EZB: Umschuldung Athens muss Einzelfall bleiben
EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi.
Berlin – Die Europäische Zentralbank hat nach dem Eurogipfel davor gewarnt, nach Griechenland weitere Euroländer umzuschulden. Die Umschuldungsdebatte habe zu dramatischen Ansteckungsgefahren in der Eurozone geführt, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi der «Welt am Sonntag».
Die Deutsche Bundesbank versetzten die Beschlüsse des Eurogipfels in Alarmstimmung: Bundesbankpräsident Jens Weidmann befürchtet eine Transferunion und schwindende Haushaltsdisziplin in Europa. Bundeskanzlerin Angela Merkel äusserte sich überzeugt, dass sich der Einsatz lohnt. «Es muss alles getan werden, um diesen Euro stabil und anerkannt zu halten», sagte sie am Samstag. Bini Smaghi sagte der Zeitung, die Beteiligung der Banken an den Kosten der Rettungspakete werde dazu führen, dem europäischen Steuerzahler noch mehr Risiken aufzubürden – sei es in Form von Garantien oder Kapital für griechische Banken. «Das ist der Grund, warum die Vereinbarung ein Einzelfall bleiben muss», sagte der Notenbanker. «Wir sollten nicht so tun, als gäbe es diese Einigung für Griechenland kostenlos.»
Stabilitätspakt verschärfen
Er forderte nun Reformen. Je länger die Regierungschefs Entscheidungen aufschöben, desto teurer werde es für den Steuerzahler. «Schlimmstenfalls steht am Ende eine Garantie für die Schulden aller Krisenstaaten», warnte der Währungshüter. Daher müsse der Stabilitätspakt verschärft werden. «Die Vereinbarungen des Gipfels sehen auch eine Stärkung des Stabilitätspakts vor – das scheinen viele übersehen zu haben.» Nach monatelangem Streit hatten sich die 17 Staats- und Regierungschefs der Eurozone und der Internationale Währungsfonds (IWF) auf das neue Hilfspaket für Griechenland mit einem Volumen von 109 Milliarden Euro geeinigt. Banken und Versicherungen werden einen zusätzlichen Beitrag von 37 Milliarden Euro leisten, der aber noch steigen kann.
Fitch droht mit «beschränktem Kreditausfall»
Der Hilfsplan hat EU-Experten zufolge sogar einen Umfang von 159 Milliarden Euro. Zu den öffentlichen Hilfen von 109 Milliarden Euro, die der Europäische Rettungsfonds EFSF und der Internationale Währungsfonds aufbringen, komme ein Beitrag der Privatgläubiger von 50 Milliarden Euro. Trotz aller Bemühungen will die Ratingagentur Fitch griechische Staatsanleihen wie angekündigt herabstufen und kurzfristig von einem «beschränkten Kreditausfall» (Restricted Default) ausgehen. Fitch begründete dies mit der Beteiligung privater Gläubiger. Der Zahlungsausfall werde im September erwartet und solle nur wenige Tage andauern, verlautete aus EU-Kreisen. Die Brüsseler Beschlüsse gehen aber weit über das Problem Griechenland hinaus. Das bisherige Kriseninstrumentarium wurde ausgebaut, um den Euro zu stabilisieren und einen Flächenbrand zu verhindern.
Bundesbank: Schritt in Richtung Transferunion
Bundesbankpräsident Weidmann räumte ein, die Gipfelbeschlüsse könnten für Beruhigung an den Finanzmärkten sorgen. Allerdings: «Indem umfangreiche zusätzliche Risiken auf die Hilfe leistenden Länder und deren Steuerzahler verlagert werden, hat der Euroraum aber einen grossen Schritt hin zu einer Vergemeinschaftung von Risiken im Falle unsolider Staatsfinanzen und gesamtwirtschaftlicher Fehlentwicklungen gemacht.» Künftig werde es noch schwieriger, Anreize für eine solide Finanzpolitik aufrechtzuerhalten.
Merkel: «Griechenland hat Chance verdient»
Die Kanzlerin mahnte zu Geduld mit der Regierung in Athen. «Ich finde, Griechenland hat auch eine Chance verdient», sagte die CDU-Politikerin beim Parteitag der Südwest-CDU in Ludwigsburg. Athen müsse die geplanten Reformen fortsetzen, um Schulden abzubauen und wettbewerbsfähig zu werden. Nach den Erfahrungen Deutschlands mit dem Umbau und den Reformen in den neuen Bundesländern sei bekannt, «dass das in zwölf Monaten nicht zu schaffen ist». SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kritisierte das neue Rettungspaket als «unvollständig». «Die Massnahmen zum Wiederaufbau der griechischen Wirtschaft und zur Initiierung von Investitionen sind bestenfalls vage», sagte er dem «Tagesspiegel am Sonntag».
Schuldenkrisen hüben und drüben
Neben Griechenland hängen bereits Irland und Portugal am internationalen Finanztropf. Zuletzt wuchs die Sorge, dass mit Spanien und vor allem dem hoch verschuldeten Italien wirtschaftliche Schwergewichte ins Taumeln geraten. Gleichzeitig dürfte der Nervenkrieg um die US-Schuldengrenze stärker in den Blick der Anleger geraten. In dem Streit um die Erhöhung des US-Schuldenlimits gab es einen herben Rückschlag: Wenige Tage vor einem möglichen Staatsbankrott liessen die Republikaner wegen eines Streits um Steuererhöhungen die Verhandlungen mit dem Weissen Haus platzen. (awp/mc/ps)