. Postbank-Volkswirt Heinrich Bayer begrüsste den beherzten Eingriff der Notenbank. «Die EZB hat keine andere Wahl, sie muss sich ihrer Verantwortung stellen. Sonst droht der Euroraum zu zerbrechen.» Denn in der Staatsschuldenkrise ist die EZB die einzige Institution, die schnell und umfassend handeln kann, weil politische Entscheidungen Zeit brauchen.
Renditen von mehr als 6% gelten als untragbar
Bis der Europäische Rettungsschirm EFSF aufgespannt ist, müssen die Währungshüter deshalb Feuerwehr spielen. «Italien und Spanien brauchen die Unterstützung der EZB, um ihre Position an den Märkten zu verbessern», sagte Bayer. Der Ökonom erwartet, dass die EZB in den kommenden Monaten immer dann einschreiten wird, wenn die Renditen für die Bonds zu sehr steigen. Als untragbar gelten Renditen von mehr als sechs Prozent. (awp/mc/upd/ps)