Erstmals seit Inflationswelle: EZB senkt Zinsen

EZB-Präsidentin Christine Lagarde. (Foto: Kiên Lê/ECB)

Frankfurt – Die EZB senkt nach ihrer beispiellosen Serie von Leitzinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation wieder die Zinsen im Euroraum.

Nach knapp neun Monaten auf Rekordhoch verringern die Euro-Währungshüter den Einlagenzins, den Banken für geparkte Gelder erhalten, um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent. Das teilte die Notenbank in Frankfurt am Donnerstag im Anschluss an eine Sitzung des EZB-Rates mit. Zugleich wird der Zins, zu dem sich Kreditinstitute frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, von 4,5 Prozent auf 4,25 Prozent gesenkt.

Für Kreditnehmer sind sinkende Zinsen eine gute Nachricht, denn Kredite werden dadurch günstiger. Sparer müssen sich dagegen darauf einstellen, dass sie tendenziell weniger Zinsen für Geld auf der hohen Kante bekommen. Da die Entscheidung der Notenbank erwartet worden war, haben viele Geldhäuser ihre Konditionen aber bereits angepasst.

«Rückgang zur Preisstabilität ist holprig»
Volkswirte hatten mit einer Lockerung der geldpolitischen Zügel gerechnet, nachdem die Inflation sich deutlich abgeschwächt hatte. Zwar hat die Teuerung im Euroraum im Mai wieder etwas an Tempo gewonnen: Die Verbraucherpreise stiegen zum Vorjahresmonat um 2,6 Prozent nach 2,4 Prozent im April. Vom Rekordhoch bei 10,7 Prozent im Herbst 2022 ist die Inflation inzwischen aber weit entfernt. Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbrauchern. Sie können sich dann für einen Euro weniger leisten.

Nach neuester Prognose der Notenbank wird die Teuerung im Euroraum etwas langsamer zurückgehen als zuletzt erwartet. Für das laufende Jahr rechnet die EZB nun mit einer Inflationsrate von 2,5 Prozent, im März hatte die Notenbank noch 2,3 Prozent vorhergesagt. 2025 wird eine Rate von 2,2 (März-Prognose: 2,0) Prozent erwartet.

Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig eine jährliche Inflationsrate von zwei Prozent an. Bei diesem Wert sehen die Währungshüter Preisstabilität gewährleistet. «Wir sind mit dem spürbaren Rückgang der Inflation zufrieden, aber der Weg zurück zur Preisstabilität ist holprig», hatte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel unlängst ARD Plusminus und tagesschau.de gesagt.

Etwas mehr Zuversicht für die Konjunktur
Um die nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stark gestiegene Inflation in den Griff zu bekommen, hatte die EZB seit Juli 2022 zehnmal in Folge die Zinsen nach oben geschraubt, ehe sie eine Pause einlegte. Kredite werden damit teurer. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Teurere Finanzierungen sind zugleich eine Last für die Wirtschaft und Privatleute, die sich Geld leihen wollen. Das kann die Konjunktur bremsen.

Was das Wirtschaftswachstum im Euroraum angeht, sind die Euro-Währungshüter für das laufende Jahr etwas zuversichtlicher geworden: Die EZB erwartet nun einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,9 Prozent. Im März hatte die Notenbank ihre zuvor optimistischeren Konjunkturerwartungen noch auf 0,6 Prozent verringert.

Auf Zinssenkung folgt nicht automatisch die nächste
Wie viele Zinssenkungen noch folgen werden, ist derzeit schwer abzusehen. Vertreter der EZB hatten zuletzt darauf verwiesen, dass die Entscheidungen von der Entwicklung der wirtschaftlichen Daten abhängen. Aus einer ersten Zinssenkung könne man keine «Art Autopilot» ableiten, bei dem gleich die nächste Zinssenkung folgen müsse, betonte unlängst Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, der als Mitglied des EZB-Rates mit über die Geldpolitik im Euroraum entscheidet. «Stabile Preise sind die wichtigste Voraussetzung für Wachstum in Europa, daran sollten wir weiter festhalten», betonte Nagel. Es gelte, die Preisentwicklung von Sitzung zu Sitzung zu beobachten. (awp/mc/ps)

Europäische Zentralbank

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