EZB dürfte vor längerer Zinspause stehen
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet.
Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte vor einer längeren Zinspause stehen. Nach zwei Zinserhöhungen im laufenden Jahr deuten jüngste Aussagen von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet auf vorerst konstante Zinsen hin. Der im Herbst aus seinem Amt scheidende Trichet sprach am Donnerstag in Frankfurt von erhöhten Risiken für das Wachstum bei geringeren Inflationsgefahren. Zudem senkte die Notenbank ihre Wachstumsprognosen für dieses und kommendes Jahr deutlich.
Vor den Äusserungen Trichets hatte die EZB ihren Leitzins wie einhellig erwartet unverändert bei 1,5 Prozent belassen. Mit ihrem klaren Signal einer Zinspause entspricht die EZB den Erwartungen zahlreicher Notenbank-Beobachter: Hatten viele Volkswirte vor wenigen Monaten noch mit zumindest einer weiteren Zinserhöhung im laufenden Jahr gerechnet, hat sich der Wind wegen der schwächelnden Konjunktur, geringerer Inflationsrisiken und der Schuldenkrise zuletzt gedreht.
Schwächeres Wachstum
Trichet gab sich für die Konjunkturaussichten im Währungsraum pessimistischer als noch vor wenigen Wochen. «Die Abwärtsrisiken haben sich verstärkt», sagte der Notenbankchef. Die Risiken für das Wachstum seien nun abwärts gerichtet. Trichet nannte unter anderem die jüngsten Marktturbulenzen und das mögliche Übergreifen auf die Realwirtschaft als Gründe. Bis vor kurzem hatte die Notenbank noch von ausgeglichenen Risiken gesprochen. Den Inflationsgefahren sieht die Notenbank hingegen gelassener entgegen. Die Risiken für die Preisentwicklung seien nunmehr ausgeglichen und nicht mehr aufwärts gerichtet, so Trichet.
Inflationsprognosen praktisch unverändert
Jüngste Projektionen der Notenbank zu Wachstum und Inflation untermauern die Aussagen Trichets. Für 2011 rechnet die EZB nun mit einem Wachstum von 1,6 Prozent, nach bis zuletzt 1,9 Prozent. Für 2012 wurde die Wachstumsprognose von 1,7 Prozent auf 1,3 Prozent reduziert. Ihr Inflationsprognosen beliess die Notenbank hingegen nahezu unverändert.
Zinserhöhung «auf Eis gelegt»
Bankvolkswirte interpretierten die Worte Trichets als eindeutiges Signal vorerst unveränderter Zinsen: Die EZB habe ihren Zinserhöhungskurs «auf Eis gelegt», hiess es von der Postbank. Auf Sicht von einem Jahr sei nicht mit einer Zinserhöhung zu rechnen. Die Landesbanken Hessen-Thüringens (Helaba) und Baden-Württembergs (LBBW) äusserten sich ähnlich. Zinssenkungen, wie an den Märkten mitunter bereits eingepreist, erwarten die meisten EZB-Beobachter aber nicht.
Euro gibt nach
An den Finanzmärkten zeigten sich deutliche Reaktionen: Nach den Aussagen Trichtes gab der Euro zeitweise einen ganzen Cent auf bis zu 1,3943 US-Dollar nach. Sichere Anlagen wie deutsche Staatsanleihen und Gold erhielten spürbaren Zulauf. Die Aktienmärkte reagierten entsprechend mit Kursabschlägen.
Auch Bank of England lässt Leitzins unverändert
Auch die britische Notenbank hat ihren Leitzins wie erwartet unverändert belassen. Der Leitzins liege weiter auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent, teilte die Bank of England (BOE) am Donnerstag mit. Volkswirte hatten mit dieser Entscheidung gerechnet. Damit liegt der Leitzins in Grossbritannien bereits seit mehr als zwei Jahren auf dem sehr niedrigen Niveau. Auch das Ankaufprogramm für Anleihen wurde abermals nicht verändert. Das Volumen liegt weiter bei 200 Milliarden Pfund. Die BOE hatte 2009 wie auch andere grosse Notenbanken den Ankauf von Anleihen beschlossen, um die Wirtschaft zusätzlich anzukurbeln. (awp/mc/ps)