EZB-Präsident Mario Draghi. (Bild: EZB)
Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert auf den ungewöhnlich schwachen Preisauftrieb im Währungsraum: Wie der geldpolitische Rat am Donnerstag in Frankfurt beschloss, sinkt der Leitzins um 0,25 Punkte auf ein neues Rekordtief von 0,25 Prozent. Der Ausleihungssatz, zu dem sich die Banken über Nacht bei der Notenbank Geld besorgen können, wurde um ebenfalls um 0,25 Punkte auf 0,75 Prozent reduziert. Der Einlagensatz, den die Notenbank den Geschäftsbanken für kurzfristige Einlagen zahlt, bleibt dagegen unverändert bei null Prozent.
Angesichts der sehr niedrigen Inflation im Währungsraum von derzeit 0,7 Prozent hatten einige Beobachter mit einer zusätzlichen Lockerung gerechnet. Allerdings hatten die meisten Bankvolkswirte – wenn überhaupt – eine Reduzierung zu einem späteren Zeitpunkt erwartet. Die Einschätzungen, ob dem Euroraum eine deflationäre Abwärtsspirale aus fallenden Verbraucherpreisen und schwachem Wirtschaftswachstum droht, gehen unter Fachleuten auseinander. Die EZB sieht Preisstabilität bei Inflationsraten von knapp unter zwei Prozent gewährleistet. Dieses Ziel muss sie verteidigen – nach oben wie nach unten.
Kritische Stimmen
Unmittelbar nach der Zinssenkung meldeten erste Analysten Bedenken an: Ob dieser Schritt «das adäquate Mittel ist, um Abhilfe zu schaffen, darf bezweifelt werden», schreibt Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank in einem Kurzkommentar. «Umso mehr stellt sich die Frage, ob die EZB in den kommenden Monaten noch mit weiteren Massnahmen nachlegen wird.» Möglich wäre zum Beispiel, das Notenbankchef Mario Draghi eine neue Runde langlaufender Notkredite für Geschäftsbanken ankündigt, wenn er den Zinsentscheid ab 14.30 Uhr vor der Presse erläutert.
Märkte reagieren stark
An den Finanzmärkten rief der überraschende Schritt der EZB massive Reaktionen hervor. Der Euro fiel zu vielen wichtigen Währungen wie dem US-Dollar, dem japanischen Yen oder dem britischen Pfund stark zurück. An den europäischen Aktienmärkten wurde die abermalige Verbilligung von Zentralbankgeld gefeiert. Auch an den Anleihemärkten stellten sich spürbare Gewinne ein. Am stärksten fielen sie in den Krisenländern Spanien und Italien aus. Den dortigen Banken kommt die Zinssenkung besonders zugute, weil sie immer noch stark von der Refinanzierung bei der Notenbank abhängig sind. (awp/mc/upd/ps)