EZB-Chef Draghi gibt keine klaren Hinweise auf weitere Lockerung
EZB-Prsäsident Mario Draghi
Frankfurt am Main – Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi hat laut Volkswirten trotz der schwachen Konjunktur keine klaren Hinweise auf eine weitere geldpolitische Lockerung gegeben. «Die Geldpolitik wirkt bereits sehr konjunkturstützend», sagte Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Er betonte zudem die positiven Wirkungen des neuen Anleihekaufprogramms OMT und die Handlungsbereitschaft der Notenbank. Den Leitzins hatte die EZB zuvor wie von Volkswirten erwartet auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent belassen. Zuletzt hatte sie den Leitzins im Juli gesenkt.
Die Wirtschaft des Euroraums wird sich laut Draghi von der Schuldenkrise so bald nicht erholen. Auch im kommenden Jahr dürfte das Wachstum im Währungsraum schwach bleiben. Die Risiken seien damit nach wie vor abwärts gerichtet. Erst ab 2014 sei mit einer Erholung zu rechnen: «Die Wirtschaft dürfte sich langsam und graduell, aber solide erholen», sagte Draghi.
Geldpolitik stimuliert Konjunktur
«Damit die EZB nochmals die Zinsen senkt, muss die wirtschaftliche Lage noch ein gutes Stück schlechter werden», sagte EZB-Experte Michael Schubert von der Commerzbank. «Die Ankündigung des Anleihekaufprogramms OMT hat laut Draghi bereits zu niedrigeren Zinsen an den Märkten geführt und stützt so auch die Konjunktur», begründete er seine Einschätzung. Berenberg-Experte Christian Schulz verweist auf die bereits negativen Realzinsen in der Eurozone. «Die EZB sieht ihre Geldpolitik schon jetzt als sehr stimulierend an.»
UBS-Devisenexperte Geoffrey Yu hält hingegen ein weiteres Handeln für möglich: «Draghi hat in gewisser Weise Zinssenkungen angedeutet.» Er begründete dies damit, dass Draghi gesunkene Inflationsgefahren betonte. Die Teuerungsrate dürfte dem Notenbankchef zufolge im kommenden Jahr unter die von der EZB angepeilte Grenze von knapp zwei Prozent sinken. Zurzeit liegt sie mit 2,5 Prozent noch deutlich darüber.
EZB bereit zum Anleihekauf
Zur Unterstützung der Euro-Krisenländer ist die EZB laut Draghi willens, jederzeit im Rahmen des neuen Anleihekaufprogramms zu intervenieren: «Wir sind bereit, den OMT-Mechanismus anzuwenden.» Mit dem OMT könnten «extreme Szenarios» verhindert werden. Zuletzt hatte es immer wieder Spekulationen gegeben, dass die Notenbank das Programm nur sehr zögerlich einsetzen wolle.
Voraussetzung sei jedoch, dass ein Land einen Hilfsantrag beim Rettungsfonds ESM stellt, betonte Draghi mehrfach. Spanien hat diesen Schritt bisher noch nicht gemacht und will dies auch bis zum Jahresende nicht tun. «Der Ball liegt hier im Feld der Regierungen.» Die EZB werde jedoch ihre Entscheidungen im Einzelfall treffen. Es gebe hier keinen Automatismus und es werde keine Anleihekäufe ohne Konditionalität geben. Die EZB wünscht zudem eine Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei der Ausgestaltung der Bedingungen.
Die Ankündigung des Programms hat laut Draghi bereits zu einer merklichen Entspannung an den Finanzmärkten beigetragen. So seien US-Geldmarktfonds wieder vermehrt in die Eurozone zurückgekehrt. Die Kreditvergabe habe sich von besicherten zu unbesicherten Darlehen verlagert. Dies ist laut Draghi ein positives Zeichen. Zudem würden auch wieder mehr Unternehmensanleihen ausgegeben.
Commerzbank: EZB muss tatsächlich Anleihen kaufen
Die Wirkung des angekündigten Anleihekaufprogramms auf die Finanzmärkte sieht Commerzbank-Experte Schubert nicht so positiv wie Draghi. So hätten sich die Salden des Zahlungsverkehrssystem «Target2» der Eurozone trotz eines ruhigeren Umfeldes lediglich stabilisiert. «Die Notenbank muss, damit es zu einer nachhaltigen Beruhigung an den Märkten kommt, auch tatsächlich Anleihen kaufen», sagte Schubert.
Draghi sieht trotz der schwierigen Lage in vielen krisengeschwächten Euroländern auch Fortschritte. Er verweist auf die begonnene Korrektur bei den Lohnstückkosten und Handelsungleichgewichten im Währungsraum. Zudem gebe es klare Hinweise, dass Sparanstrengungen auf der Ebene der öffentlichen Haushalte Früchte trügen. Darüber hinaus seien die Bankeinlagen in einigen Ländern zuletzt wieder gestiegen – ein Zeichen für grösseres Zutrauen in die Länder.
Zahlreiche Baustellen
Zugleich nannte der EZB-Chef zahlreiche Baustellen: So müsse die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors weiter gestärkt werden. Daneben forderte Draghi die Regierungen abermals auf, begonnene Strukturreformen fortzuführen. «Strukturreformen sind entscheidend, um Wachstumspotenziale zu heben und die Beschäftigung zu steigern.» Die Arbeitsmärkte müssten flexibler werden.
Der Eurokurs hat kaum auf die Pressekonferenz reagiert. Er war jedoch bereits schon vor der Veranstaltung unter Druck geraten. Auch an den Aktienmärkten spielten die Aussagen von Draghi kaum eine Rolle. (awp/mc/upd/ps)